Bernie und Benoit: Freunde fürs Leben
Blick-Legende plaudert aus dem Nähkästchen

Die Formel 1 ohne Bernie? Seit 2017 Realität. Die Formel 1 ohne Benoit? Hoffentlich noch lange nicht. Hier spricht die Blick-Reporter-Legende über seine Freundschaft zu Ecclestone.
Publiziert: 18.06.2024 um 10:20 Uhr
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Aktualisiert: 18.06.2024 um 12:39 Uhr
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Kennen und schätzen sich seit Jahrzehnten: Roger Benoit und Bernie Ecclestone.
Foto: Lukas Gorys
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Daniel LeuStv. Sportchef

Lieber Roger, ich möchte heute mit dir über Bernie Ecclestone reden. Würdest du ihn als deinen Freund bezeichnen?
Roger Benoit: Mit dem Wort Freund muss man behutsam und sparsam umgehen, aber ja, er gehört zu meinen Freunden, und auch er schätzt unsere regelmässigen Gespräche sehr.

Demzufolge musst du es ja wissen: Wer ist dieser Bernie Ecclestone?
(Überlegt lange) Ein früherer Occasionshändler, der neben eingeschlagenen Bomben aufgewachsen und schon während der Schulzeit ein Geschäftsmann geworden ist. Er hat sich damals günstig Äpfel, Bleistifte und Brötchen besorgt und sie dann auf dem Schulhof an seine Mitschüler teurer verkauft. Mit zehn hatte er bereits zwei Leute angestellt, die ihn beschützten, weil er wegen seiner fehlenden Grösse Angst hatte, beklaut zu werden. Der Geschäftssinn lag ihm schon früh im Blut. Eine Episode zeigt wohl am besten, wie er tickt und wer er ist.

Welche?
Als nach einer Party ein Gast heimfahren wollte, bemerkte dieser einen Platten an seinem Auto. Da sagte ihm Bernie: «Am besten kaufst du dir gleich ein neues Auto.» Unglaublich, aber wahr: Er hat ihm an diesem Abend tatsächlich ein Auto verkauft. Für Bernie war bei seinen Geschäften aber eines immer wichtig: Am Schluss mussten beide Seiten happy sein.

Auf eine Zigarre mit Roger Benoit

Er kennt die Formel 1 wie kein anderer Journalist: Blick-Reporter-Legende Roger Benoit. Seit 1967 schreibt er für Blick, ab 1970 vorwiegend über die Formel 1. Mittlerweile hat er von über 808 Rennen berichtet, verfasste rund 90 GP-Berichte aus Zürich und war bei rund 1000 Testtagen dabei.

In unserer Serie «Auf eine Zigarre mit Blick-Benoit» blickt der heute 75-Jährige auf über ein halbes Jahrhundert Formel-1-Erfahrung zurück. Frauen, Partys, Streiche – was der leidenschaftliche Zigarrenraucher in dieser Zeit erlebt hat, ist heute unvorstellbar. Hier erzählt er nun regelmässig seine besten Anekdoten. Und zwar so, wie man ihn kennt (und fürchtet): direkt, ehrlich, pointiert.

Er kennt die Formel 1 wie kein anderer Journalist: Blick-Reporter-Legende Roger Benoit. Seit 1967 schreibt er für Blick, ab 1970 vorwiegend über die Formel 1. Mittlerweile hat er von über 808 Rennen berichtet, verfasste rund 90 GP-Berichte aus Zürich und war bei rund 1000 Testtagen dabei.

In unserer Serie «Auf eine Zigarre mit Blick-Benoit» blickt der heute 75-Jährige auf über ein halbes Jahrhundert Formel-1-Erfahrung zurück. Frauen, Partys, Streiche – was der leidenschaftliche Zigarrenraucher in dieser Zeit erlebt hat, ist heute unvorstellbar. Hier erzählt er nun regelmässig seine besten Anekdoten. Und zwar so, wie man ihn kennt (und fürchtet): direkt, ehrlich, pointiert.

