80'000 Euro Stundenlohn
Verschont die Fussballerinnen vor dem Geld-Wahnsinn!

Warum der Autor hinter der Forderung der Fussballerinnen nach gleicher Bezahlung wie bei den Männern ein dickes Fragezeichen setzt.
Publiziert: 28.07.2023 um 09:04 Uhr
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Wichtiger Punkt gegen Norwegen: Die Schweizerinnen nehmen Frida Maanum in die Mangel.
Foto: VCG via Getty Images
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Patrick MäderAutor Blick Sport

Ich habe in der ersten Phase der Fussball-WM viele positive Eindrücke gewonnen und kann festhalten: Die Qualität ist gut, die Spannung ist gross, die Emotionalität ist hoch. Extrem berührend, als die Frauen aus Panama im Montags-Spiel gegen Brasilien allesamt während der Hymne geweint haben, weil sie in diesem Moment realisiert haben, dass sie gerade ihren Traum leben.

Die Schweizerinnen haben am Dienstag im zweiten Gruppenspiel gegen Norwegen während der Hymne nicht geweint, vielmehr fokussiert und textsicher im Ensemble mitgesungen. Tränen gabs nach dem Schlusspfiff bei Ana-Maria Crnogorcevic, als die Schweiz den einen so wichtigen Punkt sicher in der Tasche hatten.

Diese Offenheit belebt

Die 32-jährige Rekord-Nationalspielerin (149 Spiele) erklärte die Tränen danach gefasst: «I bi eifach kaputt gsi. Isch aschträngend gsi, hin- und här z'secklä.» Diese erfrischende Authentizität der Protagonistinnen ist ein Merkmal dieser WM. Egal, ob's um politische Statements geht, um Gleichberechtigung, um Menstruation, um die Gefühlswelt, um Eifersucht, um Homosexualität: Es scheint bei den Frauen keine Tabus zu geben, was alles wohltuend selbstverständlich macht.

Da ist man sich als Fussballfan ganz anderes gewohnt: glattgebügelte, nichtssagende Floskeln. Und wenn einer dann doch mal ansetzt, gewollt oder ungewollt, dann wird er bestimmt gleich von der eigenen Medienabteilung zensuriert. Ja klar, jetzt rede ich vom Männer-Fussball, der darauf getrimmt wird, bloss keine unpassenden Schlagzeilen zu verursachen. Dabei zeigen die Frauen gerade eindrücklich, wie belebend Offenheit und Authentizität ist.

Fifa greift zweimal ein

Für die Fifa ist das aber offenbar eine beunruhigende Sache. Zweimal schritten die «Ordnungshüter» an dieser WM ein. Die marokkanische Spielerin Ghizlane Chebbak (32) wurde in einer Medienrunde von einem BBC-Reporter folgendes gefragt: «In Marokko ist es illegal, eine homosexuelle Beziehung zu führen. Gibt es homosexuelle Spielerinnen in ihrem Sport und wie ist das Leben für Sie in Marokko?» Die Fifa-Delegierte unterbrach sofort: «Stellen Sie fussballbezogene Fragen!»

Auf der PK des sambischen Teams wurde Trainer Bruce Mwape (ja, das ist die Lusche, über die ich im letzten Steilpass geschrieben habe) von einer Journalistin auf die Vorwürfe des sexuellen Fehlverhaltens und seines Machtmissbrauchs angesprochen. Der 63-Jährige setzte regungslos zu seiner Verteidigungsrede an, doch die Fifa-Delegierte erlöste ihn und brach die Pressekonferenz ab.

Männer-Fussball ausser Rand und Band

Beide Fälle trüben mein positives Gesamtbild dieser WM nicht entscheidend. Was mich nachdenklich macht, ist vielmehr der Kampf der Frauen um «Equal Pay», also gleiche Bezahlung wie bei den Männern. Klar, dieser klingt legitim und ist absolut unterstützenswert. Aber muss man da angesichts des von allen Fesseln und Regeln befreite Geldwahnsinns, welcher den Männer-Fussball gerade in nie geahnte moralfreie Sphären hievt, nicht ein dickes Fragezeichen setzen? Ich finde schon.

Die Premier League? Total verkommerzialisiert. Die Sommertransfers? Von den Saudis in aberwitzige Sphären geführt, indem sie Spieler um Spieler mit unsinnigen Beträgen von Europa nach Arabien locken. Man denkt, man sei in einem Film. Der Fall Kylian Mbappé ist bisher der Höhepunkt der Absurdität. Al-Hilal bietet dem PSG-Stürmer neben einer Ablöse von 300 Millionen ein Jahreslohnpaket von 700 Millionen Euro an, damit er seine Dribblings ein Jahr lang in der Wüste zelebriert.

Crash der Fussball-Titanic ist absehbar

Das wären für Mbappé rund zwei Millionen Euro pro Tag oder ein Stundenlohn von 80'000 Euro oder 22 Euro jede Sekunde. Da kann man jetzt darüber lächeln, weil der 23-jährige Multimillionär sich dieses Angebot nicht mal anhören will und weiter um einen Wechsel nach Madrid pokert, oder es völlig unhaltbar und verwerflich finden. Jedenfalls kann diese Entwicklung für den Fussball nicht gesund sein. Der Crash der Fussball-Titanic ist absehbar.

Ich wünsche den Fussballerinnen eine gesunde Entwicklung, dass sie mehr Geld bekommen, mehr öffentliche Präsenz, Anerkennung, Zuspruch, zudem bessere Infrastruktur und Bedingungen. Schön wäre, wenn auch in der Schweiz bald eine Profiliga möglich wäre. Und dass es Raum gibt für die Frauen im Fussball, genügend Trainingsplätze, Garderoben, medizinische Betreuung und vieles mehr.

Jeder gute Auftritt der Nati kann zu dieser Entwicklung beitragen und die Euphorie hinsichtlich der EM 2025 in der Schweiz weiter schüren. Auch darum hoffe ich, dass die Nati am Sonntagmorgen diesen nötigen Punkt fürs Weiterkommen festhält. Und danach über sich hinauswächst und neue Türen aufstösst.

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