Blick: Marco Schällibaum, Yverdon hat den ersten Matchball zum direkten Aufstieg verspielt. Haben die Nerven dem Team einen Streich gespielt?
Marco Schällibaum: Wir haben stark begonnen, dann aber etwas das Gleichgewicht verloren. Natürlich spüren wir so kurz vor dem Ziel einen gewissen Druck. Aber damit können wir umgehen. Wir bereiten uns jetzt gut auf den Dienstagabend vor. Dann kommt der FC Aarau (auf Blick im Liveticker ab 20 Uhr).
Und die grosse Aufstiegsparty vor den eigenen Fans?
Hoffentlich. Und das Stadion wird voll sein. Wir sind ja jetzt sicher mal in der Barrage. Aber das Ziel mit unserer Ausgangslage ist klar: Wir wollen direkt aufsteigen. Und haben ja immer noch zwei Matchbälle.
Wann haben Sie erstmals daran geglaubt, dass ein Aufstieg mit Yverdon möglich sein könnte?
Als ich gekommen bin, da war das Kader praktisch komplett und ich habe die meisten Spieler nicht gekannt. Aber ich habe schon in der Vorbereitung gespürt, dass da einiges Potenzial schlummert. Und die Liga ist sehr ausgeglichen. Jeder kann da jeden schlagen. Mit den ersten Erfolgen zum Saisonstart ist auch das Selbstvertrauen schnell gewachsen.
Haben Sie eine Aufstiegsprämie im Vertrag?
Prämien sind ja fixer Vertragsbestandteil. Ich glaube, die hat jeder Trainer der Challenge League drin.
Was sagen Sie den Kritikern, die Yverdon als mögliche Verwässerung der Super League sehen?
Denen sage ich, dass die Schweiz ein vielfältiges Land ist. Dass das Land nicht nur aus grossen Fussballstadien und grossen Städten besteht. Dass das kleine Yverdon eher den provinziellen Charme in diese Liga bringen würde. Ich sage denen: Yverdon wäre eine Bereicherung für die Super League. Wir sind nicht St-Tropez. Aber wir sind ein kleines schönes Städtchen am See mit 30'000 Einwohnern. Wir können zum Bijou der Super League werden. Eine Reise nach Yverdon ist für jeden Fan aus der Schweiz ein Erlebnis. Natürlich wird es auch Kritiker geben. Aber das beisst mich nicht.
Der Zürcher Marco Schällibaum (61) kommt als junger Spieler schon mit 18 Jahren in die 1. Mannschaft von GC. Und der temperamentvolle Linksverteidiger gilt schnell als grosser Hoffnungsträger. Schällibaum spielt später auch für den FC Basel und für Servette. Und macht auch 31 Spiele (1 Tor) für die Nationalmannschaft. Danach führt ihn seine Reise als Trainer durch die ganze Schweiz und bis nach Montreal. Yverdon ist die 18. Station in der bewegten Trainerkarriere von «Schälli». Nur in seiner Heimat Zürich war er nie als Trainer aktiv. «Das hat sich nie ergeben», sagt er dazu. Schällibaum ist Familienvater. Und mittlerweile auch stolzer Grossvater.
Der Zürcher Marco Schällibaum (61) kommt als junger Spieler schon mit 18 Jahren in die 1. Mannschaft von GC. Und der temperamentvolle Linksverteidiger gilt schnell als grosser Hoffnungsträger. Schällibaum spielt später auch für den FC Basel und für Servette. Und macht auch 31 Spiele (1 Tor) für die Nationalmannschaft. Danach führt ihn seine Reise als Trainer durch die ganze Schweiz und bis nach Montreal. Yverdon ist die 18. Station in der bewegten Trainerkarriere von «Schälli». Nur in seiner Heimat Zürich war er nie als Trainer aktiv. «Das hat sich nie ergeben», sagt er dazu. Schällibaum ist Familienvater. Und mittlerweile auch stolzer Grossvater.
Aber mehr als 3000 Zuschauer würden auch in der Super League nicht kommen, oder?
