Ein Sportereignis als Grund für einen neuen Feiertag? Das gibts sonst in einem westlich geprägten Land kaum jemals. Aber Australien ist derart aus dem Häuschen wegen der Halbfinal-Quali des Nationalteams an der Heim-WM, dass Premierminister Anthony Albanese für den Fall des Titelgewinns einen offiziellen Feiertag einführen will.
Australien im Fussballfieber. Oder besser: wie ein ganzer Kontinent einer Spielerin zu Füssen liegt, die bisher an der WM kaum gespielt hat.
Aber Chelsea-Weltklassestürmerin Sam Kerr (29) ist mehr als eine Spielerin der «Matildas». Sie ist das ganz grosse Idol in ihrer Heimat, die Lichtgestalt des australischen Fussballs und als Captain das Gesicht des märchenhaften Höhenflugs an der WM.
Kerr schwärmte für Leichtathletik-Star Freeman
Kerr verpasste wegen einer Wadenverletzung alle Gruppenspiele und spielte im Achtel- und Viertelfinal nur als Joker. Das Heimteam kam also ohne seine beste Spielerin in den Halbfinal. Dass nun Kerr wieder drei Tage mehr Zeit hatte, fit zu werden, könnte gegen England zum grossen Trumpf werden.
Noch zwei Siege fehlen zum Titel. Noch zwei Siege fehlen Kerr, dass sie zur Cathy Freeman des Fussballs wird. Leichtathletin Freeman (50) entzündete an den Olympischen Spielen 2000 in Sydney das Feuer und holte im legendären Ganzkörperanzug über 400 Meter Gold, das Land stand kopf.
Kerr verfolgt das Freeman-Märchen als Siebenjährige fasziniert. «Zu sehen, wie eine Person so fokussiert sein und das ganze Gewicht einer Nation tragen kann, hat mich inspiriert», sagt Kerr später.
Dass sie selber nun ausgerechnet im eigentlich wenig populären Soccer auf Freemans Spuren ist, war damals nicht abzusehen. «Ich habe Fussball gehasst. Ich hatte als Kind nie einen Fussball», sagte sie einst. Kerr spielt wie ihr Vater, der Sohn eines Engländers und einer Inderin, und wie ihr Bruder Australian Football, das mit einem Rugby-Ei gespielt wird.
Torschützenkönigin auf drei Kontinenten
Erst mit 12 Jahren findet Sam zum runden Soccer-Ball. Der Rest ist Geschichte. Schon mit 15 Jahren spielt sie in der obersten Liga, via USA landet sie bei Chelsea. Sie ist die einzige Fussballerin, die auf drei Kontinenten Torschützenkönigin war.
Nun gehts ausgerechnet gegen England. Seit 2019 spielt Kerr bei Chelsea, hat seither in 67 Ligaspielen 44 Tore erzielt. Werte, die sie in London zur bestverdienenden Fussballerin in Europa macht, Kerr streicht bei Chelsea rund 500 000 Euro ein. Im Jahr – das ist 144-mal weniger als Europas Männer-Topverdiener Kylian Mbappé kriegt.
Aber bei den Beliebtheitswerten im Heimatland schlägt Kerr den PSG-Stürmer locker. Könnt ihr tatsächlich das Turnier gewinnen, Sam Kerr? «Ha!», ruft sie nach dem emotionalen Viertelfinal-Penaltykrimi gegen Frankreich ungläubig ob der Ausgangslage ins TV-Mikrofon, «wir sollten nicht zu weit denken.»