Blick: Gerry Seoane, wie gehts?
Gerry Seoane: Danke, gut. Die Nati-Pause hat gutgetan. Wir konnten in aller Ruhe trainieren und auch mal das Wochenende ohne eigenes Spiel geniessen.
Wie nützen Sie diese Zeit?
Weil die Trainingsgruppe dann kleiner ist, kann man besser auf individuelle Bedürfnisse der Spieler eingehen. Und so eine Phase hat den Vorteil, junge Talente in die Trainingseinheiten zu integrieren.
Von wie vielen Kaderspielern sprechen wir dann?
Trainiert haben wir mit bis zu elf Profis. 15 waren mit Nationalmannschaften unterwegs. Das zeugt von der hohen Qualität unseres Kaders.
Der FC Bayern wird wahrscheinlich noch drei Spieler gehabt haben.
Es sollten ungefähr gleich viele gewesen sein wie bei uns.
Zehn Spiele, acht Siege. Die einzige Niederlage war das 3:4-Spektakel gegen den BVB. Wenn Sie sich einen Start hätten erträumen können, wäre so etwas herausgekommen?
Wir sind sowohl mit den Resultaten wie auch mit der Entwicklung der Mannschaft sehr zufrieden. Alles in dem Wissen, dass die Spielverläufe uns bisher meist entgegengekommen sind und wir auch ein Quäntchen Match-Glück auf unserer Seite hatten.
Sie hatten bei YB einen Punkteschnitt von 2,15. In Luzern einen von zwei. Und nun sind es bei Bayer gar 2,5. Das ist ein horrend hoher Schnitt!
Diese Zahlen kannte ich bislang nicht. Aber man darf nicht vergessen: Es sind erst sieben Meisterschaftsspiele gespielt, ein knappes Fünftel der Meisterschaft. Das ist noch nicht sehr aussagekräftig, zeugt aber von unserem starken Start. Und was mir sonst noch dazu einfällt: Dass ich immer sehr gute Spieler und Mannschaften trainieren durfte, die tendenziell mehr Spiele gewinnen als verlieren.
Da stellen Sie Ihr Licht aber ein bisschen gar stark unter den Scheffel. Der Trainer hat da einen grossen Anteil.
Der Trainer steht in der Verantwortung, klar. Aber letztlich schiesst er keine Tore und wehrt auch keinen Ball ab. Nicht zu vergessen: Hinter dem Trainer steht immer ein grosser Staff sowie die sportliche Führung, die alle auch einen grossen Einfluss haben. Die Führung in erster Linie durch die Rekrutierung. Der Staff durch die tägliche Arbeit. Es gehört zu meinem Selbstverständnis als Trainer, dass ich vieles mit meinem Staff bespreche. Auch beim Thema Aufstellung. Solche Zahlen spiegeln immer eine Teamleistung wider.
Das ehrt Sie. Aber wenn es in die andere Richtung geht, ist der Trainer sehr einsam, wenn er die Rechnung zu bezahlen hat. Aber dieses Feeling kennen Sie (noch) nicht.
Der Trainer steht in der Hauptverantwortung. Das ist mir bewusst. Deshalb habe ich immer versucht, eine Auslegeordnung zu machen. In welcher Situation ist mein neuer Klub? Wie ist die Mannschaft zusammengestellt? Welche Ziele verfolgt die Klubführung? Wie ist der Draht zu den Verantwortlichen? Die Infrastruktur, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die Strahlkraft des Klubs etc.
In Deutschland schreiben alle Medien «Gerardo». Wo ist der Gerry hingekommen?
In der Schweiz kannten mich alle – schon zu meiner aktiven Zeit – als Gerry. In Deutschland sagen fast alle Gerardo, das ist auch okay so. Nicht zuletzt, weil man in Deutschland «Gerry» meist das «Gary» ausspricht … Und nicht Jerry …
Ausser Sportdirektor Simon Rolfes, da habe ich mal ein Gerry gehört …
(Lacht.) Das ist ihm wahrscheinlich rausgerutscht …
Rolfes, gutes Stichwort. Ihr Chef hat gesagt, Sie hätten eine neue Leistungskultur geschaffen. Sie sollen fordern und fördern.
