Appiano Gentile zwischen Como und Mailand. Draussen vor dem Trainingszentrum von Inter Mailand warten zwei Dutzend Fans auf die Spieler, die das riesige Camp nach ihrem Tagwerk verlassen. Im Schutz ihrer Autos mit getönten Scheiben. Einige von ihnen brausen vorbei, ohne anzuhalten. Nicht so Goalie Yann Sommer. Der 35-Jährige ist bekannt dafür, dass er sich Zeit nimmt für die Anhänger des Klubs. Heute wird es allerdings noch einen Moment dauern, bis er das Trainingszentrum verlässt. Zuerst ist er zum Gespräch mit SI Sport verabredet.
Yann Sommer, wir führen das Interview auf Deutsch – oder wäre Ihnen Italienisch lieber?
Yann Sommer: Nein, vorerst noch nicht. Das gäbe kein so gutes Interview (lacht). Deutsch ist mir lieber, auch wenn ich bereits vieles auf Italienisch verstehe. Ich nehme Unterricht und kann schon ein wenig reden. Das ist nötig, denn hier unterhalten sich alle auf Italienisch. Aber alles, was mit Fussball zu tun hat, lernst du sowieso automatisch auf dem Platz.
Zum Beispiel?
«Fuori!», also «Raus!». Oder wenn sich beim Eckball ein gegnerischer Spieler anschleicht: «Attenzione, l’uomo dietro!» Im Notfall kann es auch Englisch oder Französisch sein.
Reicht das Vokabular, um die Lobeshymnen über Sie in italienischen Zeitungen zu verstehen – zum Beispiel in der rosa Sportbibel «Gazzetta dello Sport»?
Ich kann es nicht mal sagen, weil ich selten Zeitungen lese. Das war schon in Deutschland so. Egal, ob es gut oder schlecht läuft. Man kann es eine Art Selbstschutz nennen.
Muss man sich eigentlich noch vorstellen, wenn man neu zu einer Mannschaft stösst? Geht man da in die Kabine und sagt zu Lautaro Martinez oder Francesco Acerbi: «Hallo, ich bin der Yann Sommer»?
Anstandshalber macht man es in dieser Art. Aber die meisten kennen sich ja in Europa. Und die Medien berichten im Vorfeld so viel über einen Wechsel, dass es keine Überraschung ist, wenn man dann wirklich da ist.
Gab es ein Begrüssungsritual, das Sie bei Inter Mailand über sich ergehen lassen mussten?
Ich musste auf einen Stuhl stehen und singen. Das ist mittlerweile fast Standard. Es gibt auch Mannschaften, bei denen man vor den anderen Spielern tanzen muss. Was ich fast noch schlimmer finde (lacht). Ich singe immer das Gleiche: «No Diggity». Das kam schon bei Mönchengladbach und bei Bayern gut an. Egal, ob es peinlich wird oder nicht – dieses Vorsingen ist eine coole Sache. Alle lachen und sind gut drauf, du bist so schnell im Team drin.
Sie singen auch sonst gerne, nahmen sogar schon Gesangsunterricht. Haben Sie schon ein italienisches Lied im Repertoire?
Bis jetzt noch nicht. Ausser unsere Vereinshymne «Noi siamo l’Inter».
Was hat Sie in dieser Saison bei Inter Mailand am meisten überrascht?
Die Stimmung im Stadion. Ich hatte mit meinem früheren Verein Mönchengladbach bereits im San Siro gespielt – aber während Corona vor null Publikum. Das war trostlos. Ich wusste also nicht genau, was mich in der Arena erwartet, als wir das erste Heimspiel gegen Monza austrugen. Es begann schon draussen, als wir mit dem Mannschaftsbus zum Stadion fuhren. Es herrschte eine Wahnsinnsstimmung, Tausende Fans säumten den Strassenrand und drängten sich vor der Einfahrt. Als wir dann ins San Siro einliefen, war es sehr emotional. Diese Leidenschaft, diese Begeisterung der Menschen! Das hat mich umgehauen.
Mönchengladbach hat auch sehr leidenschaftliche Fans.
