Mit Alessandro Alunni Bravi (48) kehrt an der Spitze des Sauber-Rennstalls ein Stück Monisha Kaltenborn zurück. Denn wie die frühere Teamchefin ist auch der Italiener gelernter Anwalt. Das hört man auch. Alunni Bravi redet wie Kaltenborn nüchtern, sachlich, etwas steif und geschliffen, als er sich am Vortag der Testfahrten in Bahrain via Video-Schaltung bei Blick meldet.
Der Jurist mit Benzin im Blut ist bei Alfa-Sauber Nachfolger des jovialen Fred Vasseur (54), der neu Ferrari-Teamchef ist: «Das ist mein Traumjob!» So gegensätzlich Vasseur und der Italiener sind: Das Duo hat im Nachwuchs-Motorsport schon jahrelang eng zusammengearbeitet, als Vasseur 2017 bei Sauber auf Kaltenborn folgte.
«Fred hat mich dann auch bei Sauber vorgeschlagen», sagt Alunni Bravi, der in Hinwil bis zum Geschäftsführer der Sauber-Gruppe aufstieg und die Firma in- und auswendig kennt.
Einen Teamrepräsentanten gabs in der F1 noch nie
Jetzt tritt er ins Scheinwerferlicht. Alunni Bravi ist neu das Gesicht von Alfa-Sauber in der Öffentlichkeit. Er ist an allen Grands Prix vor Ort. Aber nicht als Teamchef – Alunni Bravis zusätzlicher Job neben der Geschäftsführung heisst offiziell Teamrepräsentant.
So einen Job gab es in der Formel 1 noch nie. Ist der neue Mann nur ein Grüssaugust fürs Fahrerlager ohne echte Kompetenzen? Alunni Bravi winkt ab und sagt: «Es geht nicht um die Job-Bezeichnung, es geht um die Funktion. Wir haben die Aufgaben auf drei Personen aufgeteilt.» Neben ihm sind das F1-Urgestein Beat Zehnder als Sportdirektor und der Spanier Xevi Pujolar als Chefingenieur.
Alunni Bravi: «Das ist eine effiziente Methode, ein Team zu führen. Der klassische Teamchef mag eine Tradition in der Formel 1 sein, aber der Sport ist sehr komplex geworden. Auch andere Rennställe haben die Aufgaben gesplittet, selbst wenn sie noch an der Bezeichnung Teamchef festhalten.»
Wer das letzte Wort hat, ist genau geregelt
Drei Chefs an der Rennstrecke – und daheim in Hinwil sitzt auch noch Andreas Seidl (47) als neuer Sauber-CEO. «Wir sind ein Team und arbeiten enorm eng zusammen», versichert der Teamrepräsentant.
Doch wer entscheidet, wenn es hart auf hart kommt? Vorher war das Vasseur. «Es ist alles ganz klar intern geregelt, wer bei welcher Entscheidung das letzte Wort hat», sagt Alunni Bravi. Man glaubt ihm als Jurist aufs Wort.
Mit Vasseur zu Ferrari mitzugehen, war für den Italiener nie ein Thema. «Ich wollte bleiben, um das Team weiterzuentwickeln.» Und Alunni Bravi ist nach Jahrzehnten im Motorsport als Fahrer- und Nachwuchsteam-Manager, Berater, Teamgründer und -betreiber sowie als Chef der Sardinien-Rallye auch längst in der Schweiz heimisch geworden.
Alunni Bravis Sohn wächst im Tessin auf
Als er für die Genfer Management-Firma von Nicolas Todt arbeitet, zieht Alunni Bravi 2011 mit seiner Frau und seinem heute 13-jährigen Sohn nach Lugano. «Ich habe auch noch eine Wohnung in Wetzikon. Aber das Tessin ist unsere Familienbasis. Wir schätzen das Leben in der Schweiz sehr, es ist der perfekte Mix zwischen Italien und der Schweiz», sagt er.
Kaum im neuen Job musste der Teamrepräsentant aber auch schon Kritik einstecken. Der Grund: der neue Titelsponsor «Stake». Der soll zwar rund 10 Millionen Euro pro Jahr einbringen, stammt aber aus der umstrittenen Krypto-Branche, zudem existieren für den Sportwetten-Anbieter in vielen GP-Orten Werbeverbote.
Alunni Bravi: «Die Werbeeinschränkungen in einigen Ländern sind uns bewusst. Stake ist aber eine Lifestyle- und Entertainment-Marke inklusive einer Livestreaming-Plattform. Es geht nicht nur um Wetten. Es gibt 5 Millionen registrierte User. Wir wollen ihnen die Formel 1 näher bringen und neue Fans gewinnen.»
Diese gewinnt man aber auch ohne Internet-Offensive – wenn der neue C43 schnell genug ist.