Blick: Marcel Koller, Sie haben 1982 im Joggeli mit der Schweiz gegen den grossen Socrates gespielt. War er der Beste, gegen den Sie je gespielt haben?
Marcel Koller: Er war ein hervorragender Spieler, hatte eine gute Grösse, den Kopf immer oben. Er hatte einen siebten Sinn. Ob er der Beste war, weiss ich nicht. Ich habe auch gegen Maradona gespielt (lacht).
Mit Robert Lewandowski hätten Sie vor kurzem einen der besten Stürmer trainieren können. Warum haben Sie der polnischen Nati abgesagt?
Es ist alles zusammengekommen, wir haben in Laax ein Haus gebaut. Und ich hatte plötzlich Probleme mit dem Knie, konnte nicht mehr Velo fahren, verlor an Lebensqualität. Darum musste ich die OP machen. In diesem Zustand zuzusagen, wäre unseriös gewesen.
Auch mit Griechenland war schon alles klar. Hätten Sie die beiden Aufgaben gereizt?
Ich hätte beides gerne gemacht, Polen hat eine fantastische Mannschaft, das hätte mich sehr gereizt. Aber ich war mit Krücken unterwegs, die Gesundheit ist mir wichtiger. Jetzt bin ich fast wieder auf hundert.
Sie hatten in Ihrer Karriere sieben Operationen, fünf am selben Knie. Mit 19 die erste. Und doch sind Sie GC-Rekordspieler. Gab es nie Momente des Zweifels?
Wenn du mit 19 einen Sehnenabriss oberhalb der Kniescheibe hast, dann machst du dir Gedanken. Ich verdiente damals 300 Franken im Monat. Damals für mich ein grosser Betrag.
Wie viele Spiele hätten Sie gemacht, wenn Sie verletzungsfrei geblieben wären?
Schwierig. Insgesamt war ich fast vier Jahre verletzt. Der Schienbein- und Wadenbeinbruch mit 31 hat mich 18 Monate ausser Gefecht gesetzt.
Und trotzdem sind Sie zurückgekommen und haben noch fast fünf Jahre gespielt. Hatten Sie keinen Plan B?
Doch. Ich habe schon mit 25 angefangen mit dem Trainerdiplom. Dafür sind meine Ferien draufgegangen. Anfang 30 hatte ich das damals höchste Trainerdiplom in der Tasche.
Sie sind GC-Rekordspieler, haben nie bei einem anderen Klub gespielt, wurden als Trainer Meister. War eine Rückkehr nie Thema?
Wir haben miteinander gesprochen, GC hat angefragt, es war aber nichts Konkretes.
Hätte Sie der Posten als GC-Sportchef gereizt?
Ich bin grundsätzlich Trainer, weniger Sportchef. Bei Bochum war ich mal drei Monate Sportchef – und permanent am Telefon. Ich will mit den Spielern auf dem Platz arbeiten, da hast du mehr Einfluss.
Wie sehen Sie die Entwicklung des Vereins? Blutet Ihr Herz, weil GC in ausländischer Hand ist?
Natürlich. Ich habe die grossen 80er-Jahre erlebt, bin mit 12 zu GC. Und die Philosophie war, dass du jedes Spiel gewinnen musst. GC war «die» Adresse im Schweizer Fussball.
Ist etwas Ähnliches mit den ausländischen Investoren möglich?
Es ist sicher anders, wenn du von England in die Super League ausgeliehen wirst. Viele wissen nicht, was es heisst, bei GC zu spielen.
Es sind nun zwei Jahre vergangen, seit Sie den FCB verlassen haben. Sie meinten bei Ihrem Abschied: «Für das, was wir ertragen mussten, müssten wir einen Orden bekommen.» Was haben Sie damit gemeint?
Es war extrem schwierig, zu arbeiten. Es gab einfach zu viele Nebenfeuer, keine Linie, keine Ruhe. Gute Spieler mussten verkauft werden, weil das Budget runtergefahren wurde. Aber ich habe immer versucht, das Ganze auszublenden.
Wie sehen Sie die Entwicklung beim FCB?
Es gab viele Wechsel. Damals unter Burgener hiess es, auf eigene Junge zu setzen. Jetzt ist keiner mehr da. Es ist hektisch geblieben, Spieler kommen und gehen. Viele Junge. Auf Leihbasis. Das machts für den Trainer nicht einfacher. Es braucht Zeit für die Integration, nicht jeder kann gut damit umgehen.