Stimmt. Trotzdem ist die Begeisterung in Mailand noch ein wenig extremer. Hier leben die Menschen wirklich für den Fussball. Und das zeigen sie auch. Ich habe einige italienische Kollegen, wusste also, wie sehr der Klub verehrt wird. Aber es selbst zu erleben, ist dann nochmals was anderes.
Mut wird belohnt: Mit 16 bricht er das Gymi ab und wechselt aus der Komfortzone GC zu Hoffenheim. Der mutige Schritt lohnt sich für den Zürcher: Heute zählt Gregor Kobel zu den besten Torhütern Europas. Sein Marktwert beläuft sich auf schätzungsweise 40 Millionen Franken. Borussia Dortmund und die Fans halten grosse Stücke auf Kobel, wovon auch die lange Vertragsdauer bis 2028 zeugt.
Auf den Hund gekommen: Gregor Kobel ist mit Hunden aufgewachsen. In Dortmund hat er sich einen Dobermann zugelegt, der ihm hilft, vom Fussball abzuschalten.
Gebrauchte Handschuhe: Gregor Kobel stiftet immer wieder seine Goalie-Handschuhe für gute Zwecke. In der Beschreibung heisst es dann: «Grösse 10, gebraucht».
Mut wird belohnt: Mit 16 bricht er das Gymi ab und wechselt aus der Komfortzone GC zu Hoffenheim. Der mutige Schritt lohnt sich für den Zürcher: Heute zählt Gregor Kobel zu den besten Torhütern Europas. Sein Marktwert beläuft sich auf schätzungsweise 40 Millionen Franken. Borussia Dortmund und die Fans halten grosse Stücke auf Kobel, wovon auch die lange Vertragsdauer bis 2028 zeugt.
Auf den Hund gekommen: Gregor Kobel ist mit Hunden aufgewachsen. In Dortmund hat er sich einen Dobermann zugelegt, der ihm hilft, vom Fussball abzuschalten.
Gebrauchte Handschuhe: Gregor Kobel stiftet immer wieder seine Goalie-Handschuhe für gute Zwecke. In der Beschreibung heisst es dann: «Grösse 10, gebraucht».
Es war mit dem Gewinn der Meisterschaft eine sehr erfolgreiche Saison für Inter. Aber haben Ihnen die Mitspieler auch erzählt, wie Fans und Medien reagieren, wenn es einmal nicht so gut läuft? Es muss heftig sein.
Ja, aber bei Bayern München war es nicht anders. Das ist ebenfalls ein Klub, von dem alle immer erwarten, dass die Mannschaft top, top, top ist. Läuft es nicht, kommt schnell Unruhe auf. Die Erfahrung war lehrreich und hat mich stark gemacht, es war eine grosse Challenge für mich, aber auch für die Mannschaft. Ich möchte jenes Halbjahr nicht missen. Trotz allem wurden wir Meister, und auch deshalb wechselte ich mit einem guten Gefühl nach Mailand.
Wie gefällt Ihnen die Stadt?
Ich wohne zwar mit meiner Familie etwas ausserhalb, bin aber immer wieder in der Stadt. Auf der Strasse ist die Affinität der Italiener zur Mode gut zu sehen, das gefällt mir. Ebenso die Esskultur, die gepflegt wird, sowie die vielfältige Restaurantauswahl. Und dann natürlich auch das gute Wetter.
Ist das Trainingscamp von Inter hier in Appiano Gentile sozusagen Ihr zweites Zuhause?
Ich verbringe schon sehr viel Zeit im Camp. Das Frühstück und das Mittagessen hier einzunehmen, ist zwar nicht obligatorisch, aber es bietet sich natürlich an. Es gibt einen tollen Esssaal, mit einem halben Dutzend Köchinnen und Köchen, die in Zusammenarbeit mit einem sehr strikten Ernährungsberater super Speisen für uns zubereiten. Man spürt ihre Leidenschaft fürs Kochen. Jeder hat hier sein eigenes Zimmer, das man nach seinen Wünschen einrichten kann. Ich bin gerne hier, die Anlage ist sehr schön und gibt einem schon bei der Anfahrt ein gutes Gefühl.
Haben Sie Spezialwünsche, wenn es ums Essen geht?
