Übrigens – die SonntagsBlick-Kolumne
Selbstversuch in der Kältekammer

Kältekammern sind im Trend. Nicht zuletzt dank Cristiano Ronaldo. Wie fühlt es sich an, bei minus 75 Grad? Die Kolumne von Felix Bingesser.
Publiziert: 07.07.2024 um 19:02 Uhr
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Aktualisiert: 08.07.2024 um 13:47 Uhr
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Cristiano Ronaldo friert mit seinem Sohn in der Kältekammer.
Foto: Instagram/cristiano

Es gab Zeiten, da war der Mensch froh, wenn der Kachelofen eingeheizt war und er sich in der warmen Stube von den Strapazen des Alltags erholen konnte. Und bei körperlichen Beschwerden hat man dann gerne noch einen warmen Wickel gemacht.

1959, als in den USA der Begriff «Wellness», eine Kombination aus «Wellbeing» und «Fitness», seine Reise um die Welt angetreten hat, wurde die Sauna zum Symbol des gesunden Lebensstils. Gutbetuchte haben sich das Klima im Keller ihres Hauses mit der hölzernen Schwitzstube aus Finnland selber erwärmt. Die Botschaft: Ein Besuch in der Sauna regt den Stoffwechsel an, stärkt die Abwehrkräfte und verbessert die Durchblutung. 

Heute scheint die Wärme aus der Mode gefallen. Schwitzen für die Gesundheit ist out. Seit einigen Jahren wird gefroren für die Gesundheit. In Eisbädern und vermehrt in Kältekammern. Möglichst frostig muss es sein. Doch die Botschaft der Gesundheitsindustrie ist dieselbe geblieben wie bei der Sauna: Ein Besuch in der Kältekammer regt den Stoffwechsel an, stärkt die Abwehrkräfte, verbessert die Durchblutung und aktiviert die Selbstheilungskräfte.

«Cold but cool» ist der Slogan. In meiner Erinnerung hat das schon in den frühen 80er-Jahren begonnen. Hat man als Fussballjunior einen Schlag erhalten, ist der Trainer mit dem Eisspray aufs Feld gerannt. Und hat so lange wild entschlossen drauflos gesprüht, bis der Oberschenkel von Frostbeulen übersät schockgefroren war.

Eine Kältekammer in der Villa

Heute wird der ganze Körper auf Eis gelegt. In der Kabine von Bayern München und anderen Topklubs stehen nicht nur Eisbäder, sondern auch Kältekammern. Cristiano Ronaldo hat sich in seiner Villa eine Kältekammer installieren lassen. Und auch vor der EM in Deutschland haben sich viele Nationen (offenbar auch die Schweiz) nach einer mobilen Kältekammer erkundigt.

Fündig geworden sind nur die Portugiesen. Wo sich die zwei Turniersenioren Ronaldo (39) und Pepe (41) zwischen den Partien in der Kältekammer von den Strapazen erholen, ihren Muskeln entspannen und ihre alternden Körper konservieren. 

Wie fühlt sich das an bei minus 75 Grad? Ein kleiner Selbstversuch (39 Franken für viereinhalb Minuten) bringt Aufschluss. Mit Schuhen, Handschuhen, Ohrwärmern und einer Schutzmaske gehts in die Kabine. Nach zwei Minuten beginnt man dann langsam, von einem Bein aufs andere zu hüpfen. Die Nase wird zur Eisheiligen, und die Körperbehaarung schaut aus wie eine Wiese im Morgentau. Aber die trockene Kälte ist erstaunlich gut auszuhalten.

Der Effekt: Nicht ganz überraschend erfrischend und belebend. Nach einer Stunde macht sich dann eine gewisse Müdigkeit bemerkbar. Was für das Versuchskaninchen in einem nicht programmgemässen Nachmittagsschläfchen geendet hat. Und das Ronaldo-Sixpack hat sich nicht ansatzweise gezeigt.

Die Portugiesen werden nicht zu den Europameistern, die aus dem Eis gekommen sind. Aber bei der bemerkenswerten Fitness von Ronaldo wird die Kältekammer eines der Puzzleteilchen sein. 

Erfolgsgarantien gibt es nicht. Das weiss auch Ronaldo, der bei dieser EM nur eines war: zu wenig cool.

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