Schnäuze, getrimmte Dreitagebärte oder Backenbärtchen, vorzugsweise gepaart mit weissen Turnschuhen, gelten gemeinhin als Ausdruck kleinbürgerlicher Biederkeit. Auch wenn gemäss neusten Umfragen 45 Prozent der Frauen Dreitagebärte sexy finden.
Trotzdem: Der richtige Mann trägt, wenn schon, einen Vollbart. Schon die alten Griechen glaubten zu wissen: Nur im Vollbart kommt die gottgleiche Männlichkeit zum Ausdruck.
Das zeigt sich auch bei den Spielen der georgischen Fussballer. Schwenkt die Kamera bei der Nationalhymne von Spieler zu Spieler, dann schwenkt sie von schwarzem Vollbart zu schwarzem Vollbart. Es wuchert und spriesst mit einer Ausnahme aus allen Poren. Gepaart mit dem grimmigen Blick zucken die Gegner schon vor dem Anpfiff zusammen. Da steht eine Guerillatruppe. Elf Freiheitskämpfer aus dem Kaukasus.
Wild, archaisch, entschlossen – die Georgier
Ein Mann ohne Bart ist wie ein Brot ohne Kruste. Und getreu diesem Motto treten die Georgier auch auf. Wild, archaisch, entschlossen. Fehlende fussballerische Klasse machen die Mannen vom Schwarzen Meer mit Kampfgeist und mannschaftlicher Geschlossenheit wett.
Sie kratzen und bürsten nicht nur ihre Barthaare, sondern auch ihre Gegner. Wer in der Fifa-Weltrangliste hinter den Kapverdischen Inseln und hinter Burkina Faso gelistet ist, der muss neben einem Vollbart auch Haare auf den Zähnen haben, um die europäische Elite ins Wanken zu bringen.
Georgische Geschichte der Unterdrückung
Georgien ist die Wiege Europas. Ausgrabungen haben ergeben, dass sich bei der Besiedelung Europas aus dem Süden die ersten Menschen auf diesem Kontinent in Georgien niedergelassen haben. Seither ist die Geschichte Georgiens auch eine Geschichte der Unterdrückung. Sich mit Haut, und vor allem Haar, zu wehren, gehört für die Georgier zur DNA.
Derzeit wird das dünn besiedelte Land mit nur 3,7 Millionen Einwohnern auch von innenpolitischen Spannungen erschüttert. Die konservativen Kreise säuseln mit Wladimir Putin, die anderen wollen sich gegen Westen öffnen.
Einer der Abgeordneten des Parlaments ist Micheil Kawelaschwili. Er hat einst beim FCZ, beim FC Basel, bei Aarau, Luzern und Sion eine fussballerische Tour de Suisse absolviert. Und hat bei einem Besuch von Blick-Journalisten vor fünf Jahren schon eine Vorahnung gehabt und dem georgischen Fussball eine rosige Zukunft vorausgesagt. «Wir haben viele hoffnungsvolle Talente.»
Beim Barte des Propheten: Auch die hoch favorisierten Spanier werden sich sputen müssen, wenn sie dem georgischen Märchen ein Ende bereiten wollen.
Wie hartnäckig Teams vom Kaukasus sein können, hat im Übrigen auch die Schweizer Nati schon erlebt. Die Schmach von Baku, die 0:1-Niederlage gegen Aserbaidschan in der WM-Qualifikation, gilt als eine der grössten Schlappen unserer Fussballgeschichte.
Diese Niederlage in seinem ersten Spiel war der Anfang vom Ende für Nationaltrainer Rolf Fringer. Hätte man damals den Penalty, der der Schweiz nach dem Rückstand zugestanden wurde, zum Ausgleich verwandelt, wäre es vielleicht anders gekommen.
Der Schütze des Penaltys damals? Murat Yakin!