Nein, ich versuche, abzuwechseln. Natürlich esse ich gerne Pasta, am liebsten aus Buchweizen. Pesto con pomodoro finde ich grossartig. Als ich diese beiden Zutaten das erste Mal kombinierte, schaute mich unser Verteidiger Federico Dimarco ganz erstaunt an. Heute macht er es genau gleich. Noch merkwürdiger fanden die anderen, dass ich Pasta, Gemüse und Fleisch zur gleichen Zeit esse. Das kommt fast einer Beleidigung ihrer Esskultur gleich. In Italien folgt alles nacheinander. Das Fleisch essen sie ganz ohne Beilage. Für uns Schweizer ist das sehr ungewohnt.
Was ist im Leben eines Fussballprofis nicht ganz so toll, wie man annehmen würde?
Wir sind in unserem Alltag doch sehr an ein enges Programm gebunden. Wir haben keine freien Wochenenden, an denen wir etwas unternehmen können. Bei einem Spitzenklub wie Inter spielen wir praktisch jeden dritten Tag. Die Partien sind toll, aber abseits des Rasens ist unser Alltag weniger aufregend, als man meinen könnte. Wir reisen viel, bekommen aber von den Spielorten kaum etwas mit.
Beim FC Basel war Trainer Christian Gross dafür bekannt, dass er eine Auswärtspartie im Europacup gerne mit einem Sightseeing oder einem Museumsbesuch verband.
Das habe ich so leider nie mehr erlebt. Heute bleibt auch fast keine Zeit mehr dafür. Oft reist man am Spieltag an und nach der Partie gleich wieder ab.
Wenn ich Ihnen ein Blatt mit einem Resultat an der kommenden EM hinlege, was würden Sie sofort unterschreiben?
Oh, schwierig. Wir hatten eine schwere Qualifikation, in der wir teils zu Recht stark kritisiert wurden. Deshalb ist es mein erstes Ziel, erst mal die Gruppenphase zu überstehen. Das wäre für uns schon ein grosser Schritt. Was danach kommt, wird sich zeigen.
Was erwarten Sie von Gastgeber und Gruppengegner Deutschland?
Die Mannschaft befindet sich im Umbruch, hat aber viel Qualität. Ich traue Trainer Julian Nagelsmann viel zu. Er wird das Team bis zur EM so hinbekommen, dass Deutschland wieder um den Titel mitspielt. Ich kenne Julian gut, er war es, der mich zu Bayern holte.
Gegen Deutschland spielten Sie bisher zweimal unentschieden.
Ach ja? Ich schaue mir eine Partie nachher nie mehr in der vollen Länge an. Nur meine Szenen, zusammen mit den Goalietrainern.
Roger Federer erinnert sich sogar noch an Spiele aus seiner Juniorenzeit!
Bei mir: keine Chance. Die Ausnahme ist vielleicht das Frankreich-Spiel an der letzten Euro. Da erinnere ich mich sogar sehr gut daran (lacht).
Yvon Mvogo (30)
Sonniges Gemüt: Auf Mvogo ist Verlass, das hat er im Nationalteam mehrmals bewiesen. Der Wechsel zum FC Lorient in die Ligue 1 hat ihm gutgetan: Der 1.90 Meter grosse Goalie ist dort Stammspieler und zeitweise gar Captain. Mvogo verliess mit seiner Mutter Antoinette im Alter von sechs Jahren das Heimatland Kamerun. Dank seinem sonnigen Gemüt fand er sofort Freunde in der Schweiz.
Pascal Loretz (21)
Brasilianische Vorbilder: Er lässt sich von den Paraden seiner Torhüter-Idole Alisson (FC Liverpool) und Ederson (Manchester City) inspirieren – und er träumt von einem Engagement in England: Pascal Loretz. Der Krienser hat sich beim FC Luzern zum Stammspieler entwickelt. Laut dem Fachportal Transfermarkt.de hat der Absolvent der Spitzensport-RS in Magglingen einen Marktwert von vier Millionen Euro.
