Irgendwie gab es diese Vorahnung. Kein VAR beim Cup-Halbfinal Sion gegen Lugano? Obwohl die Anlage im Tourbillon seit der ersten Sekunde steht, in der sie in der Schweiz zum Einsatz kam? Und im anderen Halbfinal bei Winterthur gegen Servette schon? Das ist eigentlich ein schlechter Witz. Und ein Skandal.
Denn prompt: 49. Minute. Zweikampf Doumbia gegen Souza. Beide fallen. Ref Urs Schnyder zeigt rund 15 Meter vom Tatort entfernt stehend auf den Punkt. Obwohl er eigentlich Zweifel gehabt haben müsste. Und deshalb ohne das Regulativ VAR nicht hätte pfeifen dürfen. Und dann decken die TV-Bilder auf: Es ist Doumbia, der Souza foult. Celar ist das egal, der Slowene bucht eiskalt das 2:0. Schon das sechste Cuptor des Wettbewerbs-Topskorers.
Das Spiel kippt auf die Seite der Tessiner, die das Ding souverän nach Hause schaukeln und zum dritten Mal in Folge im Cupfinal stehen. Da nützt auch die nun überkochende Stimmung im Tourbillon nichts mehr. Auch nicht das Volksfest der 14'200 Glücklichen, die ins Tourbillon durften. Gewollt hatten 25'000 …
Live-Musik und Fendant in Strömen sorgen für eine Art Retro-Atmosphäre. Von irgendwann, als Sion eine Macht war. Nicht wie in der letzten Spielzeit, als sich 4000 im Tourbillon zum Viertelfinal gegen die Luganesi verloren, die Hardcore-Fans der «Gradin Nord» das Spiel aus Protest gegen Präsident Christian Constantin boykottierten und dieser höchstpersönlich an der Linie stand, weil er kurz zuvor Trainer Fabio Celestini geschasst hatte. Und Mattia Croci-Torti sich erinnert, dass er damals unter weit grösserem Druck gestanden habe, weil es nicht angegangen wäre, gegen ein Team mit einem Präsidenten an der Linie zu verlieren.
Saipi rettet Lugano
Heute ist alles anders. Sion ist auf dem Weg zurück in die Super League. Zumal Konkurrent Thun beim 0:0 in Nyon zwei Punkte hatte liegenlassen. Mitunter auch diesen News beflügelt die Walliser derart, dass sie die Startphase nach Belieben dominieren und Saipi schon nach drei Minuten gegen Sorgic eine Weltklasse-Parade auspacken muss, um das frühe Gegentor zu verhindern. Zwei weitere Male muss er in den ersten sechs Minuten eingreifen. Es ist Einbahn-Fussball. Sion spielt das seit zehn Spielen ungeschlagene Lugano an die Wand! «Da hätten wir ein Tor machen müssen», sagt auch Dejan Sorgic. Machen die Walliser aber nicht.
Und so gleicht sich das Spiel allmählich aus. Qualitativ ist es sackstark. Besser als die meisten Super-League-Spiele. Und es bekommt in Halbzeit eins doch noch seine Knaller. Sekunden vor dem Pfiff flankt Doumbia, Celar legt grossartig für Cimignani auf, der die Kugel aus 20 Metern mit einem sensationellen Aussenrist-Volley ins Netz jagt. Supertor! Das allerdings das Spiel auf den Kopf stellt. Sion ist nun gefordert. Die Fortsetzung mit dem VAR-Skandal ist bekannt.
«Ziehen verdient in den Final ein»
Renato Steffen zum Finaleinzug: «Wir wussten, dass wir in der Startphase werden leiden müssen, da hatten wir einen guten Goalie. Aber wir wussten auch, dass Sion das nicht neunzig Minuten durchziehen kann. Unter dem Strich ziehen wir verdient in den Final ein. Früher wären wir zu Beginn in ein Tor gelaufen. Heute nicht mehr. Und wenn wir mal führen, ist es gegen uns ganz schwer. Wir sind eben sehr stark.»
So geht Selbstvertrauen! Einfach aufpassen, dass es nicht auf die andere Seite kippt, liebe Tessiner.