Basler Horrorstunde
Wie der FCB einst statt in New York in Carouge gestrandet ist

Überraschend viel verbindet den FC Basel mit Cupgegner Etoile Carouge. Ein Aufstieg – und das spektakuläre Scheitern eines irrwitzigen Projekts.
Publiziert: 15:49 Uhr
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Keine gute Zeit in Basel: Jörg Berger (†2010) soll den FCB 1997 zum Meistertitel coachen. Am Ende steigt der Club beinahe ab.
Foto: Keystone

Auf einen Blick

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Florian RazReporter Fussball

Carouge, das ist für den FC Basel ein Freudenort. Am Genfersee stieg der FCB 1994 nach sechs Jahren in der Zweitklassigkeit endlich wieder auf. Carouge, das ist aber auch der Ort, an dem die Basler mit einem der aufregendsten und zugleich irrwitzigsten Projekte des Schweizer Fussballs krachend scheiterten.

Es ist ein riesiger Scherbenhaufen, vor dem René C. Jäggi am 5. Oktober 1997 im Stade de la Fontenette steht. Nichts weniger als den Meistertitel hat der damalige Präsident des FC Basel angreifen wollen. Stattdessen kommt sein Team nach einem 1:2 gegen Etoile Carouge nach 14 Runden auf bloss 8 Punkte. Immerhin: Jäggi gelingt trotz der tristen Lage ein wunderbares Sprachbild. «Ich wollte mit der Concorde nach New York. Jetzt stehe ich mit dem Velo in den Langen Erlen.» Die Langen Erlen sind ein Basler Naherholungsgebiet ohne grossen Glamourfaktor.

Mit Maurizio Gaudino kommt ein Star nach Basel

Genau den aber will Jäggi damals nach Basel holen. Der FCB soll nach jahrzehntelanger Erfolglosigkeit endlich wieder eine richtig grosse Nummer werden in der Schweiz. Und der Präsident richtet mit der ganz grossen Kelle an. Den ganzen Mai über dauert die Transfersaga um Maurizio Gaudino. Der ist in der Bundesliga ein Star. Ein klassischer Zehner, 1992 mit Stuttgart deutscher Meister geworden.

Am Ende kommt nicht nur Gaudino. Jäggi holt auch noch Oliver Kreuzer von Bayern München und Jürgen Hartmann vom Hamburger SV. Mit Jörg Berger soll ein weiterer Deutscher als Trainer den Erfolg nach Basel bringen. Das Ganze nennt sich «Bundesliga-Konzept». Basel ist schockverliebt, bevor die Saison überhaupt begonnen hat.

Leider stellt sich rasch heraus, dass Berger alles andere als ein Konzept-Trainer ist. Von seiner Ansprache vor dem ersten Heimspiel der Saison ist folgende Ansprache überliefert: «Wir haben Gaudino! Wir haben Zuffi! Wir haben Huber! Wen haben die? Niemand!» Danach spielt sein Team gegen Etoile Carouge vor 12’000 konsternierten Fans 0:0.

«Jetzt haben sie auch Berger abgeschossen – ihr einziger Sieg»

Viel besser werden die Auftritte nicht. Und als der FCB im Rückspiel in Carouge die zehnte Saisonniederlage fasst, landet das Bundesliga-Konzept in der Mülltonne. Berger muss gehen. Aber nicht ohne zuvor noch alle Schuld seinen Spielern zuzuschieben. Schweizer Fussballer hätten «ein Problem in der Einstellung zum Beruf», sagt er an seiner Abschieds-Medienkonferenz. Jäggi zürnt in Richtung der Spieler: «Jetzt können sie einen weiteren Strich auf den Revolvergurt machen. Jetzt haben sie auch Berger abgeschossen – es war ihr einziger Sieg in dieser Saison.»

Vizepräsident Mario Cueni will sogar prüfen lassen, ob einzelnen Spielern «vereinsschädigendes Verhalten» nachgewiesen werden kann. Rechtsverteidiger und FCB-Legende Massimo Ceccaroni bleibt da bloss die Feststellung: «Jetzt sind wir die Deppen.»

Und weil der FCB immer staatstragend ist, meldet sich mit Stefan Cornaz auch noch ein Regierungsrat zu Wort: «Die Misserfolge sind schlecht für das Selbstbewusstsein der Stadt und ein Rückschlag im ewigen Kampf der Stadt Basel gegen die Zweitklassigkeit.»

36’500 sehen den Abstiegskampf gegen Solothurn

Diesen Kampf gegen die Zweitklassigkeit kostet der FCB danach bis zur letzten Sekunde der Saison aus. Erst im letzten Spiel der Abstiegsrunde retten sich die Basler mit einem 3:0 gegen den FC Solothurn vor 36’500 Zuschauenden im alten St.-Jakob-Stadion, in das aus Sicherheitsgründen nicht mehr Menschen hineingelassen werden.

Maurizio Gaudino trifft per Penalty und geht danach zurück in die Bundesliga zu Bochum. Jürgen Hartmann hört Ende Saison mit dem Fussball auf. Vom Bundesliga-Konzept bleibt nur Oliver Kreuzer, der schliesslich im September 2001 zurücktritt. Also mitten in jener Saison, an deren Ende der FCB erstmals nach 22 Jahren wieder den Meistertitel gewinnt und erst noch den Cup holt.

Es ist auch die letzte Saison von René C. Jäggi als FCB-Präsident. Er beendet sie mit einem Tanz auf einem Tisch in einer Basler Beiz, der schliesslich unter der Last von Jäggi, Ceccaroni und Pokal zusammenbricht.

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