Das Turnier in Neuseeland und Australien ist noch nicht dasjenige von Viola Calligaris (27). Erst beim erzitterten 0:0 gegen Neuseeland am Sonntag kommt sie fünf Minuten vor Schluss zu ihrem WM-Debüt. Inklusive Nachspielzeit steht sie eine knappe Viertelstunde auf dem Platz. Zu wenig für eine Spielerin, die mit einem frisch unterschriebenen Zweijahresvertrag mit PSG nach Down Under reist.
Im Testspiel Ende Juni gegen Sambia (3:3) zieht sich Calligaris eine Muskelverletzung zu. Fast drei Wochen kann sie nicht voll mit dem Team trainieren, erst im letzten Gruppenspiel wird Calligaris für Inka Grings (44) zu einer ernsthaften Option. Klagen will die Verteidigerin aber nicht. «Ich bin froh, dass ich überhaupt mitfahren konnte», sagt die 45-fache Nati-Spielerin. «Denn es hätte auch ganz anders kommen können.»
Calligaris ist eine der Verliererinnen des Trainerwechsels in der Nati. Während sie bei Nils Nielsen (51) in der Innenverteidigung – ihrer bevorzugten Position – gesetzt ist, sieht Grings die Obwaldnerin eher auf der Aussenbahn. Kommt hinzu, dass es in Neuseeland für die Nati-Trainerin seit dem Ausfall von Abwehrchefin Luana Bühler (27) nach dem ersten Spiel keinen Grund gibt, in der Defensive zu wechseln. Die Nati ist in diesem Turnier noch ohne Gegentor.
Sie kennt die Spanierinnen gut
Dass Grings im Hinblick auf den Achtelfinal etwas ändert, wäre unorthodox, aber mutig. Und in Anbetracht der Stärken Spaniens auch nicht abwegig. Ansprüche stellt Calligaris allerdings keine. «Das Team steht im Vordergrund und nicht eine einzelne Spielerin.» Aufgrund ihrer Erfahrung in Spanien und ihrer technischen Fähigkeiten wäre sie aber trotz fehlender Spielpraxis durchaus eine Option.
Sechs Jahre spielte Calligaris in Spanien, sie kennt den Gegner aus dem Effeff. «Das Tiki-Taka haben alle im Blut.» Sie sieht viele Parallelen zum FC Barcelona, dem aktuell besten Klubteam der Welt. «Und gegen Barcelona zu spielen, ist nicht besonders lustig. Man sieht den Ball nicht viel.» Besonders gut kennt Calligaris Alba Redondo (26), ihre ehemalige Klubkollegin von Levante. Dass die Torschützenkönigin der spanischen Liga (27 Tore) nicht Stammspielerin ist, sagt viel über die Qualität des Schweizer Achtelfinal-Gegners aus.
Und doch hat Calligaris einen klaren Gameplan für Samstag. «Der Schlüssel ist, dass man Spanien früh stört, denn hinten machen sie auch Fehler.» Wie man Spanien knackt, hat Japan beim 4:0-Sieg vorgemacht. «Sie waren hinten extrem kompakt, clever und aggressiv. Und Konter kann man nicht besser spielen.»
Eltern sind dabei
Am Samstag im Eden Park in Auckland sind auch Calligaris' Eltern mit dabei. Diese haben die WM-Teilnahme ihrer Tochter für eine Reise nach Neuseeland genutzt. «Manchmal schicken sie Fotos, wie sie bei irgendwelchen Leuten im Wohnzimmer sitzen. Und nun wollen sie auch noch Skifahren gehen», sagt Calligaris. Die Gastfreundschaft und Offenheit der Einheimischen ist enorm, auch die Nati-Stars fühlen sich in Dunedin vom ersten Tag an sehr willkommen.
Auch sie konnten den einen oder anderen kleinen Ausflug unternehmen. Calligaris' bisheriges Highlight: die Seelöwen, die zu Dutzenden an den Stränden in der Umgebung Dunedins zu finden sind. «Wo und wann sieht man diese schon einmal in der freien Natur?», fragt sie. Der sportliche Höhepunkt der Reise nach Down Under soll für die zukünftige PSG-Verteidigerin aber erst noch folgen: ein Sieg am Samstag gegen Spanien. Am liebsten mit ihr auf dem Platz.