Unions Fischer ist auch ein Bestseller
«Meine Freunde habe ich zu lange nicht mehr gesehen»

Urs Fischer ist mit Union Berlin in Deutschland gerade ziemlich hip: Auf dem Platz und in Buchläden. Der Zürcher über ein ungewöhnlich intimes Buch, den Spitzenplatz und über seine Freunde in der Schweiz.
Publiziert: 22.11.2020 um 12:00 Uhr
|
Aktualisiert: 24.11.2020 um 16:55 Uhr
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Urs Fischer startet mit Union Berlin erfolgreich in die neue Saison.
Foto: City-Press via Getty Images
Michael Wegmann

BLICK : Urs Fischer, haben Sie sich in der Länderspiel-Pause eigentlich täglich die Tabelle angeschaut?
Urs Fischer: Nein, nicht ein einziges Mal.

Im Ernst?
Ja klar. Die Tabelle interessiert mich jetzt wirklich nicht.

Dennoch: Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie sehen, dass Union auf Platz 5, vor Klubs wie Gladbach und Wolfsburg, klassiert ist? Ende Saison würde dieser Platz Europa League bedeuten.
Sie sagen es ja: Ende Saison. Aber es sind gerade mal sieben Partien gespielt. Was fragen Sie mich, wenn es am 13. Spieltag ganz anders aussehen würde? Mir geht durch den Kopf, dass es nur eine Momentaufnahme ist, welche nichts mehr aussagt, als dass wir einen guten Start mit zwölf Punkten hingelegt haben.

Union hat nach Bayern am zweitmeisten Tore erzielt und am viertwenigsten kassiert. Wäre von der Punkte-Ausbeute her sogar noch mehr möglich gewesen?
Dieses Gefühl, dass mehr drin gelegen wäre, kennt wohl jeder Trainer nach den Spielanalysen. Tatsache ist, dass wir es bisher gut gemacht haben und dass uns keiner diese Punkte im Kampf um den Klassenerhalt mehr wegnehmen kann.

Sie stehen auf Platz 5 und reden vom Klassenerhalt?
Ja. Das ist unser Saisonziel – und davon rücken wir jetzt sicher nicht ab.

Nati-Termine sind für Sie als Union-Trainer im Gegensatz zu Ihren Trainerkollegen bei Bayern, Dortmund oder Gladbach ein Segen. Während bei den Konkurrenten fast das komplette Kader fehlt, muss Union nur drei Nationalspieler abstellen.
Im Normalfall hätten Sie recht mit dieser Aussage. Doch für diese Nationalmannschaftspause trifft es nicht zu. Wir haben derart viele angeschlagene Spieler, dass wir gar das Testspiel absagen mussten und teilweise nur mit 13 Kaderspielern trainieren konnten.

Wie viel Anteil am Superstart von Union hat eigentlich Neuzugang Max Kruse?
Wenn Sie sehen, dass Max zuletzt fast bei jedem Tor beteiligt war, heisst das schon was. Wir profitieren sicher von seiner Klasse. Aber er profitiert genau so auch von den anderen Jungs. Ohne seine Mitspieler könnte er nicht derjenige Spieler sein, der in einem Spiel den Unterschied ausmachen kann.

Hatten Sie keine Bedenken, dass Kruse nicht zum Malocher-Image von Union Berlin passen könnte?
Nein. Warum auch?

Weil Kruse ein extravaganter Spieler ist, der regelmässig für Schlagzeilen sorgt. Auch im Netz ist er sehr aktiv.
Was soll daran schlecht sein? Max ist ein toller Fussballer, der sich hier toll integriert hat.

Ist er der talentierteste Fussballer, den Sie bisher trainiert haben?
Tut mir leid, aber ich will keine Spieler vergleichen.

Union ist in Deutschland nicht nur wegen Kruse und dem super Start in aller Munde. Im Oktober ist das Buch «Wir werden ewig leben» von Christoph Biermann, der Union ein Jahr lang begleiten durfte, erschienen. Durften Sie es vor der Veröffentlichung noch lesen?
Nein. Ein Buch, welches über das Innenleben einer Mannschaft berichtet, würde wenig Sinn machen, wenn der Trainer Korrekturen anbringen könnte.

Mittlerweile haben Sie es aber gelesen?
Ich bin dran und fast durch. Ich finde, es ist toll geworden. Erfrischend, belebend. Und natürlich ist diese Nähe auch einzigartig,

Brauchte es grosse Überredungskünste, um Sie von diesem Projekt zu überzeugen? Immerhin mussten Sie ja bereit sein, eine ungewohnte Nähe zulassen.
Klar machte ich mir im Vorfeld Gedanken. Ich wusste ja nicht, ob sich die Spieler, der Staff und ich anders verhalten würden, wenn immer jemand da ist, der alles genau beobachtet und dann veröffentlicht. Das war meine grösste Sorge.