Die Etablierung einer Leistungskultur war ein Ziel, auf das wir gemeinsam hingearbeitet haben. Welche Werte wollen wir vertreten? Wie soll die Mannschaft funktionieren? Welche Kultur wollen wir pflegen? Dabei ist mir wichtig, selbstkritisch und ambitioniert zu sein. Und sich immer verbessern zu wollen.
Auch Lothar Matthäus hat Sie mit Lob überschüttet, als er sagte, er sei von Ihnen «ziemlich überrascht, weil Sie die Liga im Eilverfahren verstanden hätten». Und Matthäus’ Wort ist so ziemlich das Wichtigste in Deutschland.
Lob freut einen immer, selbstverständlich. Ich lese die Dinge ja auch. Aber noch mal: Diese Wertschätzung gilt nicht mir allein. Sie bedeutet vielmehr, dass der ganz Staff einen guten Job macht. Es ist eine schöne Momentaufnahme. Und sie motiviert mich, mich als Trainer weiterzuentwickeln.
Und das letzte Zitat: Das Fachmagazin «Kicker» schrieb, die Kabine sei ein Faustpfand des neuen Trainers geworden … Was sagt Ihnen das?
Ich verstehe den Fussball als Teamsport. Und wenn man als Team auf dem Platz funktionieren will, muss die Kabine funktionieren. Da haben wir viel Energie hineingesteckt, um einen guten Teamspirit zu etablieren. Dabei helfen mir auch meine Fremdsprachkenntnisse. Um die Spieler in ihrer Muttersprache abzuholen, damit sie verstehen, warum wir etwas machen und was wir wollen.
Goalie Lukas Hradecky hat das mit der Kabine auch festgestellt.
Wir haben eine alles andere als einfache Vorbereitung gehabt. Auch wegen des Hochwassers in Nordrhein-Westfalen und im Trainingslager in Österreich. Eine Naturkatastrophe, die im Westen Deutschlands grossen Schaden angerichtet und Todesopfer gefordert hat. Dann die Explosion in einer nahegelegenen Müllverbrennungsanlage. Das waren grosse Herausforderungen. Auch Corona ist immer noch ein Thema. Damit der Spielbetrieb aufrechterhalten werden konnte, waren Spieler oft isoliert und auch viel allein zu Hause, ohne direkte soziale Kontakte. Gerade die ausländischen Spieler waren monatelang nicht in der Heimat, konnten keinen Besuch von Familie und Freunden empfangen. Da haben wir schon gespürt, dass ein gewisser Nachholbedarf da ist.
Wie wichtig ist es Ihnen, ein Klima des Wohlfühlens zu schaffen als Basis für einen guten Job? Glückliche Menschen arbeiten besser. Teilen Sie dieses Credo?
Wir versuchen, zu gewährleisten, dass die Spieler gerne zum Training kommen. Was nicht heisst, dass jeder machen kann, was er will. Wir wollen dennoch fordernd sein. Aber wir streben nach einem guten Arbeitsklima, das auf Vertrauen und einer gewissen Nähe basiert.
Reden wir über Ihre Spieler. Man war allgemein erstaunt, dass Bayer Patrik Schick nach dieser EM, die er gespielt hat, halten konnte.
Er hat in der vergangenen Saison noch nicht derart top performt, wie man das angesichts seiner Qualität erwarten darf. Bei der Kaderplanung war es nie ein Thema, dass er uns verlassen würde.
Und er macht nahtlos weiter nach der EM.
Patrik hat nicht nur eine Wahnsinnsqualität vor dem Tor. Er bringt viel mehr mit, denn er arbeitet für die Mannschaft, reibt sich vorne auf, beschäftigt die Innenverteidiger und hat auch ein Auge für seine Mitspieler.
Wird Florian Wirtz besser als Kai Havertz?
Das kann ich nicht beurteilen, weil ich mit Kai Havertz nicht zusammengearbeitet habe. Was ich sagen kann: Florian ist in seinen jungen Jahren sehr effektiv. Er erzielt Tore, steuert Assists bei. Er ist in blendender Form und hat eine gute Mentalität. Er spielt kein bisschen für sich.