Doch. Ich bin überzeugt, dass die Hütte jedes Mal voll wäre. Und ein Schnitt von 5000 Zuschauern realistisch ist. Und dann wird die Stimmung feuriger sein als im Letzigrund mit 4000 Leuten oder in Lugano mit 3500 Zuschauern. Darum wollen wir bei einem Aufstieg auch unbedingt in Yverdon spielen und nicht in ein grösseres Stadion ausweichen. Das können wir dieser Region nicht antun. Wir müssen beim Stadion noch einige Verbesserungen machen, aber wir haben die Lizenz für die Super League ja in erster Instanz erhalten.
Wie würden Sie die Mannschaft bei einem Aufstieg verstärken? Holen Sie Mario Balotelli?
Wir holen keine Stars, die können wir uns auch nicht leisten. Ich brauche Spieler mit Haltung und der richtigen Berufseinstellung. Wir gehen den Weg mit jungen, hungrigen Spielern in jedem Fall weiter. Wir haben jetzt eine Saison lang vom Teamspirit gelebt. Das würde sich auch in der Super League nicht ändern. Und ich bin überzeugt, dass wir kein Kanonenfutter sein würden. Man hat ja auch dem FC Winterthur wenig zugetraut, und das Team kann mithalten.
Haben Sie in den letzten Monaten kein Angebot von grösseren Vereinen erhalten?
GC hat nicht angerufen, wenn Sie das wissen wollen. Aber es war eh klar, dass sich mein Vertrag verlängert, wenn wir unter die besten fünf kommen. Ich freue mich jetzt, dass ich diese wunderbare Reise mit diesem Team fortsetzen kann.
Sie sind einst mit YB aufgestiegen, im letzten Jahr mit Bellinzona und jetzt eventuell mit Yverdon. Wäre dieser Aufstieg der schönste Moment Ihrer langen Trainerkarriere mit 18 Stationen?
Es wäre sicher ein ganz grosses Highlight in meiner Karriere. Ich bin ein Kämpfer und ich stehe auch mit 61 Jahren noch immer jeden Tag voller Tatendrang auf. Ich brauche und liebe die tägliche Herausforderung. Wenn ich jetzt diesen Erfolg in meiner jetzigen Lebensphase erleben dürfte, dann wäre dies schon sehr speziell.
Es wäre auch für Sie persönlich eine grosse Genugtuung?
Natürlich. Aber ich würde mich mehr für die Spieler, für die Mitarbeiter, für das Städtchen und diese Region freuen. Wenn man Begeisterung schenken kann und das Lachen und die Freude der Menschen sieht, ist das für mich schöner, als selber beschenkt zu werden.
Ihre ganze Karriere und Ihr ganzes Leben sind ja eine Berg-und-Tal-Fahrt.
Das ist so. Das perfekte Leben gibt es nicht. Ich habe vor einigen Jahren meinen einjährigen Sohn tot in den Händen gehalten und bin in eine Krise gestürzt. Aber ich habe schnell realisiert, dass das Leben zu kurz ist, um in Selbstmitleid und Verbitterung zu verfallen. Man muss vorwärts schauen und weitermarschieren. Man muss mit dem Schmerz leben und kämpfen. Eine Alternative zu dieser Haltung sehe ich nicht.
Welcher Spieler verkörpert die wundersame Entwicklung von Yverdon am eindrücklichsten?
Da müsste ich alle nennen. Aber wenn ich einen stellvertretend herausheben muss, dann ist es Brian Beyer. Der 26-jährige Franzose ist unser «Wild Horse». Ein Strassenfussballer aus Frankreich, der in unteren Ligen gespielt hat. Ein Mustang, der immer vorwärts galoppiert und mit dem Kopf durch die Wand will. Wir mussten ihn ein klein wenig zähmen. Aber mit seiner wilden Entschlossenheit verkörpert er unseren Weg perfekt.
Worauf würden Sie sich nach einem Aufstieg am meisten freuen?
Auf alles. Auf jedes Stadion. Ich habe ja überall viele Freunde und Erinnerungen. In Bern, in Basel, in Zürich. Nicht überall ist es nur gut gelaufen, die Entlassung in Basel schmerzt immer noch. Aber ich habe nirgendwo offene Rechnungen und kann überall mit Freude zurückkehren.
Sie sind jetzt 61 Jahre alt. Wird Marco Schällibaum zum Giovanni Trapattoni des Schweizer Fussballs?
Ich fühle mich fit und bin voller Tatendrang. Die tägliche Arbeit ist meine Inspiration. Ich hoffe, das dauert noch eine ganze Weile.