René Fasel gibt seinem Nachfolger wichtigen Tipp
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Eishockey-Boss tritt zurück:René Fasel gibt seinem Nachfolger wichtigen Tipp

IIHF-Boss René Fasel vor dem Rücktritt
«Sehe ich aus, als wäre mir langweilig?»

Nach 27 Amtsjahren an der Spitze des Welt-Eishockeyverbands IIHF tritt René Fasel zurück. Der Präsident spricht im SonntagsBlick-Abschiedsinterview über Säcke mit Erinnerungsstücken, die Errungenschaften seiner Amtszeit und einen Ausrutscher auf politischem Glatteis.
Publiziert: 19.09.2021 um 16:09 Uhr
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Ein Schreibtisch, der bald geräumt wird – René Fasel im IIHF-Hauptsitz in seinem Büro.
Foto: Sven Thomann
Interview: Steffi Buchli und Dino Kessler. Fotos: Sven Thomann

Wir treffen René Fasel in der Villa Freigut im noblen Zürcher Enge-Quartier, im Hauptsitz der IIHF. Der Chef braut sich in der Küche gerade einen Tee. «Wollt ihr einen Kaffee? Ich habe Espresso, Schale, Cappuccino – alles!» Die Jahrzehnte als Globetrotter mit Wohnsitz im Kanton Zürich haben seinem Freiburgerdeutsch nichts anhaben können. Es ist so breit wie eh und je.

Bald endet Ihre Zeit bei der IIHF nach unglaublichen 27 Jahren ...
René Fasel:
Ja, das ist einer meiner letzten Tage hier in Zürich. Nächste Woche beginnt bereits der Kongress in St. Petersburg.

Wir können verstehen, dass es spannend ist, Präsident zu werden. Präsident sein, war das nicht manchmal anstrengend oder gar langweilig?
Sehe ich aus, als wäre mir langweilig? Nein, der Sport hat sich enorm verändert und weiterentwickelt. Wir mussten uns mit ihm bewegen, so, wie das auch die Spieler tun müssen, wenn sie nicht auf der Strecke bleiben wollen. Das hält wach. Es gab viele Herausforderungen, und wenn keine da waren, habe ich nach ihnen gesucht.

Man hat den Eindruck, Ihnen gefiel es immer dann am besten, wenn Sie eine vermeintlich unmögliche Aufgabe vor sich hatten.
Das stimmt. Wir haben den Schulterschluss mit der NHL geschafft, die 1998 in Nagano erstmals bei Olympischen Spielen mit dabei war. Und die vereinte Frauen-Nationalmannschaft von Nord- und Südkorea in Pyeongchang, das war für mich ein grosser Moment! Dafür haben wir lange Vorarbeit geleistet, verhandelt, mit Mittelsmännern in beiden Ländern.

Da gab es auch noch ein paar organisatorische Widrigkeiten zu überwinden, viele Spielerinnen hatten keine Pässe.
Nicht nur das war ein Problem, die haben sich gegenseitig auch nicht verstanden. Im Norden hat man natürlich nicht mit den englischen Hockey-Begriffen gearbeitet. Bully, Offside, Icing, Penaltykilling – die wussten nicht, was das ist. Wir haben eine Art Wörterbuch erstellen müssen, eine unvergessliche Geschichte.

Entsprechend haben Sie sich genervt, als die Schweizerinnen im Startspiel das vereinigte Korea mit einem Kantersieg mit 8:0 vom Eis geschickt haben.
Ei, das hat man mir in der Schweiz übel genommen. Meine Söhne haben mir gesagt: So, Dad, jetzt musst du dich mal wieder drei Tage lang verstecken. Sie hatten recht. Aber die Leute, die mich gut kennen, wissen, wie ich das gemeint habe. Die Schweizerinnen hätten einfach nach dem sechsten Tor nicht mehr so jubeln müssen. Aber jetzt ereifere ich mich schon wieder.

Das Feuer brennt noch. Das ist doch gut. Werden Sie Mühe haben, sich von all dem hier zu lösen? Ein Kandidat auf das IIHF-Präsidium hat schon angekündigt, dass man den Hauptsitz in Zürich verkaufen würde.
Nein, damit kann ich leben. Dieses Haus ist mit ein Grund dafür, dass wir finanziell so solide dastehen. Wir haben es 2002 gekauft, und es ist ein solider Wert in unseren Büchern. Sollte mein Nachfolger dies nicht so sehen, dann ist es leider so.

Die Stimmung unter den Kandidaten scheint angespannt. Klar, man ist sich Wahlkampf nicht gewöhnt. Vor kurzem hat das IIHF-Council Ihren Generalsekretär abgesetzt. Der Vorwurf lautete Ungleichbehandlung Ihrer potenziellen Nachfolger. Ihr engster Mitarbeiter ist damit weg …
Horst Lichtner ist immer noch Generalsekretär, er ist derzeit krank geschrieben. Wir haben über viele Jahre sehr gut zusammengearbeitet, auch weil wir verschieden sind. Ich war immer der kreative Chaot, Horst Lichtner war ordentlich und gründlich, hat mir immer die Dossiers vorbereitet, hatte immer alle Schriftlichkeiten zur Hand. Mich sehen Sie ja nie mit einem Papier.

