St. Gallen-Trainer Peter Zeidler über seinen umstrittenen Goalie-Wechsel
«Watkowiak ist ein erwachsener Mann mit Bart»

Die ganze Ostschweiz träumt vom ersten St. Galler Cupsieg seit 1969. Trainer Peter Zeidler über Kaffee-Einladungen, den Europacup-Traum, die Goalie-Frage und die Chance auf seinen ersten Titel als Profi-Coach.
Publiziert: 12.05.2022 um 16:54 Uhr
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Der Druck fällt ab: St. Gallen-Trainer Peter Zeidler (M., mit Assistent Boro Kuzmanovic) feiert im Halbfinal in Yverdon den Einzug in den zweiten Cupfinal in Folge.
Foto: keystone-sda.ch
Matthias Dubach

Blick: Steht Präsident Matthias Hüppi eigentlich täglich in Ihrem Büro?
Peter Zeidler: Warum meinen Sie?

Um Ihnen Druck zu machen, aus finanziellen Gründen den Cup zu gewinnen und in den Europacup einzuziehen.
Einen Druck gibt’s überhaupt nicht. Aber wir alle im Verein haben den gemeinsamen Traum vom Europacup. Natürlich auch Matthias Hüppi, er ist einer unserer grössten Fans. Die Europa-League-Kampagne von 2013 mit den Spielen in Moskau und Valencia ist noch immer präsent. Mal wieder auf eine Europacup-Reise gehen zu dürfen, treibt uns alle an.

Dafür muss der Cupsieg her. Der letzte St. Galler Triumph datiert von 1969, da waren Sie erst sechs Jahre alt!
Trotzdem spielte ich damals bereits Fussball (lacht). Noch nicht im Verein, in diesem Alter konnte man sich zu jener Zeit noch gar nicht anmelden. Als Kind habe ich natürlich vor allem die Pokalfinals in Deutschland miterlebt. Doch nun ist St. Gallen wieder dabei, es wird eine grosse Sache.

Wie nehmen Sie das Cupfieber in der Ostschweiz wahr?
Ich habe es nicht in dieser Dimension erwartet. Die Spieler und ich spüren die Euphorie enorm. Es ist ganz anders als letztes Jahr, als wir wegen Corona vor leeren Rängen spielten. Wenn ich einen Kaffee trinken gehe, will mich immer jemand einladen. Es ist eigentlich verrückt, dass dieses einfache Elf-gegen-Elf-Spiel eine solche soziale Bedeutung hat. Und wir haben auch Spieler aus der Region dabei. Fazliji aus dem Rheintal, Stergiou aus Wattwil, von Moos aus Romanshorn. Ich will nicht zu sehr Romantiker sein, aber das macht es bei uns schon besonders.

Peter Zeidler persönlich

Der St. Gallen-Trainer kommt 1962 in Schwäbisch Gmünd auf die Welt. Eine Karriere als Profifussballer ist nie ein Thema. Zeidler studiert Sport und Französisch, wird Lehrer. Trotzdem findet der Schwabe den Weg in den Fussball. Jahrelang neben dem Lehrer-Job bei kleinen Klubs in Baden-Württemberg, bei Stuttgart oder Nürnberg im Nachwuchs als Cheftrainer oder Co-Trainer. Doch die private Freundschaft aus dem Gymnasium mit Ralf Rangnick macht aus Zeidler doch noch einen Profi-Coach. Rangnick holt ihn zu Hoffenheim, dann auch ins Red-Bull-Imperium nach Salzburg, wo Zeidler das Farmteam FC Liefering zum Aufstieg in die 2. Liga coacht. Dann ist es Sion-Boss CC, der 2016 Zeidler in die Schweiz holt. Via Sochaux landet der bald 60-Jährige in St. Gallen, wo er seit 2018 arbeitet und mit seinem bis 2025 laufenden Vertrag auf bestem Weg zu einer Klublegende ist.

Der St. Gallen-Trainer kommt 1962 in Schwäbisch Gmünd auf die Welt. Eine Karriere als Profifussballer ist nie ein Thema. Zeidler studiert Sport und Französisch, wird Lehrer. Trotzdem findet der Schwabe den Weg in den Fussball. Jahrelang neben dem Lehrer-Job bei kleinen Klubs in Baden-Württemberg, bei Stuttgart oder Nürnberg im Nachwuchs als Cheftrainer oder Co-Trainer. Doch die private Freundschaft aus dem Gymnasium mit Ralf Rangnick macht aus Zeidler doch noch einen Profi-Coach. Rangnick holt ihn zu Hoffenheim, dann auch ins Red-Bull-Imperium nach Salzburg, wo Zeidler das Farmteam FC Liefering zum Aufstieg in die 2. Liga coacht. Dann ist es Sion-Boss CC, der 2016 Zeidler in die Schweiz holt. Via Sochaux landet der bald 60-Jährige in St. Gallen, wo er seit 2018 arbeitet und mit seinem bis 2025 laufenden Vertrag auf bestem Weg zu einer Klublegende ist.