Dass es bei ihm oft ums Geschäft geht, musstest du auch schon am eigenen Leib erfahren. Stichwort Regenschirm.
Das war typisch Ecclestone. Ich besuchte ihn in London in seinem damaligen Hauptquartier. Als wir ins nahe gelegene Pub gingen, um etwas zu essen, drehte er plötzlich noch einmal um und sagte: «Einen Moment, ich hole noch zwei Regenschirme.» Da die Sonne schien, fragte ich ihn: «Was soll das?» Er antwortete aber nur: «Warte ab, das wirst du schon noch sehen.» Als wir nach dem Essen wieder rausgingen, regnete es heftig. Da sagte er: «Roger, jetzt hast du die Wahl. Entweder du wirst pflotschnass oder du kaufst mir für 50 Pfund einen der beiden Regenschirme ab.»

Apropos Geld: Ihr habt oft zusammen Backgammon gespielt. Wer ist der bessere Spieler?
Ohne angeben zu wollen: Ich bin schon eine Klasse stärker als er. Dazu fällt mir eine lustige Anekdote ein.

Erzähl!
Watkins Glen, 1973. Wir sassen im leeren Esszimmer des trostlosen Motels Glen Motor Inn und spielten Backgammon. Irgendwann schuldete mir Bernie 5000 Dollar. Da sagte er: «Max, bring mir den Aktenkoffer.» Gemeint war damit Max Mosley, damals March-Teamchef und später dann FIA-Präsident. Also stand Max auf, kam zu Bernie und öffnete den Aktenkoffer.

Was passierte dann?
Bernie griff mit zwei Fingern rein, zog ein Bündel Dollarnoten raus und gab mir die 5000 Dollar. Später erfuhr ich, dass sich im Koffer das ganze Preisgeld des GP-Wochenendes befand, etwa zwei bis drei Millionen Dollar. Einmal hat er mich aber nicht ausbezahlt.

Wo war das?
Das war am Pool vom Interconti in Rio. Das Wetter war traumhaft, einige Fahrer schauten uns zu, und ich lag klar in Führung. Auf einmal fiel ein Regentropfen. Keine Ahnung, woher der kam. Da nahm Bernie das Brett, klappte es hastig zusammen und sagte: «Sobald es regnet, wird in Indianapolis nicht mehr gefahren und hier nicht mehr Backgammon gespielt.» Widerrede zwecklos.

Dieses Zocken verbindet euch.
Das stimmt, einmal sahen wir zusammen in Montreal ein Training am Monitor an. Da sagte er plötzlich: «Dieses Training ist mal wieder so langweilig.» Deshalb machten wir ein Spiel daraus. Alle fünf Minuten schauten wir, wer auf Platz 10 liegt. Ihm gehörten die ungeraden Startnummern der Fahrer und mir die geraden. Wetteinsatz je 20 Dollar. Das Training hat uns dann gar nicht mehr interessiert, es ging ab da nur noch um diesen zehnten Platz.

Hat Ecclestone beim Wetten mal so richtig abgeräumt?
Oh ja, beim Champions-League-Final 2005 zwischen Liverpool und Milan. Zur Halbzeit lagen die Engländer 0:3 zurück. Da setzte er einen grossen Betrag auf Liverpool, und prompt kehrten die danach noch das Spiel und triumphierten in der Verlängerung. Da hat Bernie bestimmt über eine Million verdient. Zum Thema Geld und Zocken fällt mir übrigens auch noch eine Geschichte ein.

Schiess los!
In Spa kam er mal auf mich zu und fragte, was ich denn abends machen werde. Ich: «Nichts.» Da gab er mir 2000 Euro und sagte, ich solle mit seiner Sekretärin ins Spielcasino gehen, damit sie ein bisschen Abwechslung habe. Das machten wir dann auch und gewannen rund 5000 Euro. Am nächsten Tag ging ich zu ihm und wollte ihm die 2000 Euro zurückzahlen. Da sagte er nur: «Willst du mich beleidigen?»

