Cömert soll Nati-Baustelle schliessen
«Wenn ich Vertrauen spüre, gebe ich das Doppelte zurück»

La-Liga-Söldner Eray Cömert (26) wird am Freitag gegen Serbien wohl in der Startelf stehen. Wies dem Ex-Bebbi in Valladolid geht. Was Weggefährten sagen. Und warum sich kaum ein Schweizer in der höchsten spanischen Liga durchgesetzt hat.
Publiziert: 12.11.2024 um 11:03 Uhr
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Aktualisiert: 12.11.2024 um 11:40 Uhr
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Ist bei Valladolid gesetzt: Eray Cömert.
Foto: imago/alterphotos

Auf einen Blick

  • Der Brasilianische Weltmeister Ronaldo ist sein Präsident
  • Nur ein Schweizer hat mehr La-Liga-Spiele als Cömert
  • «Wenn ich Vertrauen spüre, gebe ich das Doppelte zurück»
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Stefan KreisReporter Fussball

Eray Cömert (26) sitzt auf der Couch in seiner Dreieinhalbzimmerwohnung in Valladolid, einer Grossstadt nördlich von Madrid. Bald kommt das Nachtessen. Vom Klub direkt nach Hause geliefert. Wie jeden Tag. «Als ich noch in Frankreich bei Nantes spielte, haben sich meine Kochkünste weiterentwickelt. Fast immer habe ich mir selber etwas zubereitet. Hier in Spanien aber organisiert der Klub drei Mahlzeiten am Tag. Es wird extrem auf die Ernährung geachtet», sagt Cömert.

Auch neben dem Teller habe er in Valladolid alles, was er brauche. Die Leute seien immer nett zu ihm, grundsätzlich werde er in Ruhe gelassen. Auch nach Niederlagen. «Als ich noch beim FC Valencia spielte, war das anders, extremer», sagt der 15-fache Schweizer Nationalspieler. «Die Stadt hier erinnert mich ein wenig an Basel, in 15 Minuten bist du überall. Und auch das Stadion ist ähnlich gross. Pro Spiel kommen etwas mehr als 20’000 Zuschauer», sagt Cömert.

Nur Celestini hat mehr Spiele als Cömert

Sportlich hingegen liegen Welten zwischen der Schweizer Super League und der spanischen Liga. Als Cömert im Januar 2022 vom FCB zu Valencia wechselt, spürt er ein erstes Mal, wie stark die Gegner sind, wie kompetitiv der Wettbewerb. Statt GC und Luzern heissen die Gegner nun Real, Atletico oder Barcelona. «Es ist nicht einfach, sich hier durchzusetzen. Weil auch kleinere Vereine grosse Qualität haben», sagt Cömert. Am Sonntag hat er gegen Bilbao seinen 43. Einsatz in der höchsten spanischen Liga absolviert. Mit FCB-Trainer Fabio Celestini gibts nur einen Schweizer, der noch mehr Spiele auf dem Konto hat.

Umso bemerkenswerter, dass Cömert in der Nati bislang keine Rolle spielte. Nur 15 Einsätze hat er absolviert, in wichtigen Spielen aber schaute er nur zu. Auf ein EM-Aufgebot wartet er vergebens, obwohl er in der letzten Saison beim FC Nantes Stammspieler ist.

Was von seiner Nati-Karriere in Erinnerung bleibt, ist die Einwechslung im WM-Achtelfinal 2022 gegen Portugal. Beim Stand von 0:4 wird Cömert zur Pause für Fabian Schär eingewechselt. Undankbarer gehts kaum. «Trotzdem bin ich Murat Yakin dankbar, dass er mir die Chance gegeben hat, an einer WM zu spielen», sagt der Innenverteidiger. Am Freitag wird er im Nations-League-Spiel gegen Serbien wohl eine nächste Chance erhalten.

Dass er nur deshalb zum Handkuss kommt, weil Bundesliga-Söldner Nico Elvedi gesperrt und Manuel Akanji angeschlagen ist, ist klar. Wohl auch deshalb geht die Notnagelrolle nicht spurlos am 26-Jährigen vorbei. «Ich bin ein sehr emotionaler Spieler. Einer, der das Vertrauen braucht. Wenn ich das spüre, dann gebe ich auf dem Platz das Doppelte zurück.» Bei Valencia sei es so gewesen. «Unter Gennaro Gattuso war ich gesetzt, die Nummer 1. Als dieser entlassen wurde, war ich bloss noch die Nummer 4. Das war im ersten Moment schockierend für mich. Auch wenn solche Dinge zum Fussball gehören», sagt Cömert.

Bei Valladolid auf der Sechs

Mittlerweile hat er mit Paulo Pezzolano einen Trainer, der ihm dermassen vertraut, dass er ihn gar auf der ungewohnten Position im zentralen Mittelfeld laufen lässt. «Er hat mich gefragt, ob ich mir zutraue, dort zu spielen und ich habe ihm gesagt, dass ich offen sei. Wohlwissend, dass ich Adaptionszeit benötigen würde. Es ist schwieriger, von der Innenverteidigung ins Mittelfeld zu kommen als umgekehrt. Als Sechser hast du das Spiel plötzlich 360 Grad um dich rum, das ist eine grosse Veränderung.»

