Wer von Erlangen aus über Land Richtung Herzogenaurach fährt, erwartet nach jeder Kurve einen Bauernbetrieb, einen Landgasthof. Oder zumindest ein Reh oder einen Fuchs, der über die Strasse huscht.
Doch plötzlich, wie aus einem guten Science-Fiction-Film, erscheint eine moderne, neue Welt. Monumentale Gebäude sind am Horizont zu sehen, ein Parkhaus so gross wie ein Fussballstadion. Ein Mediencenter, das Platz für 250 Journalisten bietet, ein überdimensionaler Outlet-Store. Nebenan stehen die Hauptgebäude, die «Adidas Headquarters». 5300 Mitarbeiter arbeiten an diesem Ort. Mehr als ein Viertel der Bevölkerung von Herzogenaurach.
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Hier schlägt das Herz von König Fussball, hier hat die deutsche Nationalmannschaft ihr Quartier aufgeschlagen, hier sind die Bedingungen – anders als im Camp der Schweizer Nati – perfekt. Eigens für die Heim-EM hat Gastgeber Adidas ein Trainingsareal errichtet und Rasenplätze verlegen lassen. Auf grossem Gelände gibts Beachvolleyballfelder, Pingpongtische, einen Pool, einen Basketballplatz und hundert andere Möglichkeiten, um sich die Zeit zu vertreiben.
Wie Adi Dassler die Fussballwelt eroberte
Vor dem Haupteingang steht eine Statue zu Ehren von Adolf «Adi» Dassler. Der übernimmt vor fast 100 Jahren den Schuhmacher-Betrieb seines Vaters und wächst hinter Nike zum zweitgrössten Sportartikelhersteller der Welt heran. Über 20 Milliarden Euro Umsatz generiert der Konzern pro Jahr. Im Fussball gilt die Marke mit den drei Streifen noch immer als Mass aller Dinge.
Umso überraschender, dass der Deutsche Fussballbund (DFB) vor ein paar Wochen bekannt gibt, dass die Zusammenarbeit nach der WM 2026 beendet und die Mannschaft in Zukunft von Nike ausgestattet werden wird. Die bezahlen zwar fast doppelt so viel, der Aufschrei ist trotzdem gross. Selbst hochrangige Politiker melden sich zu Wort. Vizekanzler Robert Habeck sagt, dass er sich «ein Stück mehr Standortpatriotismus gewünscht» hätte.
Auch, weil Herzogenaurach untrennbar mit dem Aufstieg der Deutschen zur Fussballweltmacht verbunden ist. Hier, in der fränkischen Provinz, erfand Adi Dassler die Stollenschuhe. An der WM 1954, beim Wunder von Bern, ist er Zeugwart. Seine Schuhe sind im regnerischen Wankdorf ein nicht zu unterschätzender Vorteil, am Ende gewinnen die Deutschen gegen die hochfavorisierten Ungarn im legendären Final mit 3:2.
Auch Matthäus kommt aus Herzogenaurach
Auch einer der grössten Fussballer, den Deutschland hervorgebracht hat, stammt aus dem fränkischen Provinz-Kaff: Lothar Matthäus. Der kickt bis 18 noch beim 1. FC Herzogenaurach, ehe er sich aufmacht, die Fussballwelt zu erobern.
Mit Adidas aber hatte Matthäus nichts am Hut. Sondern mit Puma. Der Firma, wo sein Vater Hausmeister war. Dem zweiten grossen Weltkonzern, der in der fränkischen Provinz beheimatet ist.
Bemerkenswert für einen Ort, der auf den ersten Blick wie ein Niemandsland wirkt.