Und? Haben Sie sich anders verhalten?
Nein, wir alle waren sehr authentisch. Christoph wurde sehr schnell zu einem Teil des Teams, wir haben seine Präsenz oft gar nicht mehr wahrgenommen.

Ist das Buch für Sie persönlich eigentlich auch interessant?
Sehr sogar. Ich lese über Situationen, die ich selbst erlebt habe. Aus einer anderen Perspektive und mit anderen Eindrücken und Interpretationen, das ist sehr spannend.

Gab es auch Momente, in welchen Sie ihn gebeten haben, vor der Tür zu bleiben?
Klar, die gab es auch.

Ihre Freunde wissen nun leider schon, was sie von Ihnen zu Weihnachten bekommen.
(Lacht). Einigen habe ich es bereits geschenkt und andere haben es schon bestellt.

Wann haben Sie Ihre Schweizer Freunde zuletzt gesehen?
Das ist nun schon lange her. Zu lange, wenn Sie mich fragen.

Sie leben in Berlin, Ihre Familie in Zürich. Haben Sie Angst, dass sie wegen Corona nicht mit Ihrer Familie Weihnachten feiern können?
Ich hoffe natürlich, dass eine Weihnachtsfeier im engen Familienkreis möglich sein wird. Dass nun die Zahlen sinken und dass sich die Auflagen bald auch wieder entschärfen. Wir müssen uns an die Vorgaben halten und keine Energie damit verpuffen, Dinge versuchen zu beeinflussen, die man nicht selbst beeinflussen kann.

Apropos Zürich. Haben Sie Ihrem ehemaligen Assistenztrainer Massimo Rizzo eigentlich zum Traumeinstand als FCZ-Trainer gratuliert?
Sicher. Ich habe Massimo nach dem 4:1 in Vaduz und auch zuletzt wieder nach dem 2:0 gegen Luzern geschrieben. Ich freue mich sehr für ihn, dass er so erfolgreich starten konnte. Aber wir haben uns auch schon davor immer mal wieder ausgetauscht. Der Kontakt zu Massimo ist nie abgerissen.

Des einen Freud, des andern Leid. Ihr ehemaliger Spieler Ludovic Magnin musste dafür seinen Stuhl räumen.
Ja. So läuft es im Fussballgeschäft. Das tönt jetzt zwar ein bisschen hart, aber diese Erfahrung muss jeder Trainer einmal machen. Im Moment ist sie zwar schwer zu verstehen, aber sie bringt dich weiter.

Marc Schneider, Ihr ehemaliger Assistenztrainer zu Thun-Zeiten, hat im Berner Oberland den Bettel freiwillig hingeworfen. Können Sie nachvollziehen, dass er als Thun-Trainer zurückgetreten ist?
Am Ende wird er seine Gründe dafür gehabt haben. Das muss man akzeptieren. Ganz sicher ist es ein mutiger, aufrichtiger und fairer Entscheid von Marc.

Bundesliga
Mannschaft
SP
TD
PT
1
Bayern München
Bayern München
10
26
26
2
RB Leipzig
RB Leipzig
10
10
21
3
Eintracht Frankfurt
Eintracht Frankfurt
10
10
20
4
Bayer Leverkusen
Bayer Leverkusen
10
5
17
5
SC Freiburg
SC Freiburg
10
2
17
6
Union Berlin
Union Berlin
10
1
16
7
Borussia Dortmund
Borussia Dortmund
10
0
16
8
Werder Bremen
Werder Bremen
10
-4
15
9
Borussia Mönchengladbach
Borussia Mönchengladbach
10
1
14
10
FSV Mainz
FSV Mainz
10
1
13
11
VfB Stuttgart
VfB Stuttgart
10
0
13
12
VfL Wolfsburg
VfL Wolfsburg
10
1
12
13
FC Augsburg
FC Augsburg
10
-7
12
14
1. FC Heidenheim 1846
1. FC Heidenheim 1846
10
-2
10
15
TSG Hoffenheim
TSG Hoffenheim
10
-6
9
16
FC St. Pauli
FC St. Pauli
10
-5
8
17
Holstein Kiel
Holstein Kiel
10
-13
5
18
VfL Bochum
VfL Bochum
10
-20
2
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