Nati-Trainer Nils Nielsen zieht Bilanz
«Jetzt weinen die Mädchen nicht mehr»

Obwohl sich die Nati am Dienstag für die WM 2023 qualifizieren kann, tritt Trainer Nils Nielsen Ende Jahr ab. Der Däne über seine vier Jahre in der Schweiz: Was ihn freute. Was ihn störte. Worauf er stolz ist. Was er in Zukunft plant.
Publiziert: 10.10.2022 um 14:49 Uhr
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Aktualisiert: 11.10.2022 um 10:41 Uhr
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Abgang nach vier Jahren als Trainer der Schweizer Frauen-Nati: Nils Nielsen zieht Bilanz.
Foto: TOTO MARTI
Matthias Dubach

Zuerst braucht Nils Nielsen (50) einen Kaffee. Der Nati-Trainer huscht im Hotel-Meetingraum namens «Einstein» in die Kaffee-Ecke, ehe er sich mit der Tasse in die Lobby setzt. Das «Seedamm Plaza» in Pfäffikon SZ ist zum Ende von Nielsens Amtszeit zur Heimat für die Frauen-Nati geworden.

Jetzt zieht Nielsen bei SonntagsBlick Bilanz. Der Däne verlängert nach vier Jahren beim SFV seinen Vertrag nicht, selbst wenn sich die Nati am Dienstag in den Playoffs gegen Wales (19.00 Uhr, live SRF 2) für die WM 2023 in Australien/Neuseeland qualifiziert. «Ich hoffe, dass ich dann im Nati-Dress vor dem Fernseher mitfiebern kann», sagt Nielsen.

Abgang trotz denkbarer WM-Quali: Wollte er einfach dem Verband zuvorkommen, der womöglich bei einer Nicht-Quali den Vertrag nicht verlängert hätte? Der Däne winkt ab. Er geht wegen seiner Familie in die Heimat zurück. «Meine Tochter weint, weil sie mich am Morgen nur am Bildschirm sieht», sagt Nielsen.

Zu hohe Kita-Kosten in Bern

Seine Frau, die Tochter (3) und der Sohn (4) leben in Dänemark. Der Versuch, als Familie in Bern zu leben, scheiterte. «Meine Frau wollte hier auch arbeiten. Aber wir mussten feststellen, dass die Kita rund 5000 Franken pro Monat gekostet hätte. Das kostet die Krippe in Dänemark im Jahr.»

War der Nationaltrainer unterbezahlt? «Ich kann mich nicht über meinen Lohn beschweren. Aber meine Frau hätte über 5000 Franken verdienen müssen, damit sich das rechnet.» Nielsen bleibt sich treu. Bereits 2018 gab er wegen der Familie den Job im chinesischen Frauenfussball auf, weil sein Sohn im von Smog geplagten Peking schlecht atmen konnte.

Jetzt das Ende in der Schweiz. Ob sich die Nati in zwei Tagen für die WM qualifiziert oder nicht, spiele bei seiner Bilanz keine entscheidende Rolle. «Ein einzelnes Resultat ist nie nachhaltig. Aber es ist nachhaltig, dass sich der Umgang miteinander völlig geändert hat. Darauf bin ich sehr stolz.»

Nielsen versichert, dass sich die Atmosphäre in allen Bereichen geändert habe. In der A-Nati. Im Frauen-Nachwuchsbereich. Und auch in der Women's Super League: «In der Liga wurde vorher oft nicht miteinander gearbeitet. Doch das ist jetzt vorbei.»

Dass Nielsen als Nachfolger der eher strengen Martina Voss-Tecklenburg (54) bei den Nati-Frauen eine offene Kommunikation richtiggehend einforderte, ist bekannt: «Keine muss Angst haben, dass sie aus dem Team fliegt, wenn sie ein Problem anspricht.»

Nielsen eliminierte die Angst in der Nachwuchs-Nati

Weniger bekannt ist Nielsens grosser Einfluss im Nachwuchsbereich. «Wir haben viel Zeit investiert. Mittlerweile werden die Ergebnisse sichtbar», sagt Nielsen. Die U17-Nati hat in der EM-Quali die starken Teams von Island und Frankreich geschlagen und ist Leader.