Unerkannt aus dem Haus gehen ist unmöglich?
Ja, aber das macht mir nichts aus. Mir hat noch nie jemand was Böses gesagt. Mit mir gab’s zwar oft gute Phasen, aber auch weniger gute mit einigen sieglosen Spielen. Wie zuletzt in der Vorrunde. Doch auch dann kommt keiner und sagt: «Was spielt ihr für einen Mist?»

Dass Sie anstelle von Lawrence Ati Zigi im Tor Lukas Watkowiak spielen lassen, könnte bei einer Niederlage aber den einen oder anderen Fan verärgern.
Wir stehen zu unseren Abmachungen. Zigi spielt in der Liga, Lukas im Cup. Ich habe keine Bedenken. Lukas ist ja kein Jungspund mehr, er ist ein erwachsener Mann mit Bart (schmunzelt), ein gestandener Profi, der mit der Situation umgehen kann – und vor allem ist er ein sehr guter Goalie, in den wir vollstes Vertrauen haben.

Löst die Leidenschaft der Fans nie Druck aus?
Es gibt solche Momente. Im Halbfinal gegen Yverdon habe ich die Verantwortung gespürt (Zeidler drückt sich mit den Händen auf beide Schultern, d.Red.). Noch zur Pause stand es 0:0. Da dachte ich an die vielen tausend Fans, die wir bei einer Niederlage bodenlos enttäuschen würden. Doch nun stehen wir wieder im Final.

Wie Sie es ja nach dem verlorenen Final 2021 angekündigt hatten.
Das war nur ein flotter Spruch. Es war total trist. Das Stadion war leer, wir haben schlecht gespielt und klar verloren. Aber vielleicht hilft uns nun diese Erfahrung. Die Spieler haben es selber immer wieder gesagt, dass sie unbedingt wieder nach Bern wollen.

Ist es Ihr erster oder Ihr dritter Cupfinal?
(schmunzelt) Es ist mein zweiter, alles andere wäre gegenüber Luzern nicht fair. Sie haben uns verdient geschlagen, auch wenn keine Fans dabei waren. Dass ich bei Sion kurz vor dem Final gehen musste, hat gewiss weh getan. Aber damals habe ich sogar alles unternommen, um nichts vom Final (Basel bezwang 2017 Sion, d.Red.) mitzukriegen.

Ihnen winkt der erste Titel als Trainer.
Das spielt keine Rolle. Wichtig wäre der Titel für den FC St. Gallen. Aber Moment: Mit Aalen und der U21 von Stuttgart war ich mehrfach württembergischer Pokalsieger (lacht). Den Aufstieg mit Hoffenheim in die Bundesliga kann man sicher am ehesten noch vergleichen mit einem Schweizer Pokalsieg. Auch, weil ich damals dafür meinen Lehrer-Job aufgegeben hatte. In die 1. Liga aufzusteigen war eine grosse Sache, wir haben mit 2000, 3000 Fans im Festzelt gefeiert. Aber in St. Gallen kämen mindestens fünfmal so viele in die Innenstadt.

Mit den sechs Neuzugängen der Winterpause spielt St. Gallen auf Spitzenniveau. Wer war der wichtigste Neuzugang?
Das ist Quintilla. Weil er wieder so spielt, wie wir uns das von ihm gewohnt sind und weil er auch seine Teamkollegen besser macht. Wir haben nun wieder die Spieler für unsere Art von Fussball.

Ihre Mannschaft sorgt oft für Spektakel, wie auch Sie an der Linie. Ein bewusst gewähltes Stilmittel?
Was mich betrifft: Ich bin ruhiger geworden. Aber es ist auch wichtig für die Spieler zu sehen, dass ich mitlebe. Dass wir als Mannschaft so spielen, mag spektakulär sein, aber für mich ist es einfach der beste Weg zum Erfolg. Ich habe das Glück, dass unsere Fans den Plan verstehen und auch noch nach einem Unentschieden applaudieren. Doch natürlich ist mir klar, dass die Stimmung nach ein paar Niederlagen abkühlen würde. Aber momentan macht es sehr viel Spass!

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