Sie haben über ihn gesagt: «eigentlich unfassbar» …
Damit wollte ich sagen, dass es «eigentlich unfassbar» ist, dass er die Leistungen, die er im Nachwuchs gebracht hat, in der ersten Mannschaft eins zu eins weitergeführt hat. Das gibt es höchst selten. Normalerweise braucht ein junger Spieler zwei, drei Jahre dafür. Der Schritt ist nämlich riesig.
Und Sie haben Bayers Rekordtransfer Kerem Demirbay zum Aufblühen gebracht, was Ihren Vorgängern nicht gelungen ist.
Jeder Spieler hat eine andere Vergangenheit und einen eigenen Charakter. Wir versuchen zu gewährleisten, dass sich ein Spieler wohlfühlt, wie Sie es angesprochen haben. Das ist uns in seinem Fall sicher gut gelungen. Er hat seine Rolle angenommen und zahlt es nun mit Leistung zurück.
Kennen Sie die Meistertitel von Bayer Leverkusen?
Nein, da müssen Sie mir helfen.
Meister der zweiten Division West Gruppe zwei. Meister der zweiten Division West. Meister der Regionalliga West. Meister der Verbandsliga Mittelrhein. Und Meister der zweiten Bundesliga. Da fehlt doch noch ein Titel …
Ein Pokalsieg ist für Sie kein Titel?
Nein, das ist kein Meistertitel.
Natürlich kenne ich die Geschichte von Bayer 04. Es gibt diese Saison, in der Bayer in allen Wettbewerben Zweiter geworden ist. Inklusive der Champions League. Man darf nie vergessen, dass wir in einer Liga mit Bayern München und Borussia Dortmund spielen. Vor denen in der Abschlusstabelle zu stehen, ist nicht einfach. Das ist auch nicht das primäre Ziel, das wir uns gesteckt haben.
Sondern?
Alles zu unternehmen, um eines Tages die Chance zu haben, um den Titel mitzuspielen. Selbstverständlich wollen wir Titel holen, verstehen Sie mich nicht falsch. Aber das erreicht man nicht durch vollmundige Ankündigungen. Dafür ist ganz viel harte Arbeit, gute Entscheidungen und Konstanz notwendig.
Was ist eigentlich Ihr Bild des FC Bayern? Da hat doch jeder eines im Kopf.
Ich denke zuerst an Ottmar Hitzfeld.
Weil er Wahl-Innerschweizer und ein Freund ist?
Nein, weil er den Klub – wie auch Jupp Heynckes – durch die grossen Titel geprägt hat.
Und losgelöst von Namen?
Bayern München gehört zu den Top drei in Europa.
Leiden Sie eigentlich mit dem FC Luzern mit?
Ich verfolge es, klar.
Und YB, der Sieg gegen Manchester United?
Ich war schon in den Quali-Spielen mega beeindruckt, wie sie Ferencvaros Budapest ausgeschaltet haben. Das Manchester-Spiel wies dann eine unglaubliche Dramaturgie auf. Die Leistung von YB war spektakulär.
Sie haben beim 2:1 sicher auch mitgejubelt?
Klar. Als Jordy Siebatcheu dieses Tor machte, schien es, als bliebe die Zeit für einen Moment lang stehen. Dieser Rückpass – und dann das Tor!
Und es ist immer noch Ihre Mannschaft.
Klar freue ich mich extrem, dass die Geschichte in Bern erfolgreich weitergeht und dass der neue Coach derart mit der Mannschaft harmoniert. Und ich freue mich auch für die vielen YB-Spieler, die Einladungen für ihre Nationalmannschaften erhalten haben.
Urs Fischer, Union Berlin
2019 hat er nach seinem ersten Jahr als Union-Trainer gleich den Aufstieg in die Bundesliga geschafft. Seither legt der 55-jährige Zürcher mit dem Köpenicker Klub eine verblüffende Konstanz in der deutschen Spitzenklasse an den Tag. Nach Fischer wurde zuletzt gar ein Roter Panda in einem Berliner Tierpark benannt.
Vladimir Petkovic, Bordeaux
Im Juni erreichte er mit der Nati an der Europameisterschaft sensationell den Viertelfinal. Danach verabschiedete sich der 58-Jährige in Richtung Ligue 1 – zu Girondins Bordeaux. Von der grossen EM-Bühne in den französischen Tabellenkeller. Am Sonntag braucht er gegen Nantes unbedingt einen Sieg.
