Julian Nagelsmann (36) hat als Trainer eine steile Karriere hingelegt. 2016 in der 1. Bundesliga bei Hoffenheim angefangen, landete er innert gut sieben Jahren via Leipzig und Bayern München auf dem Posten des deutschen Nationaltrainers. Angst vor dem immer grösser werdenden Druck hatte er nie. «Ich habe mal mein Burn-out-Risiko testen lassen. Es liegt bei null Prozent», sagt er in einem Interview mit dem «Spiegel». Trotzdem achtet er darauf, abschalten zu können, denn «ich liebe Fussball, aber das Leben ist nicht nur Fussball».
Im Fussball-Business ist er gelandet, weil er nicht auf seinen Vater hörte. Der hätte lieber ein abgeschlossenes Wirtschafts- statt Sportstudium gesehen. «Dahinter steckte eine väterliche Sorge, denn man kann als Diplomtrainer auch, wenn es ganz schlecht läuft, auf Minijob-Basis in einem Fitnessstudio landen», erklärt Nagelsmann.
Schicksalsschlag mit 20
Sein Vater hatte einen ganz anderen Beruf. Er war beim Geheimdienst. Er wisse aber nicht, was er genau gemacht hat, und dürfe auch nicht mehr sagen, meint Nagelsmann. Davon erfahren hat er mit 15 oder 16 Jahren. Wurde er nach seines Vaters Job gefragt, antwortete er stets das, was er selber lange dachte: «Berufssoldat. Selbst mein Opa glaubte, sein Sohn sei Soldat.»
Das Verhältnis zu seinem Vater bezeichnet er gegenüber dem «Spiegel» als ausgezeichnet. Auch wenn es ein abruptes Ende fand. Als Nagelsmann 20 Jahre alt war, nahm sich sein Vater das Leben. An den Tag, an dem es passierte, denkt er oft zurück. Er sei gerade auf einem Trainerlehrgang gewesen, als es hiess, er solle mal hinausgehen. Wie er manchmal sei, habe er noch ein paar dumme Sprüche gerissen. «Im nächsten Moment stand ich vor meinem damaligen Schwiegervater, der mir eröffnete, dass sich mein Papa umgebracht hat.»
Entscheidung akzeptieren
Das zu verstehen, fiel ihm schwer. «Mein Papa hat keinen Abschiedsbrief hinterlassen, es gab keine Erklärung.» Allerdings habe die Art und Weise keinen Zweifel gelassen, dass diese Entscheidung für ihn feststand. Auch wenn es für die Familie «richtig scheisse» war, habe ihm geholfen, «dass er unbedingt sterben wollte». Deshalb findet Nagelsmann: «Ich muss eine solche Entscheidung dann respektieren.»
Rückblickend sagt Nagelsmann, er habe vieles von ihm übernommen. «Den Mut für Entscheidungen, den habe ich definitiv von meinem Papa.» Wohl auch, weil er schon sehr früh dessen Verlust verarbeiten und sich um seine Familie kümmern musste. (bir)