Der FCZ hat mit Franco Foda Ihren Nachfolger bei der Ösi-Nati verpflichtet. Kennen Sie ihn persönlich?
Ja. Wir haben miteinander zu tun gehabt, als ich Nationaltrainer war und er Coach bei Sturm Graz.
Er wurde mit Graz Meister und schaffte mit Österreich die Achtelfinal-Quali und wurde trotzdem permanent kritisiert. Werden da Erinnerungen an Ihre Zeit wach?
Auch ich wurde am Anfang kritisiert. Weil ich kein Österreicher war. Aber das Rad hat sich dann gedreht, wir haben uns zum ersten Mal für die Euro qualifiziert.
Marcel Koller wurde am 11. November 1960 in Zürich geboren. Der Vater war Gärtner, die Mutter Schneiderin. «Sie kürzte dem halben Quartier Hosen für fünf Franken», erinnert sich Koller. «Ich sagte immer, sie solle mehr nehmen, weil sie Tag und Nacht schuftete – aber sie wollte keinen verärgern.»
Mit dem Fussball begann er als Kind beim FC Schwamendingen, bevor er mit 12 zu GC ging. Dort wurde der Mittelfeldspieler zur Klub-Legende, machte für den Rekordmeister 434 Spiele. Dazu kamen 55 Nati-Einsätze.
Seine Trainerlaufbahn startete er mit 37 beim FC Wil, führte danach St. Gallen 2000 zum ersten Meistertitel nach 96 Jahren. Weitere Stationen waren GC, Köln und Bochum, ehe er österreichischer Nationaltrainer wurde und die EM-Quali für 2016 schaffte. 2018 übernahm er den FC Basel, holte einen Cupsieg. Koller ist 2-facher Vater, 4-facher Opa und verheiratet mit Gisela.
Marcel Koller wurde am 11. November 1960 in Zürich geboren. Der Vater war Gärtner, die Mutter Schneiderin. «Sie kürzte dem halben Quartier Hosen für fünf Franken», erinnert sich Koller. «Ich sagte immer, sie solle mehr nehmen, weil sie Tag und Nacht schuftete – aber sie wollte keinen verärgern.»
Mit dem Fussball begann er als Kind beim FC Schwamendingen, bevor er mit 12 zu GC ging. Dort wurde der Mittelfeldspieler zur Klub-Legende, machte für den Rekordmeister 434 Spiele. Dazu kamen 55 Nati-Einsätze.
Seine Trainerlaufbahn startete er mit 37 beim FC Wil, führte danach St. Gallen 2000 zum ersten Meistertitel nach 96 Jahren. Weitere Stationen waren GC, Köln und Bochum, ehe er österreichischer Nationaltrainer wurde und die EM-Quali für 2016 schaffte. 2018 übernahm er den FC Basel, holte einen Cupsieg. Koller ist 2-facher Vater, 4-facher Opa und verheiratet mit Gisela.
Wie wurden Sie zum Wunderwuzzi?
Ich wusste, dass wir die Mentalität verändern müssen. Aus der österreichischen Gemütlichkeit ausbrechen.
Könnten Sie sich vorstellen, als Trainer in die Super League zurückzukehren?
Ausschliessen will ich nichts. Aber das hängt von Gesprächen mit den Verantwortlichen ab. Ob Nationalmannschaft oder Klub, spielt keine Rolle. Ich will einfach mit Spielern arbeiten. Auf dem Platz.
Könnten Sie sich vorstellen, eine Frauen-Mannschaft zu trainieren?
Das glaube ich eher weniger. Ganz früher habe ich zwei-, dreimal Frauen trainiert, aber ich bin im Männerfussball gross geworden.
Verfolgen Sie die EM?
Nicht voll intensiv, aber die eine oder andere Zusammenfassung, das eine oder andere Spiel habe ich gesehen.
Wie beurteilen Sie die Entwicklung des Schweizer Frauenfussballs?
Wenn zwei Top-Mannschaften gegeneinander spielen, ist das auf ganz hohem Level. Das finde ich gut. Aber man kann es nicht mit Männerfussball vergleichen, soll man auch nicht.
Hat Ihre Tochter Vanessa auch gekickt?
Sie hat auch gespielt, bekam dann aber Probleme mit der Kniescheibe.
Und Ihre Enkelin Delia?
Sie hat angefangen, aber vor kurzem wieder aufgehört (lacht).