Marc Schneider, Waasland-Beveren
Der frühere Thun-Coach hat mit dem belgischen Zweitligisten Waasland-Beveren die Mission Wiederaufstieg in Angriff genommen. Nach einem vielversprechenden Start darf sich die Truppe des 41-jährigen Berner Oberländers durchaus Hoffnungen auf baldige Erstliga-Luft machen.
Maurizio Jacobacci, Grenoble
Im Sommer war trotz einer starken Saison mit Lugano Schluss für ihn im Cornaredo. Wenige Tage später unterschrieb der 58-Jährige in der Ligue 2 bei Grenoble. Dort hat sich sein Team im Mittelfeld festgesetzt.
Thomas Häberli, Estland
Sein Nationaltrainer-Debüt im März war eines zum Vergessen: Weil das Team wegen eines Corona-Falls in Quarantäne gesteckt wurde, musste der 47-Jährige eine Ersatz-Equipe vom Hotelzimmer aus coachen. Die Partie ging mit 2:6 verloren. Der WM-Quali-Zug ist aber nicht allein deshalb längst abgefahren. Die Gruppe ist mit Belgien und Tschechien klar zu stark.
Urs Fischer, Union Berlin
2019 hat er nach seinem ersten Jahr als Union-Trainer gleich den Aufstieg in die Bundesliga geschafft. Seither legt der 55-jährige Zürcher mit dem Köpenicker Klub eine verblüffende Konstanz in der deutschen Spitzenklasse an den Tag. Nach Fischer wurde zuletzt gar ein Roter Panda in einem Berliner Tierpark benannt.
Vladimir Petkovic, Bordeaux
Im Juni erreichte er mit der Nati an der Europameisterschaft sensationell den Viertelfinal. Danach verabschiedete sich der 58-Jährige in Richtung Ligue 1 – zu Girondins Bordeaux. Von der grossen EM-Bühne in den französischen Tabellenkeller. Am Sonntag braucht er gegen Nantes unbedingt einen Sieg.
Marc Schneider, Waasland-Beveren
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Maurizio Jacobacci, Grenoble
Im Sommer war trotz einer starken Saison mit Lugano Schluss für ihn im Cornaredo. Wenige Tage später unterschrieb der 58-Jährige in der Ligue 2 bei Grenoble. Dort hat sich sein Team im Mittelfeld festgesetzt.
Thomas Häberli, Estland
Sein Nationaltrainer-Debüt im März war eines zum Vergessen: Weil das Team wegen eines Corona-Falls in Quarantäne gesteckt wurde, musste der 47-Jährige eine Ersatz-Equipe vom Hotelzimmer aus coachen. Die Partie ging mit 2:6 verloren. Der WM-Quali-Zug ist aber nicht allein deshalb längst abgefahren. Die Gruppe ist mit Belgien und Tschechien klar zu stark.
Mannschaft | SP | TD | PT | ||
---|---|---|---|---|---|
1 | Bayern München | 15 | 34 | 36 | |
2 | Bayer Leverkusen | 15 | 16 | 32 | |
3 | Eintracht Frankfurt | 15 | 12 | 27 | |
4 | RB Leipzig | 15 | 4 | 27 | |
5 | FSV Mainz | 15 | 8 | 25 | |
6 | Borussia Dortmund | 15 | 6 | 25 | |
7 | Werder Bremen | 15 | 1 | 25 | |
8 | Borussia Mönchengladbach | 15 | 5 | 24 | |
9 | SC Freiburg | 15 | -3 | 24 | |
10 | VfB Stuttgart | 15 | 4 | 23 | |
11 | VfL Wolfsburg | 15 | 4 | 21 | |
12 | Union Berlin | 15 | -5 | 17 | |
13 | FC Augsburg | 15 | -15 | 16 | |
14 | FC St. Pauli | 15 | -7 | 14 | |
15 | TSG Hoffenheim | 15 | -8 | 14 | |
16 | 1. FC Heidenheim 1846 | 15 | -15 | 10 | |
17 | Holstein Kiel | 15 | -19 | 8 | |
18 | VfL Bochum | 15 | -22 | 6 |