Nielsen erzählt, dass er bei den Juniorinnen eine Kultur der Angst angetroffen habe. «Am Anfang hatten sich die Mädchen im Ausbildungszentrum in Biel zu Tode erschreckt, wenn ich in die Tür getreten bin. Jetzt umarmen sie mich und nennen mich nicht mehr Herr Nielsen.»

Bei Leistungstests habe es oft Tränen gegeben. Nielsen: «Es herrschte die Meinung vor, dass man aus der U-Nati fliegt, falls man nicht die richtigen Zahlen abliefert. Die Mädchen haben nicht verstanden, dass wir diese Daten brauchen, um ihnen bei der Weiterentwicklung zu helfen. Jetzt weinen sie nicht mehr.»

Aber Nielsen erlebt auch harte Momente. 2019 stirbt Nati-Spielerin Florijana Ismaili (†24) bei einem Tauchunfall. «Ich war kürzlich für ein Uefa-Projekt in Serbien, wo Flori ihr letztes Spiel für uns spielte», sagt der Däne. Seine Augen werden feucht. «Ich bin ein sensibler Typ. Ich versuche immer, mit einem Lächeln an sie zu denken. Aber damals war es brutal. Wir mussten die EM-Quali mit Gesprächen zur Verarbeitung eines Todesfalls starten. Es war unfassbar stark, wie das Team damit umgegangen ist.»

Rücktrittsgedanken wegen der EM

Ein sportliches Trauma erlebt die Nati zuletzt an der EM in England. Nielsen vercoacht das Startspiel gegen Portugal. «Ich bereue in meiner Schweizer Zeit nichts. Ausser dieses Spiel. Es ärgert mich bis heute, dass ich zu wenig auf die taktischen Änderungen des Gegners eingegangen bin.»

Der Däne enthüllt jetzt sogar damalige Rücktrittsgedanken. «Aber dann haben uns die Spiele gegen Schweden und Holland als Team wieder enorm gestärkt. Wäre das nicht passiert, hätte ich noch vor den WM-Quali-Spielen im September die Konsequenzen gezogen.»

Nielsen tickt anders als ein 08/15-Trainer. Womöglich mit einem WM-Ticket abzutreten? In einem Geburtstags-Jux-T-Shirt wie letzten April im SRF-Sportpanorama aufzutreten? Aufhören ohne neuen Job? Nielsen machts einfach. «Ich arbeite seit 30 Jahren im Fussball. Nun ist meine Zukunft offen. Vielleicht trainiere ich wieder Frauen. Vielleicht mache ich was anderes. Aber diesmal muss es mit der Familie vereinbar sein.»

Einen Gang aufs dänische Arbeitsamt plant Nielsen nicht. Mit Projektmitarbeit bei der Fifa und Uefa verdient er weiterhin etwas Geld. Auch Ideen für Bücher habe er. Und einen Traum. Da seine Frau als selbständiger Mental- und Physis-Coach arbeitet, wäre eine gemeinsame Anstellung bei einem Klub oder einem Verband denkbar.

Verabschiedet wird Nielsen übrigens noch nicht am Dienstag. Die Frauen-Nati bestreitet im November ein noch nicht offiziell angesetztes Testspiel in Schaffhausen – gegen Nielsens Heimat Dänemark.

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Norwegen
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Finnland
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Dänemark
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Belgien
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Tschechische Republik
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Gruppe A3
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Frankreich
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England
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Schweden
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Irland
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Deutschland
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Island
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Österreich
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Polen
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Gruppe B1
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Schweiz
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Türkei
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Aserbaidschan
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Gruppe B2
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Schottland
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Serbien
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Slowakei
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Israel
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Gruppe B3
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Portugal
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Nordirland
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Bosnien und Herzegowina
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Malta
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Gruppe B4
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Weißrussland
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Georgien
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Litauen
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Slowenien
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Lettland
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Nordmazedonien
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Moldawien
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Gruppe C3
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Griechenland
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Montenegro
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Färöer
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Andorra
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Gruppe C4
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Rumänien
Rumänien
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Bulgarien
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Armenien
Armenien
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Kasachstan
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Gruppe C5
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Luxemburg
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Estland
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