Das Waldhotel in Stuttgart. Auf einer Anhöhe über der Stadt am Neckar gelegen. Ein idyllischer Ort, auch wenn das Wetter so schlecht ist wie in diesen Tagen in der schwäbischen Metropole. Es ist der Ruhe- und Kraftort der Nati, seit diese am 10. Juni nach Deutschland gereist ist.
Ruhig ist es auch in und rund um das Team. Kein Lagerkoller, keine falschen Gesten, keine Social-Media-Posts, keine Schlagzeilen. «Es tut schon einmal gut, dass wir keine Unruhe haben und uns auf den Fussball konzentrieren können», sagt Granit Xhaka am Tag nach dem Italien-Spiel. Er habe sich überlegt, «etwas zu machen», habe es dann aber sein lassen, so der Captain. Und lacht dabei herzhaft. Was er damit gemeint hat, verrät er nicht.
Doppeladler, blonde Haare, Grippevirus
In der Vergangenheit gab es an Turnieren rund um die Nati immer wieder Störfeuer – was viel mit Xhaka zu tun hatte. 2016 das emotionale Bruderduell gegen Albanien. 2018 der Doppeladler-Jubel beim Serbien-Spiel. 2021 der Besuch eines Tattoo-Studios vor dem Turnier – trotz Covid-Pandemie – und das Färben der Haare zusammen mit Manuel Akanji vor der 0:3-Abfuhr gegen Italien. Und auch 2022 sorgte das Verhalten des Captains im und nach dem Serbien-Spiel für Diskussionen.
«Keine Nebengeräusche» hatte sich Murat Yakin damals vor dem Turnier in Katar gewünscht. Dann schlich sich ein Virus in das Nati-Camp ein, das die halbe Mannschaft zumindest temporär flachlegte. Auch in dieser Hinsicht ist dem Team das Glück in Deutschland bislang hold. Breel Embolo gewann den Wettkampf gegen die Zeit, auch Steven Zuber ist wieder zurück, und die Adduktorenprobleme von Xhaka dürften ihn zumindest nicht an einem Einsatz gegen England hindern.
Klare Rolle, klare Hierarchien
Aber auch die Chemie innerhalb des Teams stimmt. Die Rollen und die Hierarchie sind klar geregelt. Spieler wie Gregor Kobel, Nico Elvedi, Noah Okafor, Denis Zakaria oder Xherdan Shaqiri, die noch keine oder nur eine Nebenrolle gespielt haben, sorgen nicht für Unruhe. Ein Stinkstiefel ist bislang nicht auszumachen, offensichtlich funktioniert die Selbsthygiene innerhalb des Teams. Und jetzt, wo es sportlich läuft, will sich niemand unbeliebt machen.
«Die Spieler sind sehr professionell. Der gute Teamgeist ist ein Verdienst von allen», sagt Nati-Direktor Pierluigi Tami. Und wenn der Moment komme, wann jemand aus der zweiten Reihe gebraucht würde, dann müsse dieser bereit sein. Xhaka nennt als Beispiel Fabian Rieder. Vor dem Turnier noch ein Wackelkandidat, hat er seine Chance gegen Deutschland genutzt. «Eine Aktion reicht, damit du EM-Geschichte schreiben kannst», sagt Tami. Dieser eine Moment könnte bereits am Samstag gegen England folgen.