Das ist Bernie Ecclestone

Der Brite war während Jahrzehnten Mister Formel 1. Er war unter anderem Manager von Jochen Rindt, Teamchef von Brabham und kümmerte sich ab den 70er-Jahren immer mehr um die Professionalisierung der Formel 1. Bis 2017 war er Geschäftsführer der Formula One Group. Bernie Ecclestone ist zum dritten Mal verheiratet und vierfacher Vater.

Der Brite war während Jahrzehnten Mister Formel 1. Er war unter anderem Manager von Jochen Rindt, Teamchef von Brabham und kümmerte sich ab den 70er-Jahren immer mehr um die Professionalisierung der Formel 1. Bis 2017 war er Geschäftsführer der Formula One Group. Bernie Ecclestone ist zum dritten Mal verheiratet und vierfacher Vater.

Du hast Ecclestone oft privat besucht, so auch in seiner Wahlheimat Gstaad. Hast du dort etwas Lustiges mit ihm erlebt?
Wenn ich ihn dort besuchte, gingen wir oft auf den Hausberg Eggli hoch. Ich lief dann jeweils barfuss durch den Schnee, und er rannte mir mit den Skistöcken nach und wollte mir damit auf die Füsse schlagen. Einmal war ich zusammen mit einem deutschen Journalisten bei ihm. Als wir bei der Talstation Tickets kaufen wollten, griff Bernie in seinen Hosensack und nahm ein Bündel mit 1000er-Noten raus. Die an der Kasse schaute ihn nur noch verdutzt an und sagte, sie hätte nicht so viel Rückgeld.

Was passierte dann?
Bernie fragte, was ein Saisonabo kurz vor dem Ende des Winters noch kosten würde. Als sie ihm den Betrag nannte, meinte er nur: «Dann geben Sie mir noch fünf Abos.» Dadurch musste sie für die Tausendernote nur noch 20 Franken zurückgeben. Typisch Bernie!

Du warst auch mehrfach auf seiner Farm in Brasilien. Wie läuft das jeweils ab?
Zweimal wurde ich in meinem Hotel in São Paulo mit dem Helikopter abgeholt, der auf dem Dach landete. Danach fliegst du über die Favelas und wenn du die blauen Flecken am Boden siehst, bist du bald bei ihm in Amparo auf seiner Farm. Als ich ihn mal fragte, wie gross das Areal ist, sagte er: «Schau mal in alle vier Himmelsrichtungen. Überall dort, wo der Horizont auftaucht, ist auch noch unsere Farm!»

Wie sieht der Alltag auf der Farm aus?
Wir spielen Backgammon, schauen zusammen Tennis und gehen im Dörfchen in einer Pizzeria essen. Dort bestellt er übrigens immer zu viel.

Warum?
Damit er das seinen Hunden zu Hause mitbringen kann.

Wenn du ihn in Amparo besuchst, sollst du auch ein «Ämtli» haben.
Irgendwann sagte er mir: «Wenn du hier schon gratis wohnst, kannst du auch ein bisschen arbeiten.» Deshalb bin ich dort jeweils für die Eier der Hühner zuständig. Am Morgen ist deshalb seine erste Frage immer: «Wie viele?» Der Rekord liegt bei 31 Eiern. Einmal aber hatte es gar keine.

Was war passiert?
Wie immer ging ich so gegen 10 Uhr zu den Hühnern, doch dort lag kein einziges Ei rum. Als mich Bernie dann wieder fragte, wie viele es heute gäbe, sagte ich ihm: «Bernie, null Eier sind unmöglich, du musst schon vorher dort gewesen sein und die Eier abgeholt haben.» Da lachte er nur und meinte: «Clever, Roger. Gut kombiniert.»

