Als die Stunde der Wahrheit schlägt, kann die Nati einmal mehr nicht ihre Bestleistung abrufen. 1:3 gegen Deutschland. Aus und fertig. Sie fliegt im Viertelfinal aus einem WM-Turnier, das sie in der Gruppenphase dominiert hat. Die Pflichtsiege sind abgehakt worden, der Gruppensieg ebenfalls. Gegen die hartnäckigen Gegner haben die Schweizer in der Gruppenphase Widerstandsfähigkeit und Souveränität gezeigt. Davon ist im Viertelfinal-Duell nicht mehr viel zu sehen.
Das erste Gegentor ist der Anfang vom Ende. Goalie Robert Mayer, der den Vorzug gegenüber Leonardo Genoni erhält, lässt nach einem harmlosen Schuss von Maximilian Kastner den Puck zwischen Arm und Schoner hindurchflutschen. Verunsicherung macht sich breit. Und Nervosität hat viele Gesichter. Die Schweizer stecken physisch ein, wirken gehemmt.
Niederreiter: «Das ist inakzeptabel»
Gleich zu Beginn des Mitteldrittels dann der Ausgleichstreffer. Die Erlösung? Mitnichten. Statt diesen Schwung mitzunehmen, wie es die Schweizer in der Gruppenphase noch taten, bremsen sie sich mit Strafen selber aus. Doch sie bekommen die nächste Chance, um dieses Spiel an sich zu reissen: Deutschlands Star-Verteidiger Moritz Seider (Detroit Red Wings) wird nach einem Check gegen den Kopf von Gaëtan Haas (32. Minute) unter die Dusche geschickt. Fünf Minuten Powerplay? Für die Katz. Die Deutschen werfen sich mit allem, was sie haben, in die Schüsse und drängen die Schweizer geschickt aus der Gefahrenzone.
Doch es kommt noch schlimmer. Ein Doppelschlag der Deutschen innert 36 Sekunden bricht den Schweizern endgültig das Genick. Die Demütigung: Das 3:1 ist ein Shorthander. «Die Ungeduld hat uns das Spiel gekostet. Und das Powerplay. Wir hatten fünf Minuten, eine Riesenchance. Aber wir kassieren später den Shorthander. Das ist einfach inakzeptabel. Wir waren zu hektisch im Powerplay. Wir hätten den Schuss suchen sollen, spielten aber aussenrum, warteten auf den perfekten Pass, das war unser Fehler», sagt mit Nino Niederreiter ein selbstkritischer Captain.
Zu einer Reaktion ist die Nati nicht mehr fähig – obwohl dafür noch genug Zeit ist. Die Deutschen spielen den Match runter. Das wäre eigentlich der Plan der Schweizer gewesen. Die Nati hat die Vorbereitung so ausgelegt, dass sie in der zweiten Turnierwoche ihren Leistungs-Peak erreicht. Das ist misslungen. Eine detaillierte Erklärung dafür hat Nati-Trainer Patrick Fischer unmittelbar nach der bitteren Pleite nicht.
Er sagt: «Ich hatte das Gefühl, die Mannschaft ist ruhig und fokussiert. Einmal mehr sind wir aber durch Geschenke in Rücklage geraten. Logischerweise bin ich enorm enttäuscht. Enttäuscht über mich selber, dass ich es einmal mehr nicht geschafft habe, die Mannschaft so hinzukriegen, dass wir heute das beste Spiel spielen.»
Für Fischer das Wichtigste: Vertrauen der Spieler
Seit der gewonnenen WM-Silbermedaille 2018 scheitert die Nati nun zum vierten Mal in Folge im Viertelfinal. Klar, dass sich der 47-Jährige nun mit Fragen zu seiner Personalie auseinandersetzen muss. Fischer, der einen Vertrag bis 2024 besitzt, steht zu seiner Aussage in der «NZZ», dass es vielleicht ein anderer probieren muss, wenn die Ziele mehrmals nicht erreicht werden. «Die Verantwortung liegt immer beim Coach, die trage ich auch. Ich bin aber keiner, der die Flinte ins Korn wirft. Das Wichtigste für mich ist das Vertrauen der Spieler, wenn es weiter geht.»