Steiler Aufstieg zu Topklub
Sturmjuwel Marc Giger (20) träumt in Belgien von der Nati

Es gibt sie noch, die Tellerwäscherkarrieren im Profifussball. Sturmtalent Marc Giger (20) fiel bei GC durch und spielte vor zwei Jahren als Amateur im Glarnerland – nun kickt sein neues Team vor 50’000 Fans in Amsterdam. Das ist seine Geschichte.
Publiziert: 13:14 Uhr
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Aktualisiert: 15:45 Uhr
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Wird er ein König in Belgien? Marc Giger will hoch hinaus.
Foto: zVg Union Saint-Gilloise

Auf einen Blick

  • Marc Giger (20) wechselte im Winter von Schaffhausen zu Saint-Gilloise
  • Jetzt spricht er über die harte Zeit nach dem GC-Out und seinen steilen Aufstieg
  • Was Papa Philipp über den U20-Natispieler sagt
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Simon StrimerReporter & Redaktor Sport

«So etwas habe ich noch nie gesehen», erzählt Marc Giger, als ihn Blick am Telefon erreicht. Das 20-jährige Sturmtalent entdeckt in Brüssel gerade eine neue Welt. «Die Videoanalysen sind hier noch viel genauer als das, was ich in der Schweiz erlebt habe. Wir haben den gegnerischen Goalie analysiert. Nicht nur bei Penaltys, sondern zum Beispiel, in welcher Ecke er auch während des Spiels seine Schwächen hat, um öfter da hinzuschiessen.»

Das Imperium des studierten Mathematikers

Vor Kurzem ist Giger vom Challenge-League-Klub Schaffhausen zu Union Saint-Gilloise nach Belgien gewechselt. Der Klub wollte ihn unbedingt – ganz im Gegensatz zu den Schweizer Klubs. Aus der Super League hatte der U20-Nationalspieler, der trotz turbulentem Klub-Umfeld in Schaffhausen durchstartete, keine Angebote. Saint-Gilloise ist nicht irgendwer, sondern eine belgische Top-Adresse. Am Donnerstag empfängt der Klub Ajax Amsterdam in der K.o.-Phase der Europa League, eine Woche später steht das Rückspiel vor 50’000 Fans in der Johan-Cruyff-Arena an.

Wie kommt es, dass ein belgischer Top-Klub alles daran setzt, einen jungen Schweizer Stürmer für rund 300'000 Franken Ablösesumme aus der Challenge League zu holen? Marc Giger hat eine Spezialität, die rar ist auf dem Markt: Er gewinnt die meisten Eins-gegen-eins-Duelle. In dieser Statistik war er die klare Nummer eins der Challenge League. Die Besitzer von Saint-Gilloise lieben Zahlen und Statistiken. Der studierte Mathematiker Tony Bloom (54), ein englischer Poker-Millionär, kaufte sich 2018 beim Traditionsklub aus Brüssel ein. Bloom ist auch als Besitzer des Premier-League-Vereins Brighton bekannt.

«Ich fuhr eineinhalb Stunden nach Näfels, war kurz vor Mitternacht zurück – jeden Tag»

Saint-Gilloise verkaufte in den letzten Jahren Boniface für über 20 Millionen Franken zu Leverkusen, die ehemaligen Super-League-Spieler Mohamed Amoura (24) und Cameron Puertas (26) für rund 15 Millionen nach Wolfsburg respektive Saudi-Arabien. In diesen Sphären bewegt sich Giger nun. Erstaunlich: Vor zwei Jahren kickte der Stürmer noch als Amateur bei Linth 04 im Glarnerland in der
1. Liga Classic. «Ich bin jeden Tag fürs Training eineinhalb Stunden von Zürich nach Näfels gefahren und war am Abend kurz vor Mitternacht wieder zurück – fünfmal die Woche.»

Ein Jahr zuvor, im Sommer 2022, der Tiefpunkt: Giger, damals Nachwuchsspieler bei GC, wurde am letzten Tag vor Saisonstart mitgeteilt, dass er in der U21 bloss noch Stürmer Nummer fünf sei und gehen könne. Seit Kindesbeinen kickte Giger bei den Hoppers, schon als Bub trug er die Captainbinde. Ein einschneidender Moment. Hier kam Berater Gianluca Di Domenico ins Spiel. Dieser brachte ihn zu Linth 04 und sagt nun: «Es war ein entscheidender Schritt zurück in den Amateurfussball, um dann zwei nach vorne zu machen. Aber der wichtigste Schritt ist der vom Amateur- in den Profifussball. Dieser muss funktionieren.» Dieser stand damals noch bevor.

Marc Giger mit der U12 von GC als Captain beim Cup-Sieg, damals 2016.
Foto: zVg

Der Schlüsselmoment: Schaffhausen statt Juventus Turin

Giger schoss im ersten halben Jahr im Glarnerland nur ein Tor, kam dann aber in Fahrt. Konkurrent und Aufsteiger Paradiso nahm ihn gleich mit in die Promotion League, wo er ebenfalls überzeugte. Plötzlich standen Weltklubs auf der Matte. Giger, damals 19, hätte zu Juventus Turin in die Akademie wechseln können. Doch er wollte nicht. Es ging um diesen entscheidenden Schritt. Und der lag in der Munotstadt. «Bei Juve wäre ich nur einer von vielen gewesen. Jetzt aber mache ich als Stammspieler von Schaffhausen den nächsten Schritt nach Belgien– ein riesiger Unterschied», erklärt er.

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Wenn Marc als Kind nach einem Spiel nach Hause gekommen ist und weniger als fünf Tore geschossen hat, war er zutiefst enttäuscht.
Vater Philipp über Marc Giger
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Giger ist ein geborener Stürmer. Vater Philipp erzählt: «Wenn Marc als Kind nach einem Spiel nach Hause gekommen ist und weniger als fünf Tore geschossen hat, war er zutiefst enttäuscht.» Der Grossvater des Stürmers ist der Gründer der Coiffeur-Kette Gidor. Vater Philipp führt zusammen mit seinem Bruder Louis das Familienunternehmen weiter. Seine Söhne haben aber vor allem Fussball im Kopf. Alexander Giger (18), der jüngere Bruder von Marc, spielt bei Linth 04. Wohin das noch führt?

Die Nati? Schon als Linth-Spieler spricht Giger davon

Sicher ist: Marc Giger will seinen steilen Aufstieg fortsetzen. «Mein Traum ist die WM 2026 mit der Nati!», sagt er. Ob das nicht doch ein zu grosser Sprung sei? «Das ist ganz klar für mich. Als ich 2022 bei Linth im Glarnerland spielte, war im Dezember die WM in Katar. Schon da sagte ich, dass ich an der nächsten dabei sein wolle.» Auch wenn er in der Europa League wohl noch nicht zum Zug kommt: Wer hätte damals gedacht, dass Giger nur gut zwei Jahre später ein K.o.-Spiel bei Ajax Amsterdam auf der Agenda haben würde?

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