Noch vor Kurzem herrschte in Fussballdeutschland Tristesse. Die 1:4-Pleite gegen Japan kostete Hansi Flick (58) den Job und sorgte für endgültige Demoralisierung beim DFB. Die Mannschaft am Boden, die Hoffnungen auf ein neues Sommermärchen an der Heim-EM im kommenden Jahr gestorben, die Verbindung zum Volk verloren.
Aber plötzlich ist der Himmel über Deutschland wieder rosig. Innert einer Nacht wird die Lust auf Fussball und die Vorfreude auf die Europameisterschaft im eigenen Land wieder wachgeküsst. Und zwar von DFB-Sportdirektor Rudi Völler (63), der interimistisch die Zügel übernimmt und einen 2:1-Sieg über Fussball-Weltmacht Frankreich erringt.
Deutschland im Rudi-Rausch
Dabei wollte Völler eigentlich gar nichts mehr mit dem Trainergeschäft zu tun haben. Notgedrungen nimmt er nach der Entlassung von Flick für die Partie gegen Frankreich auf der Bank Platz – und könnte dort jetzt länger sitzen bleiben.
Denn: Im Verbund mit dem U20-Nati-Duo Hannes Wolf (35) und Sandro Wagner (35) hat Völler der DFB-Elf wieder Leben eingehaucht. Endlich stimmte die Einstellung auf dem Rasen. Die Deutschen kämpften, grätschten, spielten befreit auf – und gewannen dabei viele Herzen zurück. Das Stadion in Dortmund wird nach dem Sieg zum Tollhaus, «Rudi»-Rufe hallen durchs weite Rund und die Begeisterung der Fans für Völler wird regelrecht greifbar.
Die Meinungen in Fussballdeutschland sind nach dem Spiel schnell gemacht. Rudi muss bleiben, so der Tenor. «Völler ist nicht der perfekte, aber der richtige Mann für die EM», titelt «Focus». «Rudi, gib dir einen Ruck», fordert die «Bild». In einer dazugehörenden Umfrage stimmen über 70'000 ab, satte 71 Prozent sprechen sich dabei für einen Verbleib von Völler aus.
Auch die Spieler schwärmen – doch wie weiter?
Und die Spieler? Die sind von Völlers Art ebenfalls angetan. Innert Kürze hat er diese auseinanderfallende Mannschaft stabilisiert. Verteidiger Antonio Rüdiger (30) schwärmt nach der Partie von «Rudis Präsenz, Ansprache und Selbstverständnis».
Torschütze Thomas Müller (34) führt weiter aus: «Es wurde nicht gezaubert. Wir haben uns auf relativ einfache Punkte verständig.» Der Einfluss von Völler – sofort ersichtlich. Sein Wirken hat gefruchtet und die Spieler danken es ihm mit Leistung.
Doch wie weiter? Völler hat vor und nach der Partie betont, dass seine Rückkehr auf die Trainerbank eine einmalige Sache sei. «Gefallen tut mir das jetzt trotzdem nicht», knurrt er nach Spielschluss. Der Plan sei weiterhin, bis im Oktober einen neuen Coach zu finden. Doch so eine ähnliche Episode gab es schon. Im Jahr 2000 übernahm Völler interimistisch bereits einmal die DFB-Elf. Aus einem Jahr wurden vier – inklusive Einzug in den WM-Final 2002.
Fussballdeutschland dürfte aktuell heimlich hoffen, dass die Suche nach einem neuen Bundestrainer im Sand verläuft. Damit Rudi noch einmal zurückkehrt. Und die Nationalmannschaft zum Sommermärchen 2024 führt.