Marcel Koller bricht sein Schweigen
«Ich wollte so oder so nicht weitermachen»

Letzte Woche gaben Marcel Koller (59) und der FC Basel die Trennung bekannt. Nun bricht der FCB-Coach im BLICK sein Schweigen.
Publiziert: 23.08.2020 um 23:17 Uhr
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Aktualisiert: 24.08.2020 um 07:13 Uhr
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Seit letzter Woche ist es bekannt: Marcel Koller (59) wird den FC Basel verlassen.
Foto: Urs Lindt/freshfocus
Andreas Böni

Herr Koller, Mitte letzter Woche fiel endlich eine Entscheidung über Ihre Zukunft. Sind Sie enttäuscht oder erleichtert?
Marcel Koller: Mein Berater und ich haben vor drei Wochen entschieden, dass wir so oder so nicht weitermachen wollen. Vergangene Woche trafen wir dann den Verein, der das auch so gesehen hat und wir kommunizierten es gemeinsam.

Warum hat es auch von Ihrer Seite her nicht mehr gepasst?
Weil ich dachte: Es ist gut jetzt. Und ich wusste auch für mich, dass ich jetzt etwas Neues machen will.

War es belastend für Sie, dass der Klub bis Mitte August sich nicht mal im Ansatz äusserte?
Mein Vertrag wurde bis zum letzten Spiel verlängert und ich und mein Staff haben uns auf unsere Aufgaben konzentriert.

Von aussen betrachtet war die Kommunikation katastrophal. Über Monate wurden Sie nie gestützt. Haben Sie das in der Innensicht anders gesehen?
Es war für alle schwierig, ja. Ich habe mich auf das konzentriert, was ich beeinflussen konnte.

Was hätten Sie sich gewünscht?
Das gehört nicht in die Öffentlichkeit.

Wie finden Sie es, dass mit Cömert, Cabral, Ramires und Campo vier Spieler zusammen in Urlaub gehen und drei dann mit Corona zurückkehren?
Wir haben ihnen empfohlen, in der Schweiz zu bleiben, weil noch wichtige Spiele anstehen. Es ist grundsätzlich nichts Ungewöhnliches, dass Spieler zusammen in die Ferien gehen.

Morgen trifft Basel im Cup-Halbfinal auf Winterthur. Im Cupfinal könnten Sie sie wieder einsetzen.
Ja, vielleicht. Aber wenn sie zehn Tage nicht trainiert haben, wird es schwierig.

Wenn Sie die zwei Jahre zurückschauen: Waren es gute oder schlechte Jahre?
Ich bin froh um diese zwei Jahre. Es sind Erfahrungen, die ich mitnehme. Aber ich will auch mit zwei, drei medialen Vorurteilen mal aufräumen.

Bitte.
Zum Beispiel, dass ich nicht mit Jungen könne. Heute ist es so, dass «auf Junge setzen» einfach ein Schlagwort ist. Dabei geht es aber um Qualität, nur jung sein reicht nicht. Das heisst, wenn Ajax oder die Red-Bull-Klub für x Millionen junge Spieler holen, dann sind das die Besten. Die haben extreme Qualität, sind mit die besten auf der Welt – und sind dann dementsprechend Stammspieler. Beim FCB ist die Realität eben eine andere: Wir haben viele Junge beim FCB hochgezogen, die können auch kicken, aber sie brauchen mehr Zeit und Pflege. Und das zweite ist die Offensiv-Diskussion.

Dass Sie nur defensiv spielen könnten?
Ja. Wir haben 74 Tore geschossen, St. Gallen 79 und YB 80. Es ist also ein minimaler Unterschied, zudem haben wir mit 38 Gegentoren zu 56 von St. Gallen und 41 von YB die wenigsten kassiert.

Meister wurden Sie trotzdem nicht.
Ja, und das war wohl auch das harte an den zwei Jahren. Oder dass wir im Europa-League-Viertelfinal gegen Schachtar unser Spiel nicht umsetzen konnten.

Was war der schönste Moment?
Schon der gewonnene Cupfinal. Aber ich hatte auch Glücksgefühle auf dem Trainingsplatz, wenn sich der eine oder andere entwickelt hat und man merkte, dass er meine Inputs annahm. Zum Beispiel Kevin Bua, der einen hervorragenden Herbst spielte. Afimico Pululu, der nach einer Leihe zu Xamax den Anschluss fand und auf gutem Weg ist. Oder Samuele Campo, der sich die Zweikampfhärte und Aggressivität aneignete und plötzlich extrem wichtig wurde.

Wie hat sich die Substanz der Mannschaft entwickelt?
Wir haben inzwischen viele junge Spieler im Kader und parallel verloren wir Schnelligkeit und Qualität im Dribbling. Ob Zhegrova, Bua oder Okafor. Das half uns nicht, wenn Gegner tief standen.

Gibt es Menschen, die Sie enttäuscht haben?
Natürlich. Aber ich bin keiner, der dreckige Wäsche wäscht.

Haben Sie jemals mehr Unruhe rund um einen Klub erlebt?
Es gab schon auch Unruhe in anderen Klubs. Aber ich bin mir sicher, der FC Basel hat bestimmt das eine oder andere aus diesen Situationen gelernt.

Als man Sie absägen und durch Patrick Rahmen ersetzen wollte: Dachten Sie an Rücktritt?
Nein, ich wurde ja von euch Journalisten entlassen (lacht), nicht vom FC Basel.

Sie werden nun im November 60 Jahre alt. Was haben Sie noch für Ziele in Ihrer Trainer-Karriere?
Das ist schwierig vorauszusehen. Ich wollte nach meinen Jahren als Nationaltrainer in Österreich zurück ins tägliche Geschäft, habe mich zwei Jahre voll reingehängt. Ich habe Tag und Nacht gearbeitet. Aber wo es mich hinzieht? Man muss geduldig sein bis das richtige Projekt kommt.

Als Trainer ist man manchmal arbeitslos. Wie geht Ihre Frau damit um?
Sie hat Freude, dass ich da bin. Wir verstehen uns auch gut, wenn ich 24 Stunden zuhause bin. Ich gehe mal Velofahren, sie macht sonst ab. Aber ich freue mich nach dieser intensiven Zeit schon, die Natur zu geniessen, abzuschalten. Und meine vier Enkel zu sehen, zuletzt hatten sie zu wenig von mir. Und als Grossvater ist es ja auch ein Privileg, sie abends dann wieder abgeben zu dürfen.

Was machen Sie in sieben Tagen, an ihrem ersten freien Tag nach Ihrer Basel-Zeit?
Hoffentlich nach einem erfolgreichen Abschluss mit Staff und Mannschaft den Kater nach einem gewonnenen Cupfinal auskurieren.

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