Einen Nation trauert um einen ihrer grössten Söhne. Und mit den Brasilianern verneigt sich die ganze Welt vor Edson Arantes do Nascimento, kurz: Pelé, der am 29. Dezember im Alter von 82 Jahren für immer die Augen schloss. Der Mann, dem mit dem Ball mit Leichtigkeit und Anmut alles gelang, was ihm beliebte, erlag im Albert-Einstein-Krankenhaus in Sao Paulo einer Darmkrebserkankung. Seine Liebsten waren bis zum Schluss an seiner Seite.
Am Montag nun nahm die Welt Abschied vom «Rei do Futebol», vom König des Fussballs, der das Spiel zur Kunstform erhob und alle Generationen seither inspirierte, verblüffte, begeisterte – ob im Stadion, am Fernsehen oder auf Youtube. Während 24 Stunden wird er im Stadion des FC Santos aufgebahrt.
Ex-Bayern-Star unter den Sargträgern
Um 10 Uhr Ortszeit (14 Uhr Schweizer Zeit) wurde sein Leichnam überführt, begleitet von Polizei und Feuerwehr, und viele säumten die Strassen, um ihrem König ein letztes Mal zuzuwinken, Fahnen zu schwenken, Feuerwerk zu zünden. Andächtig, zurückhaltend, liebevoll.
Den Sarg ins Stadion trugen unter anderem sein Sohn Edinho (52), aber auch Zé Roberto (48), der frühere Bundesliga-Profi von Bayern, Leverkusen und Hamburg, der zwischendurch für den FC Santos spielte, den Verein, für den das fussballerische Leben von Pelé bestimmt war.
FC Santos ist Pelé und umgekehrt
Was wäre der FC Santos, der Klub von der Atlantikküste, ohne Pelé? Er erst hob ihn auf die Landkarte des Fussballs und drängte ihn aus dem Schatten der Grossklubs aus Rio und Sao Paulo, aus dem Schatten von Flamengo, Fluminense, Corinthians oder Palmeiras.
26 nationale und internationale Titel gewann Santos mit Pelé, unter anderem zweimal den Weltcup und die Copa Libertadores, das südamerikanische Pendant zur Champions League. Derzeit ist Santos Zwölfter der Serie A, der höchsten Liga. Für immer jedoch geniesst er das ewige Alleinstellungsmerkmal: der Klub des grössten aller Fussballer zu sein.
Mehr als 500 Tore schoss Pelé für Santos, in dessen Stadion er nun unter Tränen aufgebahrt wurde, 24 Stunden lang. Und alle trauern: ob weiss oder schwarz, arm oder reich, jung oder alt. Für sie alle war Pelé Idol und Inspiration zugleich. Menschlich und sportlich.
Infantino und Brasiliens Staatschef nehmen Abschied
Der Sarg des dreifachen Weltmeisters steht unter einem Pavillon. Für Familienangehörige und Freunde wurden 80 Stühle bereitgestellt. Die Fans können den Sarg auf einem Laufsteg in rund fünf Meter Abstand passieren, um «Adeus» zu sagen.
Tränen fliessen, Kränze werden niedergelegt. Vor Ort erweisen ihm Klub- und Verbandsbosse aus Brasilien die Reverenz, Fifa-Chef Gianni Infantino, aber auch Luiz Inácio Lula da Silva (77), der eben erst vereidigte brasilianische Staatspräsident. Auch Neymar (30), der grösste brasilianische Spieler der Gegenwart, oder Altstar Romario (56) gedachten seiner mit Botschaften.
Einer, der gerne gekommen wäre und ebenso seinen Platz im Olymp des Fussballs auf sicher hat, ist Franz Beckenbauer (77). Der «Kaiser» spielte in den 70ern mit Pelé bei Cosmos New York. Beckenbauer hat Herzprobleme und ist nach einem Infarkt auf einem Auge erblindet. Ein Flug nach Brasilien lässt seine Gesundheit nicht mehr zu. So schickte er seine Grüsse aus der Heimat nach Brasilien. «Der Fussball hat den Grössten seiner Geschichte verloren – und ich einen einzigartigen Freund.»
Pelés Mutter «nicht bei Bewusstsein»
Am Dienstag, nach der öffentlichen Totenwache, wird Pelé auf einem Trauerzug durch Santos geführt, vorbei an Kanal 6, wo Pelés Mutter Celeste bis heute lebt. Sie ist 100 Jahre alt. Wie viel sie von den Trauerfeiern wahrnimmt, ist unsicher. Laut Pelés Schwester aber «ist sie nicht bei Bewusstsein».
Danach wird Pelé im «Memorioal Necropole Ecumenia» im engsten Familienkreis beigesetzt, einem 14-stöckigen Hochhaus. Es ist der höchste Friedhof der Welt. Wohl niemand auf dieser Welt hielte ebendiesen Ort nicht für angemessen. (mis)