Stéphane Henchoz zum Premier-League-Start
Diese Prognose wird den Liverpool-Fans nicht gefallen

Wenn einer eine Tiefenanalyse des FC Liverpool vornehmen kann, dann er: Reds-Legende Stéphane Henchoz. Der Freiburger ist von einer weit besseren Saison der Kloppianer überzeugt. Aber ohne Chancen auf den Titel.
Publiziert: 12.08.2023 um 10:58 Uhr
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Aktualisiert: 12.08.2023 um 11:03 Uhr
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Stéphane Henchoz arbeitet heute als Scout für Lyon und sieht die Reds um Platz drei spielen.
Foto: TOTO MARTI
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Alain KunzReporter Fussball

Was war das für ein Frust, die letzte Saison, die mit Platz fünf endete. Der schlechtesten Platzierung seit 2016. Immer wieder nahmen die Reds Schwung auf mit vereinzelten grossen Siegen. Doch dieser Schwung verpuffte jeweils ebenso schnell ungenutzt. Gegen Saisonende, als sich das Verpassen der Champions League immer mehr abzeichnete, wurde selbst Trainer Jürgen Klopp (56) dünnhäutig. Er reagierte ungewohnt gereizt auf Reporterfragen und wurde gar zweimal wegen Schiedsrichterbeleidigung gesperrt.

Tempi passati. «Jürgen hatte, wie die Spieler, eine schwierige Saison. Aber er scheint die Sommerpause genutzt zu haben, um Energie zu tanken. Er wirkt total frisch auf mich», sagt Stéphane Henchoz (48), ehemaliger Nati-Spieler und Reds-Legende (205 Einsätze), der heute als Scout für Lyon arbeitet. «Wenn Jürgen nicht gespürt hätte, dass sein Job bei Liverpool unvollendet ist, wäre er von sich aus gegangen. Oder er hätte gesagt: Ja, ich will Bundestrainer werden. Dann wäre er jetzt Bundestrainer. Denn er ist jetzt schon eine Liverpool-Legende, an die man sich auch in hundert Jahren noch erinnern wird. Doch er wollte nicht so gehen, mit einem fünften Platz.»

Liverpool spielt um Platz drei

Der Coach selber bestätigt das: «Manchmal brauchst du einen Rückschlag, um zu realisieren: Ah, da ist das Problem. Und ich würde wirklich sagen, dass wir letztes Jahr einen ordentlichen Rückschlag einstecken mussten. Ich jedenfalls habe mit Sicherheit einen bekommen, deshalb bin ich heiss!»

Doch wie stark ist das Liverpool-Kader effektiv? Kann es um den Titel mitspielen? Henchoz dezidiert: «Stand jetzt: nein! Aber es kann noch viel passieren bis Ende Monat.» Bis das Transferfenster zugeht. Weshalb eine finale Beurteilung erst dann möglich ist.

Henchoz' Momentaufnahme sieht so aus: «Manchester City und Arsenal machen den Titel wieder unter sich aus. Dahinter gibts einen Dreikampf um die Champions-League-Plätze zwischen Manchester United, Liverpool und einem erstarkten Chelsea.»

Auf Newcastle und Tottenham hingegen sieht Henchoz eine schwierige Spielzeit zukommen. «Bei Newcastle wird die Champions League enorme Energie abzapfen. Die kennen das noch nicht. Und bei den Spurs ist Harry Kane absolut unersetzlich.» Da sieht Henchoz Aston Villa stärker, den möglichen Luzern-Widersacher in den Conference-League-Playoffs. Für ihn ist das Team aus Birmingham die potenzielle Premier-League-Überraschung der Saison. Vor allem wegen des neuen Coaches. «Ich halte viel von Unai Emery, der die Liga von seiner Arsenal-Zeit kennt.»

Es fehlt eine Nummer Acht

Zurück zu den Reds. Da ortet Henchoz das Hauptproblem im Mittelfeld. «Klar, mit Weltmeister Mac Allister und Szoboszlai von RB Leipzig ist das Mittelfeld verjüngt, laufstärker und energetischer geworden als mit Henderson und Fabinho, die sich ihre Karriere in Saudi-Arabien finanziell veredeln lassen. Aber es fehlt eine Nummer acht.» Die Reds haben da Supertalent Romeo Lavia (19) von Southampton im Visier. Allerdings hat Chelsea im Wettbieten um den Belgier Liverpool mit über 50 Millionen für den Moment überboten.

Van Dijk ist nicht mehr der Alte

Vorne hingegen hätten die Reds keine Probleme mit dem Quartett Salah, Luis Diaz, Jota und Nuñez. «Da ist Topqualität vorhanden.» Anders in der Abwehr. Schon in den Testspielen habe Liverpool viel zu viele Tore kassiert. Warum? «Nun, Van Dijk ist nicht mehr derselbe wie vor seinem Kreuzbandriss. Damals machte er alle anderen stärker. Jetzt ist er vornehmlich mit sich selber beschäftigt. Und Rechtsverteidiger Alexander-Arnold ist in der Offensive wohl ein brillanter Spieler, defensiv genügt er Premier-League-Ansprüchen nicht. Nein, in der Verteidigung braucht Liverpool dringend einen Topzugang.»

Gelingt das noch? Henchoz: «Ich habe nicht den Eindruck, dass die Besitzer wirklich viel Geld in die Hand nehmen wollen.» Doch das sagte er, bevor die Reds für Brighton-Sechser Moises Caicedo (21), der nun doch zu Chelsea will, irre 120 Millionen Franken hinlegen wollten. So viel Geld hatte Liverpool zuvor im ganzen Sommer ausgegeben. Das versteht man heute unter «nicht wirklich viel Geld.»

Premier League 24/25
Mannschaft
SP
TD
PT
1
Liverpool FC
Liverpool FC
15
18
36
2
Chelsea FC
Chelsea FC
16
18
34
3
Arsenal FC
Arsenal FC
16
14
30
4
Nottingham Forest
Nottingham Forest
16
2
28
5
Manchester City
Manchester City
16
5
27
6
AFC Bournemouth
AFC Bournemouth
16
3
25
7
Aston Villa
Aston Villa
16
-1
25
8
FC Fulham
FC Fulham
16
2
24
9
Brighton & Hove Albion
Brighton & Hove Albion
16
1
24
10
Tottenham Hotspur
Tottenham Hotspur
16
17
23
11
Brentford FC
Brentford FC
16
2
23
12
Newcastle United
Newcastle United
16
2
23
13
Manchester United
Manchester United
16
2
22
14
West Ham United
West Ham United
16
-8
19
15
Crystal Palace
Crystal Palace
16
-4
16
16
Everton FC
Everton FC
15
-7
15
17
Leicester City
Leicester City
16
-13
14
18
Ipswich Town
Ipswich Town
16
-12
12
19
Wolverhampton Wanderers
Wolverhampton Wanderers
16
-16
9
20
Southampton FC
Southampton FC
16
-25
5
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