«Ich weiss noch nicht, wo mein Weg mich hinführt»
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FCZ-Star Meriame Terchoun:«Ich weiss noch nicht, wo mein Weg mich hinführt»

FCZ-Star Meriame Terchoun über ihren harten Karriereweg
«Viele hätten an meiner Stelle aufgegeben»

Meriame Terchoun (26) steht mit dem FCZ vor dem Spitzenkampf gegen Servette Chênois. Die Zürcherin erzielt Tor um Tor – dabei hatte sie mit dem Fussball eigentlich bereits abgeschlossen.
Publiziert: 05.02.2022 um 09:06 Uhr
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Aktualisiert: 05.02.2022 um 15:26 Uhr
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Meriame Terchoun im Café Hubertus in Zürich, unweit vom Ort, an dem sie aufgewachsen ist.
Foto: Sven Thomann
Ugo Curty

Der Sport lebt von diesen heroischen Geschichten, von diesen unverhofften Comebacks, von diesen Athleten, die allen Widrigkeiten trotzen!

Bei Meriame Terchoun (26) waren die Aussichten zwischenzeitlich äusserst düster. Die Stürmerin des FC Zürich gibt zu: «Mit Blick auf alle meine Verletzungen ist es nicht normal, dass ich noch hier bin. Viele hätten an meiner Stelle aufgegeben.» Mit nur 24 Jahren drei Mal die Kreuzbänder zu reissen, das muss man erst einmal schaffen. Doch weder Verletzungen noch Depressionen oder die Anfänge eines Burnouts vermochten sie letztlich zu bremsen.

Mit ihrer Nummer 19 auf dem Rücken wirbelt Meriame Terchoun durch die Abwehrreihen des Landes. Sie ist die zweitbeste Torschützin der Super League (6 Tore), direkt hinter ihrer Teamkollegin Fabienne Humm. Die Zürcherinnen reisen diesen Sonntag nach Genf (16 Uhr), um die Meisterschaft wieder aufzunehmen.

«Mir fehlte die Zeit, um mich zu erholen»

So ein Gipfeltreffen mit Servette Chênois, beinahe hätte Meriame Terchoun es nie mehr miterlebt. Im Frühjahr 2020 hielt sie es nicht mehr aus. «Das Jonglieren zwischen mehreren Jobs und meiner Fussballkarriere wurde zu viel», erklärt sie, während sie auf der Terrasse des Café Hubertus sitzt: «Ich hatte ein Spiel nach dem anderen und mein Körper hat nicht mehr mitgemacht. Mir fehlte die Zeit, um mich zu erholen.» Um diese Überanstrengung zu bremsen, setzt sie alles auf Eis und reist an den Persischen Golf. «Dort habe ich einen Teil meiner Familie getroffen. Mein Vater ist Algerier. Ich wollte meine Wurzeln wiederfinden, Arabisch lernen und zum ersten Mal den Ramadan begehen.»

Die Pandemie durchkreuzte einen Teil ihrer Pläne. Aber in Katar, dem Austragungsort der nächsten Männer-WM, sprang der Funke wieder über. «In Katar habe ich mit einer Frauen-Mannschaft gespielt. Das Niveau war nicht sehr gut, aber ich habe diese einfache Freude wiedergefunden, wie damals, als ich mit meinem kleinen Bruder in der Nachbarschaft gegen den Ball getreten habe. Ich habe auch erkannt, wie wichtig der Fussball für diese Mädchen ist – für sie ist der Zugang zum Sport nicht selbstverständlich.»

Nach ihrer Rückkehr in die Schweiz bietet ihr «ihr» FC Zürich an, das Training wieder aufzunehmen. Sie geht hin, denkt aber nicht daran, wieder auf hohem Niveau zu spielen. Wochen und Monate vergehen. Ihr Fitnesszustand wird währenddessen immer besser. «Nach einer Weile sagte ich mir: Mach es, du hast nichts zu verlieren!» Der Rest ist Geschichte.

«Ich ging zu einer Psychologin – das hat mein Leben verändert»

Terchoun dachte während ihrer Laufbahn mehrmals daran, alles hinzuschmeissen. Nach ihrer zweiten Verletzung fiel sie in eine Depression. «Ich hatte viel verloren, sogar meinen Job. Ich wurde am Telefon gefeuert, während ich im Krankenhaus war. Drei Monate lang war ich im Dunkeln. Ich ass und schlief schlecht. Ich ging dann zu einer Psychologin – und das hat mein Leben verändert. Es gibt keinen Grund, sich zu schämen, im Gegenteil. Durch die Pandemie und die Einschränkungen wurde jedem bewusst, wie wichtig und zerbrechlich die psychische Gesundheit ist.»

Heute hat Terchoun «das richtige Gleichgewicht» gefunden: «Ich habe auch gelernt, mein Wohlbefinden und mich selbst an die erste Stelle zu setzen, im positiven Sinne egoistisch zu sein. Ich denke mehr an mich.» Die Zürcherin arbeitet für die Schweizer Spieler- und Spielerinnen-Gewerkschaft (SAFP) und als Produktionsassistentin für den TV-Sender Blue.

Als Star des Galaxus-Werbespots während der EM im Sommer 2021 – an der Seite von Gilbert Gress und Stéphane Chapuisat – hat Terchoun über 11'000 Instagram-Follower. Eine Reichweite, bei der sie nicht mehr zögert, sie zu nutzen. Terchoun hatte sich zum Beispiel während der Abstimmung über das Verhüllungsverbot geäussert: «Sportler haben oft Angst, sich politisch oder gesellschaftlich zu äussern. Aber, ich bin eine Bürgerin fast wie jede andere. Ich habe Werte und es ist für mich klar, zu kämpfen und mich für die Frauen einzusetzen, die diesen Luxus nicht haben.»


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Mannschaft
SP
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PT
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FC Basel
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22
2
Servette FC Chenois
Servette FC Chenois
10
11
21
3
BSC Young Boys
BSC Young Boys
10
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4
FC St. Gallen 1879
FC St. Gallen 1879
10
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5
FC Zürich
FC Zürich
10
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Grasshopper Zürich
Grasshopper Zürich
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FC Aarau
FC Aarau
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FC Luzern
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FC Rapperswil-Jona
FC Rapperswil-Jona
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Frauenteam Thun Berner Oberland
Frauenteam Thun Berner Oberland
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