Es dauert nach dem Schlusspfiff nicht zehn Sekunden, bis die Kameras Cristiano Ronaldo fixieren. Der Superstar nach der Niederlage am späten Sonntagabend ist interessanter als die Belgier bei einem ihrer grössten Siege. Ronaldo wirft mit feuchten Augen seine Kapitänsbinde zu Boden, sinkt auf die Knie. Dann kurz Siegtorschütze Thorgan Hazard – und sofort der Schwenk zurück zu Ronaldo.
Fussball-Europa will sehen, wie der fünffache Weltfussballer und letzte Europameister auf das EM-Aus reagiert. Und mögliche Zeichen deuten. Denn Ronaldo ist 36-jährig. Ob das Aushängeschild Portugals bei der nächsten Austragung im Sommer 2024 noch dabei ist?
Einer spürt, dass sich Ronaldo in diesem Moment vielleicht ähnliche Fragen stellt, dass er Trost braucht: Belgiens Romelu Lukaku. CR7 bekommt von ihn eine lange Umarmung und tröstende Worte. Ronaldo hört zu, lächelt, dankt. Sind es Abschiedsworte? Sie dringen nicht an die Öffentlichkeit.
Das sagt Ronaldo am Tag nach dem Aus
Mehr als weitere Zeichen des Frustes (Ronaldo schmeisst die Kapitänsbinde erneut zu Boden und kickt sie mehrmals Richtung Kabinengang) kriegen die Fans zum Deuten nicht vorgesetzt. Denn der Superstar tritt nicht vor die Medien. Erst am nächsten Morgen meldet er sich über Instagram. Von Abschiedsworten keine Spur, im Gegenteil: «Wir werden stärker zurückkommen. Hopp Portugal!»
Dass er auch in hohem Fussballer-Alter erstaunlich fit ist, beweist der Mann von der Atlantik-Insel Madeira bei dieser EM. Er lässt die Rekorde purzeln: Als Einziger wird er an fünf Europameisterschaften eingesetzt. Mit seinen fünf Toren in der Gruppenphase hat er immer noch Chancen auf die Torjäger-Krone. Dadurch erreicht er die Weltrekord-Marke von 109 Toren in der Nationalmannschaft (zusammen mit dem Iraner Ali Daei). Und er macht sich zum besten Torschützen an grossen Turnieren (21 EM- und WM-Tore) vor Miroslav Klose (19).
Im verlorenen Achtelfinal gegen Belgien produziert er zwar nicht Chancen am Laufmeter, aber spielt durch und packt bei einem Freistoss seinen gefährlichen Flatterball (25.) und in der zweiten Halbzeit ein Tempodribbling auf dem Flügel aus, das zur Chance von Jota führt (58.).
Alle Augen auf ihn an der EM
Natürlich bietet Ronaldo mehr als nur sportliche Aktionen. Er polarisiert! Für die Schauspiel-Einlage im Achtelfinal bei der Aktion, als er mit dem Kopf in die Schulter von Meunier prallt (22.), erntet er Spott.
Bei der Nationalhymne steht Ronaldo weiterhin schräg hin, um die Portugal-Flagge zu sehen. Bei vergebenen Chancen seiner Teamkollegen verwirft er auch als 36-Jähriger noch die Hände.
In der Gruppenphase sorgte er mit dem demonstrativen Wegstellen der Cola-Flaschen an der Medien-Konferenz für eine Kettenreaktion unter den Spielern, für Schmunzeln unter den Fans, für einen Aktien-Sturz bei der Marke und für Verärgerung beim Veranstalter.
Bei der letzten EM führte er Portugal zum Titel. Jetzt ist er trotz Achtelfinal-Aus auch bei dieser EM eine Hauptfigur. Wie geht die Geschichte weiter? (str)