Beim FC Breitenrain, den man in Bern eigentlich nur als «Breitsch» kennt, ist alles etwas anders. Man kultiviert sein Image als DEN Quartierklub schlechthin nachhaltig. Man hat wohl einen Präsidenten (Claudio A. Engeloch), aber nichts Neumodisches wie einen CEO. Auch keinen Geschäftsführer. «Als Person nicht, nein», sagt Andri Rüegsegger (30). Und er muss es wissen, denn er ist derjenige, der diesen Job in einem Achtzig-Prozent-Pensum versieht. Als Leiter Geschäftsstelle. So weit so gut – und unspektakulär.
Gibt es überhaupt einen guten Zeitpunkt gegen YB?
Doch: Rüegsegger ist selber noch Spieler im Fanionteam. Gut, seine Einsatzzeiten diese Saison halten sich in Grenzen: Drei und 12 Minuten hat der Mittelfeldspieler bislang gekriegt. Auch in der letzten Spielzeit war er primär Kurzarbeiter. Aber der Ur-Breitscher gehört zum Team, das YB rausschmeissen will. Am Freitag, einem Termin fünf Tage vor dem Champions-League-Playoff-Hinspiel, der nicht ungeeignet erscheint. «Aber gibt es überhaupt einen guten Zeitpunkt, um gegen YB zu spielen?», sagt Rüegsegger. Die Frage ist rhetorisch. «Das Gerangel in deren Kader ist riesig. Jeder, der gegen uns auf dem Platz stehen wird, will sich für Mittwoch aufdrängen.»
Breitenrain darf nicht aufsteigen
Und dann kann das Spiel auch nicht auf dem legendären Sportplatz Spitalacker (die YB-Heimstätte von einst mit drei Meistertiteln 1909 bis 1911) steigen, wie 2017, als man bei einem gigantischen Volksfest 0:3 verlor. «Spitz» nennen sie das kleine Stadion mit der denkmalgeschützten Tribüne in Bern bloss. Im Moment ist er aber eine Grossbaustelle, weil ein neuer Kunstrasen verlegt wird. So gehts ins Wankdorf. 10'000 Tickets sind bereits verkauft. «Ich hoffe auf 15'000 Fans», sagt Rüegsegger. Und auf entsprechende Einnahmen. Denn Breitsch ist nicht auf Rosen gebettet. Trotz sportlichen Grosstaten. Zweimal ersuchte man um die Lizenz für die Challenge League, war ganz vorne mit dabei. Zweimal vergebens, weil der Spitz den Liga-Anforderungen nicht entspricht. «Und das wird sich für lange Zeit nicht ändern. So gehen wir in eine Saison, in der es keine Rolle spielt, ob wir Zweiter oder Siebter werden. Das ist schon ein wenig absurd.»
Bei Haching kickt der Sportchef auch im Fanionteam
Im Cup freilich ists anders. 2017 war Rüegsegger Zuschauer, fehlte verletzungsbedingt. Total dreieinhalb Jahre. Die Kreuzbänder. Komplikationen. Vier Operationen. Das kostete ihn auch sein Sportstudium. «Ich kann wohl wieder Fussball spielen. Aber die Bewegungsfreiheit ist derart eingeschränkt, dass ich nicht mehr in die Knie gehen kann. Und das muss man fürs Studium.»
Spieler der ersten Mannschaft und leitender Angestellter des Klubs. Keine übliche Kombination. «Ich kenne jedenfalls keinen zweiten, der das macht.» Etwas Ähnliches gibt es aber zum Beispiel bei der Spielvereinigung Unterhaching, die in Deutschlands 3. Liga spielt. Das ist die dritte Division von oben, die auch als Profi-Liga strukturiert ist. Deren Sportlicher Leiter ist ein gewisser Markus Schwabl, Sohn von Präsident Manfred, dem einstigen Bayern-, Nürnberg und 1860-Star und viermaliger Nationalspieler. Schwabl junior ist nämlich selber Spieler, hat zum Beispiel bei der 3:0-Pokalsensation gegen Bundesligist Augsburg einen Assist geleistet. Und Kapitän Josef Welzmüller ist Technischer Leiter und sagte nach dem Coup: «Der Buchhalter in mir ist auch glücklich.»
Rüegsegger wird das wohl mit einer kleinen Einschränkung auch sagen können. Nur der Buchhalter in ihm dürfte glücklich sein.