Als das Stadion in Wellington praktisch geleert und auch die Musik abgestellt ist, steht Aitana Bonmati (25) noch immer da und macht auch mit den letzten verbliebenen Fans noch ein paar Selfies. Einige Minuten zuvor, als die Spanierinnen nach dem 2:1 nach Verlängerung gegen Holland auf dem Platz feiern, als seien sie soeben Weltmeisterinnen geworden, nimmt sie sich Zeit und tröstet ihre Gegnerin Damaris Egurrola (23), die einst für Spanien, jetzt aber für Holland spielt.
Bonmati ist auch im Erfolg nahbar und sozial geblieben. Sie spielt unter ihrem Mutternamen, obwohl das in Spanien ungewöhnlich ist. Doch Bonmatis Eltern, beide Lehrer für Sprache und Literatur, wollten das nicht, worauf die Tochter stolz ist. «Diese Bereitschaft, für die Rechte der Frauen zu kämpfen, habe ich im Blut», sagte sie gegenüber «The Players Tribune». Seit letztem Jahr arbeitet sie für das spanische Uno-Flüchtlingshilfswerk, das unter anderem für geflüchtete Frauen in Barcelona Fussball-Trainings veranstalten.
Aus dem Schatten von Putellas getreten
Auch auf dem Feld gehört Bonmati, die als Jugendliche eigentlich als Profi in die USA wollte, trotz ihrer Körpergrösse von 1,62 m zu den Grössten. Auf dem Weg zum Champions-League-Sieg von Barcelona ist sie in Abwesenheit von Alexia Putellas (29) die herausragende Spielerin. Und auch in der Nati ist sie aus dem Schatten der zweifachen Weltfussballerin getreten, die nach ihrem vor einem Jahr erlittenen Kreuzbandriss noch nicht in Form ist.
Gegen Holland ist Bonmati zwar weniger auffällig als gegen die Schweiz, als sie mit der Nati Katz und Maus spielt und zwei Tore schiesst. Das liegt aber auch daran, dass Hollands Jackie Groenen quasi Frauendeckung gegen Bonmati spielt und versucht, den Aktionsradius der Katalanin einzuengen. Das gelingt. Bonmatis Einfluss ist nicht ganz so immens, auch wenn sie an vielen Aktionen der in der ersten Halbzeit dominanten Spanierinnen beteiligt ist.
Wie wichtig Spaniens Nummer 6 aber ist, zeigt sich nach ihrer Auswechslung. Als Bonmati nach 86 Minuten das Feld verlässt, deutet alles auf einen spanischen Sieg hin. Doch danach kippt das Spiel, Spaniens Team gerät aus der Balance. Holland gleicht in der Nachspielzeit aus und steht auch in der Verlängerung lange dem Sieg näher. Doch Salma Paralluelo erlöst mit ihrem Tor Spanien – und damit auch Bonmati, die auf der Bank mitzittert.
Reicht es für den Titel?
Kaum Einfluss auf das Spiel hat hingegen Putellas. Für den Superstar bleibt seit dem 0:4 gegen Japan nur die Joker-Rolle. Auch im Halbfinal wird Putellas, die mit den spanischen Journalisten kein Wort wechselt, hinten anstehen müssen. Denn die grosse Bühne gehört nun Bonmati, die sich ohne Putellas auf dem Platz besser entfalten kann.
Von ihrer Spielweise her erinnert Bonmati an Xavi Hernandez und Andres Iniesta, ihre grossen Vorbilder. Niemand hatte das Tiki-Taka-Spiel so geprägt wie die beiden, die Spanien 2010 zum WM-Titel führten. Noch zwei Schritte fehlen, damit es Bonmati ihnen in Neuseeland und Australien gleichtut. Aber auch dann würde sie sich wohl noch immer Zeit für Selfies mit den Fans nehmen.