Dass nicht gleich jeder Bock bestraft werde, weil man noch eine Innenverteidigung habe, die ausputzen könne, sei hingegen ein Vorteil, so Cömert. Und dass er polyvalent einsetzbar sei, natürlich ebenfalls. Schon im FCB-Nachwuchs hat er ab und an im Zentrum gespielt, sein Ex-Coach Romain Villiger sagt: «Es hat sich schon früh herauskristallisiert, dass Eray ein Innenverteidiger werden wird. Weil er sehr kopfballstark ist, eine gute Kommunikation hat, Verantwortung übernimmt. Ich habe ihn aber trotzdem im Mittelfeld eingesetzt, weil ich das Gefühl hatte, er könnte taktisch davon profitieren. Dass er die technischen Fähigkeiten für diese Position mitbringt, ist klar. Seine Spielverlagerungen sprechen für sich.»

Für die beiden Nations-League-Spiele vom Freitag gegen Serbien und vom Montag gegen Spanien wird Cömert aber in der Innenverteidigung gebraucht. Ob er Elvedi mittelfristig verdrängen und sich unverzichtbar machen wird? Dass Cömert eine gute Spielauslösung hat und Fabian Schär in dieser Hinsicht valabel ersetzen könnte, ist bekannt. «Als ich noch im FCB-Nachwuchs war, haben mich die weiten Bälle von Fabian Schär extrem beeindruckt. Und auch seine Ausflüge nach vorne», sagt Cömert.

Wie Schär ist auch Cömert torgefährlich. Unvergessen, wie er seinen FC Basel in der Champions-League-Quali gegen Eindhoven mit einem satten Freistossstrahl in Führung bringt. Auch für Valencia und Nantes hat Cömert schon getroffen. In dieser Saison wartet er noch auf sein Erfolgserlebnis, zweimal sei er nah dran gewesen. «Zum Saisonauftakt gegen Espanyol hatte ich eine gute Kopfballchance und gegen Alaves hab ichs aus der zweiten Reihe versucht», sagt Cömert.

Ronaldo ist sein Boss

Auf die Frage, ob er sich in Sachen Toreschiessen schon Tipps von Ronaldo geholt habe, muss der 26-Jährige schmunzeln. Der Brasilianer, der Weltmeister von 2002, der einst beste Stürmer der Welt, besitzt 82 Prozent des Vereins, ist Präsident. Gesehen hat Cömert den mittlerweile 48-Jährigen aber bloss einmal. «Er hat uns in der Sommervorbereitung im Training besucht und mich willkommen geheissen.» Mittrainiert aber habe «Il Fenomeno» nicht: «Er hat sich seine Sonnenbrille montiert und zugeschaut.»

Auch auf dem Transfermarkt scheint es Ronaldo eher gemächlich anzugehen. Mit einem Kaderwert gemäss Transfermarkt.ch von bloss 45 Millionen Franken liegt Aufsteiger Valladolid mit weitem Abstand auf dem letzten Platz. Zum Vergleich Real und Barça kommen zusammen auf fast 2,5 Milliarden. Kein Wunder gabs sowohl in Madrid (0:3) als auch in Barcelona (0:7) heftig aufs Dach. In der Tabelle liegt Valladolid nach dreizehn Runden mit bloss neun Punkten auf dem zweitletzten Rang. Seinen Wechsel aber bereut Cömert deswegen nicht. Ganz im Gegenteil. Jedes La-Liga-Spiel bringe ihn weiter, so der 26-Jährige.

Bis Juni 2025 ist er noch an Valladolid ausgeliehen, bei Valencia hat er noch einen Vertag bis 2026. Wie es im Sommer weitergehen wird, weiss Cömert noch nicht. Sein vier Jahre älterer Bruder Eren, der den Nati-Spieler seit Jahren berät, sagt: «Es ist noch zu früh, etwas zu sagen. Im Fussball geht es schnell. Das Timing spielt eine wichtige Rolle, das Gesamtpaket muss stimmen. Fakt ist, dass er sein Können auf Top-Niveau unter Beweis gestellt hat und im besten Fussballer-Alter ist. Die Zeit wird zeigen, in welche Richtung es geht.»

Eine Rückkehr zum FCB wird aber erst in ein paar Jahren wieder zum Thema. Was nicht heisst, dass der Mann aus Rheinfelden AG seinen Herzensverein nicht vermisst. Als er im Winter 2022 verabschiedet wird, hisst die Muttenzerkurve ein Banner. Dort steht: «Eray, bei uns hast du immer einen Platz.» Darauf angesprochen muss Cömert lächeln. Und er gibt ein Versprechen ab: «Wenn ich zum nächsten Mal die Möglichkeit habe, ein FCB-Spiel zu sehen, dann werde ich in die Kurve stehen.»

Vorerst aber muss er im Letzigrund ran. Am Freitag gehts gegen die Serben.

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