Ein K.o.-Spiel gegen Spanien? Da war doch schon mal was. Noch nicht so lange her, im Sommer 2021 wars, da standen und sassen im Blick-Newsroom alle Anwesenden um die TV-Geräte herum, welche in der Sportredaktion hängen – von den Praktikanten bis zu den Chefs. Die Spannung war kaum auszuhalten: Es gab Penaltyschiessen im EM-Viertelfinal zwischen der Nati und Spanien.
Leider hatte die Bar an der Strasse vor dem Ringier-Haus die schnellere TV-Leitung. Jedes Mal, wenn einer der Akteure zum Penalty anlief, hörten wir draussen bereits die Reaktionen der Fans, was jegliche Spannung augenblicklich killte. So wussten wir, bevor wir es auf dem Bildschirm sahen: dass Vargas scheiterte, dass Oyarzabal traf, die Schweiz ausgeschieden, der Traum vom Halbfinal ausgeträumt war.
Die Spanier waren Anfang Juli auch Gegner der Schweizer U21 – wieder ein EM-Viertelfinalspiel, wieder mit dem besseren Ende für sie. Die Entscheidung fiel in der Verlängerung. Und jetzt? Kommts wieder zum Duell. Die Nati trifft am Samstag um 7.00 morgens im WM-Achtelfinal auf die Spanierinnen. Sensationell kassierten diese, die bis dahin überzeugend aufgespielt hatten, im letzten Gruppenspiel eine 0:4-Klatsche gegen die Japanerinnen.
Alles ist möglich
Ein Resultat, das zeigt, dass bei dieser WM nicht vieles, sondern alles möglich ist. Die Japanerinnen waren beim Triumph gegen Spanien schlau – ihre Konterüberfälle perfekt. Die Portugiesinnen am Dienstag furchtlos, clever und stolz. Nur der Pfosten rettete die US-Weltmeisterinnen kurz vor dem Schlusspfiff wundersam vor der Heimreise. Die Kolumbianerinnen wiederum spielten beim Sensationssieg gegen Deutschland einschüchternd und emotional aufgeladen. Um bloss drei Teams zu nennen, die aus ihren Tugenden eine erfolgreiche Strategie entwickelten.
Dabei war das Spiel der Kolumbianerinnen einmalig, so vielleicht noch nie zuvor gesehen im Fussball der Frauen. Sie testeten die Grenzen des Erlaubten aus. Sie grätschten, schubsten, verpassten den Deutschen blaue Flecken, schauspielerten am Boden liegend, schindeten Zeit. Kurz: Sie zeigten alles das, was man dem Frauen-Fussball stets lobend absprach.
Die Bar hat zum Glück zu
Das war aus neutraler Sicht keineswegs beklagenswert – im Gegenteil. Es machte das Spiel spannend, hochstehend, intensiv, emotional. Fussballerinnen machen weniger Theater als die Männer? Ach was! Die Kolumbianerinnen zeigten, dass es auch anders geht, wenn es ernst gilt. Und machten dieses Gruppenspiel zu einem Drama besonderer Güte. Zum bisher spektakulärsten Akt an dieser WM.
Was das mit den Schweizerinnen zu tun hat? Die Beispiele sollten Ansporn sein, den eigenen Stärken zu vertrauen. Ich wünschte mir, dass Thalmann weiter die Null festhält, dass Wälti im Mittelfeld dirigiert wie Cate Blanchett im Film Tár, dass Bachmann und Crnogorcevic vorne wirbeln, bis den Spanierinnen hinten schwindlig wird. Ball am Fuss, Herz in der Hand, Verstand im Kopf, Mut im Blut.
Die Bar auf der Strasse vor dem Ringier-Haus hat frühmorgens übrigens zu. Spannung ist dieses Mal also auch bei uns auf der Sportredaktion bis am Schluss garantiert. Daumen drücken! Den nächsten Steilpass schicken wir dir am kommenden Donnerstag. Dann sind alle Viertelfinalistinnen bekannt und neue Dramen geschrieben.