Marvin Keller (21)
Penaltykiller: Dieser Mann beweist Nerven: Innert zehn Tagen sorgt er als Torhüter des Challenge-League-Klubs FC Wil für nationales Aufsehen. Der in London geborene Aargauer hält am 11. September 2021 einen Penalty von Miguel Castroman (Thun). Am 21. September 2021 scheitert Marco Aratore (Aarau) an Keller. 2023 gewinnt das Goalietalent mit YB das Double, im Cupfinal gegen Lugano (3:2) steht Keller im YB-Tor.
Yvon Mvogo (30)
Sonniges Gemüt: Auf Mvogo ist Verlass, das hat er im Nationalteam mehrmals bewiesen. Der Wechsel zum FC Lorient in die Ligue 1 hat ihm gutgetan: Der 1.90 Meter grosse Goalie ist dort Stammspieler und zeitweise gar Captain. Mvogo verliess mit seiner Mutter Antoinette im Alter von sechs Jahren das Heimatland Kamerun. Dank seinem sonnigen Gemüt fand er sofort Freunde in der Schweiz.
Pascal Loretz (21)
Brasilianische Vorbilder: Er lässt sich von den Paraden seiner Torhüter-Idole Alisson (FC Liverpool) und Ederson (Manchester City) inspirieren – und er träumt von einem Engagement in England: Pascal Loretz. Der Krienser hat sich beim FC Luzern zum Stammspieler entwickelt. Laut dem Fachportal Transfermarkt.de hat der Absolvent der Spitzensport-RS in Magglingen einen Marktwert von vier Millionen Euro.
Marvin Keller (21)
Penaltykiller: Dieser Mann beweist Nerven: Innert zehn Tagen sorgt er als Torhüter des Challenge-League-Klubs FC Wil für nationales Aufsehen. Der in London geborene Aargauer hält am 11. September 2021 einen Penalty von Miguel Castroman (Thun). Am 21. September 2021 scheitert Marco Aratore (Aarau) an Keller. 2023 gewinnt das Goalietalent mit YB das Double, im Cupfinal gegen Lugano (3:2) steht Keller im YB-Tor.
Wie gehen Sie mit einem faulen Ei um, das Sie kassieren?
Das hake ich während der Partie möglichst schnell ab. Nehmen wir an, ich kassiere in der 89. Minute einen haltbaren Gegentreffer zum 1:1. Dann kann ich in der 90. Minute trotzdem noch der Held sein, wenn ich einen Penalty halte. Nach dem Spiel ärgert es mich noch ein, zwei Tage, und dann ist es wieder gut.
Ist Ihre Familie bei jedem Heimspiel dabei?
Nein, nur sehr selten. Weil wir sehr oft abends um 21 Uhr spielen. Das wäre zu spät für meine Töchter, die drei und vier sind. Wir hatten bis jetzt noch nie eine Nanny. Und sie verstehen es auch noch nicht wirklich. Am ehesten freuen sie sich über meine Trikotfarbe. Oder wenn ein Mitspieler am Boden liegenbleibt, sagen sie nachher, dass da einer Aua gehabt habe. Und sie können die Hymne unseres Vereins mitsingen.
Im Gespräch mit Spitzenkoch Andreas Caminada für sein Magazin schwärmten Sie davon, dass Sie ein guter Hausmann seien. Ist dem wirklich so?
Ja, das kann ich so bestätigen. Ich bin wirklich ein guter Hausmann. Ich beherrsche alles. Ich wasche, ich putze, ich koche.
Haben Sie einen Putzfimmel?
Nein, das nicht gerade. Aber ich habe gerne Ordnung. Wenn ich in ein Hotelzimmer komme, packe ich zuerst alles so aus, dass es für mich stimmt. Egal, wie lange wir bleiben. Mein Zimmer sieht immer gut aus. Weil ich mich schlecht entscheiden kann, nehme ich viel mit. Nebst den Kleidern sicher immer ein Buch, meinen Fotoapparat, ein iPad und Material zum Zeichnen, falls ich plötzlich Lust dazu habe.
Dann können Sie sich vorstellen, nach Ihrer Karriere zuerst Hausmann zu sein?
Ja, sicher. Ich glaube, dass es wichtig ist, einen geregelten Alltag zu haben, sich aber auch die nötige Zeit zu nehmen. Denn es fällt schon viel weg, vor allem die Anspannung, die einen als Profi begleitet. Das darf man sicher nicht unterschätzen.