Er starb viel zu jung
Bernsteins (†43) Vermächtnis ist Herthas Zukunft

Mit 43 Jahren wurde Hertha-Präsident Kay Bernstein viel zu früh aus dem Leben gerissen. Mit seiner Vergangenheit als Ultra war er ein einzigartiger Fussballfunktionär und ein Farbfleck, der dem kommerzialisierten Fussball guttat.
Publiziert: 18.01.2024 um 13:19 Uhr
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Aktualisiert: 18.01.2024 um 15:42 Uhr
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Hertha-Präsident Kay Bernstein verstarb vergangenen Dienstag im Alter von 43 Jahren.
Foto: imago/Metodi Popow
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Lino DieterleRedaktor Online Sport

Es sind bewegende Szenen, die sich am Dienstagabend vor dem Berliner Olympiastadion abspielen. Dutzende Fans versammeln sich, um Kay Bernstein (†43) zu gedenken. Ein paar Stunden zuvor hatte Hertha Berlin die Öffentlichkeit über das unerwartete Ableben ihres Präsidenten informiert.

Die furchtbare Nachricht schockiert die Fussballwelt, die Anteilnahme ist riesig. In Berlin leuchtet das Stadion während mehrerer Stunden blau-weiss. Es entsteht so etwas wie eine spontane Trauerfeier, wo Fans und Angehörige zusammentreffen, Kerzen anzünden, Blumen niederlegen oder sich mit Botschaften von Bernstein verabschieden. Die Fahnen des Klubs wehen nur auf halbmast.

Er wollte Hertha einen Teil der «Seele zurückgeben»

Als Bernstein im Juni 2022 zum neuen Präsidenten der Hertha gewählt wurde, kam dies für viele überraschend. Bernstein war gelernter Industriemechaniker, war Mitbegründer einer Ultra-Gruppierung und passte gar nicht in das Bild des schmierigen Funktionärs, das Infantino, Rubiales und Konsorten zeichnen. Entsprechend erschrocken waren etablierte Kräfte im Klub, als sich der Mann aus der Kurve überraschend in der Präsidentschaftswahl durchsetzte. Von seinem Konkurrenten wurde Bernstein gar eine bezahlte Führungsrolle angeboten, doch er lehnte für den ehrenamtlichen Posten des Präsidenten ab.

Bernstein stiess in einer komplizierten Phase zur Hertha. Der gescheiterte Versuch, mit Investoren-Millionen zum «Big-City-Club» zu werden, hinterliess einen Scherben- und Schuldenhaufen. Sowohl sportlich als auch betriebswirtschaftlich standen der Hertha schwere Zeiten bevor. «Ich kann dem Verein ein bisschen Seele zurückgeben», sagte Bernstein damals.

Er sehe sich nicht mehr als Ultra, erklärte Bernstein nach seiner Wahl immer wieder. Mit seiner Vergangenheit in der Kurve schreckte er aber nicht vor klaren Meinungen zurück, beispielsweise zum Thema Pyros. Er sei weder pro noch kontra Pyros, befand aber, dass «die Debatte nach 25 Jahren überholt» sei und man «über einen verantwortungsvollen Umgang sprechen sollte, der niemanden gefährdet». Extrem mutige Aussagen für einen derart exponierten Vereinspräsidenten.

Einst Stadionverbot, dann mit Trainingsjacke in der Loge

Widerstände sind da nur logisch. Hochrangige Mitarbeiter waren von seiner Wahl schockiert und liessen es ihn auch spüren. Die «Bild» nannte ihn regelmässig den «Ultra-Präsidenten», Bernstein kassierte in jüngeren Jahren dreimal ein Stadionverbot. Irgendwie verständlich, musste er sich den Respekt als Führungsperson eines der grössten Vereine Deutschlands erst verdienen. Mit seiner klaren Haltung und neuer Transparenz erreichte er einen Schulterschluss zwischen Klubs und Fans.

Dass es als Präsident nicht nur mit Fussballromantik geht, musste er nach dem Abstieg lernen. Obwohl er angekündigt hatte, auf «schmutzige Sportwetten-Kohle» zu verzichten, hat die Hertha seit letztem Sommer ein B der Wettfirma «Crazybuzzer» auf der Brust. Von den Fans, zu denen er sich einst zählte, gabs gnadenlos Kritik. Dabei war es ein Zugeständnis, das Bernstein machen musste: Die rund zwei Millionen Euro pro Jahr sicherten dem Klub die Lizenz für die laufende Saison.

Der Widerspruch zu seiner Ultrazeit war Bernstein bewusst. Präsident seines Herzensvereins zu sein, machte ihm aber auch sichtlich Spass. Ein Überbleibsel seiner Kurvenzeit schaffte es jeweils auch in die Loge: Statt im Anzug und edlem Schal verfolgte Bernstein die Spiele meist in einer blau-weissen Hertha-Jacke.

Obduktionsbericht von Hertha BSC Präsident Kay Bernstein

Nach dem unerwarteten Tod von Hertha-Präsident Kay Bernstein stand am Donnerstag die Obduktion seines Leichnams an. Jetzt liegt das Ergebnis vor. Laut der Staatsanwaltschaft Frankfurt ist Bernstein an einem natürlichen Tod verstorben. Es gebe keine Hinweise für ein Fremdverschulden. Nun stehen noch histologische und feingewebliche Untersuchungen an, deren Ergebnisse aber noch nicht vorliegen. (men)

Nach dem unerwarteten Tod von Hertha-Präsident Kay Bernstein stand am Donnerstag die Obduktion seines Leichnams an. Jetzt liegt das Ergebnis vor. Laut der Staatsanwaltschaft Frankfurt ist Bernstein an einem natürlichen Tod verstorben. Es gebe keine Hinweise für ein Fremdverschulden. Nun stehen noch histologische und feingewebliche Untersuchungen an, deren Ergebnisse aber noch nicht vorliegen. (men)

Todesursache noch unklar

Im vergangenen Wintertrainingslager der Hertha besuchte Bernstein ein Testspiel und verfolgte eine Halbzeit davon im Fanblock, die andere auf der Tribüne. Er fühle sich in beiden Bereichen wohl. «Die Kontakte zu den Fans bestehen länger», sagte er der «Bild» dazu. Geführt wurde dieses Gespräch letzte Woche, veröffentlicht erst diesen Mittwoch, einen Tag nach seinem Tod. Es führt vor Augen, wie unvermittelt der beliebte Hertha-Präsident aus dem Leben gerissen wurde.

Bernsteins Frau fand ihn am Dienstagmorgen regungslos im Bett. Sie rief den Rettungsdienst und informierte die Hertha-Geschäftsstelle. Doch für Bernstein kam jegliche Hilfe zu spät. Mittlerweile hat die Polizei eine Untersuchung eingeleitet, weil «keine natürliche Todessache» festgestellt werden konnte. Das bietet zwar Raum für Spekulationen – aktuell deutet aber nichts auf ein Tötungsdelikt oder einen Suizid hin.

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