Ecclestone ist seit 2012 mit der Brasilianerin Fabiana verheiratet. Dass zwischen den beiden etwas läuft, sollst du schon früh erfahren haben.
Ungarn, 2009. Ich hatte im Marriott die Zimmernummer 805 und er die 801. Eines Morgens kamen Fabiana und er aus ihrem Zimmer raus. Da sagte Bernie nur: «Vergiss es, denk nicht einmal darüber nach.»

2020 wurde Ecclestone im Alter von 89 Jahren zum vierten Mal Vater. Wie hast du davon erfahren?
Ich sass im Speisewagen der Österreichischen Bundesbahnen auf dem Weg nach Graz und ass eine Erbsensuppe mit Würstchen, als mich Bernie anrief. Als ich mich mit ihm unterhielt und er mir als einem der Ersten erzählte, dass er nochmals Vater werden würde, pampten mich zwei ältere Damen an und erklärten mir, dass man im Speisewagen nicht telefonieren dürfe. In jener Zeit verriet er mir auch, was noch sein grösster Wunsch sei.

Welcher?
Er wolle mit Ace mal noch reden können. Das glaubten damals, vor knapp fünf Jahren, wegen seines hohen Alters nicht viele. Es kam zum Glück anders. Als ich vor vier Tagen mit Bernie telefonierte, erzählte er mir, dass er gerne seinem Sohn Backgammon beibringen würde, dieser aber momentan nur die Würfel rumschmeisse.

Seit 2017 hat Ecclestone in der Formel 1 offiziell nichts mehr zu sagen. Und inoffiziell?
Ebenfalls nichts mehr, und das passt ihm auch. Er sagte mir mal: «Das ist die schönste Zeit meines Lebens, wenn man nur noch um Rat gefragt, aber nicht mehr gejagt wird.» Zu den häufigsten Anrufern gehört der neue Geschäftsführer der Formel 1, Stefano Domenicali. Was eigentlich alles sagt.

Wird er auch sonst noch oft um Rat gefragt?
Ja, er hat mir auch schon eine Whatsapp-Nachricht gezeigt, auf der stand: «Du musst mir helfen, Gruss Lewis.» Oder Carlos Reutemann hat ihn unmittelbar vor seinem Tod angerufen. Oder Lauda hat kurz vor seinem verlorenen Kampf gegen die Krankheit noch Zeit bei ihm auf Ibiza verbracht.

Apropos Tod. Ecclestone sagte einst wie du: «Ich gehe nie an Beerdigungen.» Wirst du bei ihm dereinst eine Ausnahme machen?
Diese Frage stelle ich mir erst, wenn es so weit ist. Und das ist hoffentlich noch lange nicht der Fall. Die Beisetzungen von Jochen Rindt und Clay Regazzoni haben mich doch sehr mitgenommen.

Du diskutierst mit Ecclestone sicher auch über das aktuelle Formel-1-Geschehen. Glaubt er, dass Ferrari nach 16 Jahren endlich wieder einen WM-Titel holen wird?
Bernie hat mir verraten, dass er und einige Zeit lang auch Max Mosley den Italienern sehr oft bei den Regelauslegungen geholfen haben. Damit sie endlich mal wieder Weltmeister werden, aber sie haben es immer vergeigt.

Und was meint er zur aktuellen Lage der Roten?
Ecclestone war über die Flops und Fehler von Ferrari in Montreal entsetzt. So kann man sich keine Chancen auf den Titel ausrechnen, wenn man Max Verstappen schlagen will. Was der Holländer im Regenchaos gezeigt hat, war einfach nur Spitzenklasse. Doch bei den Konstrukteuren, glaubt Bernie, könnte es vielleicht klappen, wenn Pérez nicht zu seiner Form zurückfindet. Aber da gibts gemäss Bernie eine ganz andere Gefahr – McLaren-Mercedes. Bernie sieht in Norris und Piastri die beiden zukünftigen Weltmeister.

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