Die bewegte Geschichte des EM-Aufsteigers
Nur dank einer Notlüge spielt Nico Williams für Spanien

Die bewegendste Geschichte dieser EM schreibt einer, der streng genommen gar nicht hier sein dürfte: Spaniens Super-Flügel Nico Williams.
Publiziert: 09.07.2024 um 13:45 Uhr
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Aktualisiert: 10.07.2024 um 09:22 Uhr
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Nico Williams ist eine der grossen Figuren der bisherigen EM.
Foto: Icon Sport via Getty Images
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Christian MüllerRedaktor Sport

Spanien-Flügel Nico Williams (21) ist kurz davor, in die Fussstapfen von Grössen wie Pavel Nedved (51, EM 1996) oder Wayne Rooney (38, EM 2004) zu treten – und zwar als grosser Aufsteiger dieser Euro. Als Entdeckung kann Williams nicht mehr bezeichnet werden, dafür war seine letzte Saison mit fünf Toren und 14 Assists in 31 Ligaspielen für Athletic Bilbao schon zu gut.

Trotzdem schiesst der Marktwert der Sturm-Rakete in diesen Tagen durch die Decke. Die im Vertrag festgeschriebene Ablöse von 58 Millionen Euro wirkt schon jetzt wie ein kolossaler Fehler des Klub-Managements. Bevor er sich entscheidet, ob er in Bilbao bleibt oder doch zu einer grösseren Adresse wie Barcelona oder Chelsea geht, soll der spanische EM-Lauf mit dem Titel gekrönt werden.

Die Notlüge der Eltern

Dass Williams überhaupt für die Iberer spielt, ist einer Notlüge seiner Eltern zu verdanken. 1993 verlassen Felix und Maria Williams ihre Heimat Ghana. Sie ist zu diesem Zeitpunkt – ohne es zu wissen – mit Nicos älterem Bruder Iñaki schwanger. Zu Fuss und auf Schlepperlastwagen gehts durch die Sahara. Ihre Fusssohlen sind noch heute taub, eine Erinnerung an die endlosen Wüstenmärsche. Als sie ihr Ziel, die spanische Enklave Melilla, endlich erreicht haben, werden sie beim Übersteigen des Grenzzauns verhaftet.

In dieser Notsituation greift das Flüchtlings-Ehepaar zu ebendieser Notlüge: Auf Empfehlung eines Anwalts der Hilfsorganisation Caritas geben Felix und Maria Williams an, aus dem Kriegsland Liberia zu kommen. So entgehen sie der Abschiebung zurück nach Afrika. In Spanien kommen sie nach Bilbao, wo sich ein Pfarrer um die Familie kümmert und Sohn Iñaki zum Fussball mitnimmt. Seither hat der 30-Jährige in 421 Partien 100 Tore für Athletic Bilbao erzielt.

Doch Iñaki macht dem Klub ein noch grösseres Geschenk: Weil Vater Felix aus beruflichen Gründen lange in London lebt, dient er als Ersatzvater für den neun Jahre jüngeren Bruder Nico, der ebenfalls bei Athletic Bilbao landet. Zusammen führt die Williams-Flügelzange Bilbao letzte Saison zur Copa del Rey. Für die Basken ist es der erste grosse Titel seit dem Skandal-Final 1984, als ein gewisser Diego Maradona gegen Bilbao die Nerven verlor und mit einer Schlägerei seinen Abgang vom FC Barcelona besiegelte.

Barcelona? Bilbao? Berlin!

Ob Nico Williams dieser berühmtesten Episode der Klubgeschichte weitere hinzufügen wird, ist fraglich. Am Montag geht Barcelona-Boss Laporta in die Offensive. «Ich mag Nico, sehr sogar. Finanziell könnten wir einen Transfer realisieren», sagt er im katalanischen Radio.

Lautet die Frage für Williams also Bilbao oder Barcelona? Vorerst dürften sich seine Gedanken eher um Berlin drehen. Nach dem Sieg im Halbfinal gegen Frankreich wird Williams sehr wahrscheinlich im EM-Final auflaufen.

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