Zum ersten Mal in der Geschichte des deutschen Fussballverbandes wurde ein Bundestrainer gefeuert. Getroffen hat es ausgerechnet Hansi Flick (58), vor wenigen Jahren noch umjubelter Triple-Trainer der Bayern. Geschehen ist es ausgerechnet jetzt, neun Monate vor dem Start der Heim-EM 2024. Für den DFB wird die Entlassung teuer – bis zu Flicks Vertragsende 2024 fliessen noch rund 4,5 Millionen Euro auf dessen Konto.
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Das hielt den DFB aber nicht davon ab, nach der erniedrigenden 1:4-Pleite gegen Japan die Reissleine zu ziehen. «Es ging einfach nicht mehr in dieser Konstellation», so Sportdirektor Rudi Völler (63). Nun ist es Völler höchstpersönlich, der sich interimistisch auf die DFB-Bank setzt. Für das Freundschaftsspiel gegen Frankreich übernimmt er gemeinsam mit dem U20-Nati-Duo Hannes Wolf (42) und Sandro Wagner (35) die Leitung.
Wie es danach weitergeht, ist noch völlig offen. Matthias Sammer (56) und Julian Nagelsmann (36) werden gehandelt, auch der Name Jürgen Klopp (56) geistert umher. Vorstellbar auch, dass Völler weitermacht, sollte sein Comeback auf der Trainerbank fruchten. So oder so: Bis zur USA-Tour im Oktober will der DFB eine Lösung gefunden haben.
Effenberg und Magath lancieren «Quälix» Magath
Denn: Die EM im eigenen Land rückt immer näher, viel Zeit bleibt nicht mehr. Nach einem desaströsen Jahr mit vier Niederlagen in sechs Spielen muss die deutsche Mannschaft schnellstmöglich wieder aufgerichtet werden. Einer, der sich das zutrauen würde, ist HSV-Legende Felix Magath (70). Der hartgesottene Trainer-Fuchs mit dem Übernamen «Quälix» wurde am Wochenende unter anderem von den Ex-DFB-Stars Stefan Effenberg und Dietmar Hamann als neuer Trainer der deutschen Nationalmannschaft ins Spiel gebracht.
Und der scheint nicht abgeneigt. «Ich denke, dass ich in der Lage bin, verunsicherte Mannschaften wieder aufzurichten», so Magath im «NDR». Krisenmanagement sei nämlich sein Spezialgebiet: «Teilweise habe ich Mannschaften aus dem Tabellenkeller ins Mittelfeld oder sogar wieder an die Spitze der Bundesliga geführt. Und ich denke, das ist das, was der DFB zurzeit auch braucht.»
Gündogan lässt tief blicken
Wie schwierig es aber werden könnte, dieses DFB-Team wieder in die Spur zu bringen, zeigen Aussagen von Kapitän Ilkay Gündogan (32). Der Barça-Star trat am Montagabend vor die Medien, um seine Sicht der Dinge zu erklären – und legte den Finger schonungslos in die Wunde. «Wir hatten nicht immer nur Weltklasse-Spieler, aber immer eine Weltklasse-Mannschaft. Jetzt haben wir nur noch Spieler auf Weltklasse-Niveau.»
Laut Gündogan muss also dringend am Teamgefüge gearbeitet werden. Die in allen Belangen für Deutschland katastrophale WM in Katar und die toxische Beziehung des DFB zu seiner Basis scheinen Spuren hinterlassen zu haben. Immerhin – der Kapitän nimmt sich nicht aus der Verantwortung und streckt sein Haupt für den geschassten Flick hin. «Ich als Spieler habe das Gefühl, Hansi im Stich gelassen zu haben. Und es geht einigen anderen ganz genauso.»
Nun müssen Taten folgen
Doch Parolen wie diese reichen nicht aus. Nun sind sichtbare Veränderungen auf dem Spielfeld gefordert. Und zwar schnell. Das sieht auch ein Kenner des deutschen Fussballs so. Die französische Bayern-Legende Bixente Lizarazu (53) nennt die Spielweise der DFB-Elf «viel zu naiv». Gerade im taktischen Bereich würden die Deutschen grosse Mängel aufweisen. Daneben fehle es in der Verteidigung am nötigen Tempo.
Sein Urteil über den Zustand des deutschen Fussballs fällt verheerend aus: «Seit der WM 2014, also seit fast zehn Jahren, dümpelt die deutsche Elf vor sich hin», so der Weltmeiser von 1998. Eine einfache Lösung sieht Lizarazu nicht. Im Gegenteil. Nur mit harter Grundlagenarbeit komme der deutsche Fussball aus diesem Tal. «Das ganze Modell muss neu gestaltet werden, es müssen Veränderungen in den Strukturen her, auch bei der Jugendarbeit muss was Neues kommen.»
Aber eben – diese Zeit hat der DFB nicht. In wenigen Monaten erfolgt der Kickoff zur Europameisterschaft. Ein erneutes Sommermärchen sollte es werden, so die Hoffnung. Doch aktuell wartet auf Deutschland im nächsten Jahr kein Märchen, sondern viel eher ein Alptraum.