Sie sind der Mann des gesprochenen Worts. Ein Diplomat und manchmal ein Grenzgänger: War eigentlich die Umarmung mit Diktator Lukaschenko der grösste Fettnapf Ihrer Karriere?
Ja, das muss ich wohl so anerkennen. Das war alles gut gemeint, aber am Ende ging es einfach nur gründlich in die Hose.

Waren Sie enttäuscht?
Ja. Ich war wahrscheinlich naiv. Ich dachte, ich könnte etwas Gutes bewirken. Mal wieder musste ich mich ein paar Tage verstecken. Der Shitstorm, entschuldigen Sie das Wort, war ausserordentlich heftig.

Versuchte Ihre Kommunikationsabteilung eigentlich je, Sie dazu zu bringen, Ihre Liebe zu Russland und Ihre Bewunderung für Putin nicht immer an die grosse Glocke zu hängen?
Ich liebe dieses Land und die Menschen, das ist einfach so. Ein Versuch, mich davon abzubringen, hätte nichts gebracht. Präsident Putin hat in kurzer Zeit viel erreicht. So ein Land über elf Zeitzonen und mit rund 100 Sprachen stabil zu regieren, das ist ein Kunststück. Dafür, ja, bewundere ich ihn.

Sie werden nächste Woche in Russland, genauer in St. Petersburg, Ihre Abschlussfeier bekommen. Sie als scheidender Präsident werden beim IIHF-Kongress verabschiedet. Wie sieht das Party-Programm aus?
Wir werden am ersten Abend zusammen in die Oper gehen. Der weltbekannte Star-Intendant Gergiev hat eigens für uns eine Show konzipiert. Man kann den Sportlern nicht eine dreistündige Aufführung vorsetzen, darum stellt er extra für uns ein Potpourri zusammen. Dann gibt es einen sportlichen Abend, ein Legendenspiel mit vielen grossen Namen, Arno Del Curto wird ein Team coachen, Jari Kurri ist da, Valeri Kamenski, Esa Tikkanen, Tinu Gerber und viele andere. Und der dritte Abend ist dann ein Galaabend. Und dann heisst es …

Adios Amigos?
Genau. Dann ist die Neuwahl.

Wer zahlt denn das alles? Ist das nicht Geld, das eigentlich ins Eishockey fliessen sollte, was Sie da ausgeben? Oder bezahlen Sie das selber?
Diese Feierlichkeiten sind nicht so teuer, wie Sie meinen. Wenn ich Gergiev frage, was die Oper kostet, sagt der: nichts. Ich habe Sponsoren, die das übernehmen.

Und was ist danach, wenn Sie nicht mehr Präsident sind, bleiben Sie dann gleich in Russland? Sie haben mal gesagt, Sie würden nach der Karriere gerne Ihr Russisch perfektionieren.
(Lacht) Ich komme sicher nochmals nach Hause. Aber ja, ich werde zurückkehren und richtig Russisch lernen. Ich habe dort noch einiges vor …

Als Chef der KHL?
Nein, das will ich nicht, ich mag kein operatives Amt mehr übernehmen. Aber klar, es wird sicher Kontakte geben. Ich habe aber Ideen, die eher in eine andere Richtung gehen … Aber (winkt ab) Sie müssen gar noch nicht alles wissen. Sie werden es erfahren, wenn es so weit ist.

Wie sehen Sie die Entwicklung der Schweizer National League? Haben Sie Vorschläge?
Ratschläge will ich keine erteilen. Fragen Sie mich, was ich ändern würde? Den Spielplan. Zu viele Spiele, zu eng getaktet, die Erholung kommt zu kurz. Aber klar, es geht wohl darum, mehr Spiele zu haben und mehr Geld zu verdienen. Ich wäre für den Salary Cap, weniger Teams, weniger Ausländer und mehr Fokus auf den Nachwuchs. Ausserdem wäre ich dafür, dass Fribourg endlich mal Meister wird. Allerdings kann ich als Fan dann nicht mehr davon träumen.

Sie waren immer über 200 Tage pro Jahr unterwegs. Müssen Sie sich beschäftigt halten, um Ihre Frau Fabienne zu Hause nicht zu nerven?
(Lacht) Das wärs noch. Nein, wir haben es auch nach vierzig Jahren noch sehr gut. Sogar im Lockdown! Wir haben nie «gschtürmt». Das ist super, oder nicht?

Oh ja! Apropos zu Hause: Haben Sie den Keller schon geräumt, um Platz zu schaffen, für all die Erinnerungsstücke, die hier in Ihrem Büro herumstehen?
Nein, ich werde nichts mitnehmen. Ich bin kein Sammler. War ich nie. Meine Kinder haben auf dem Vorplatz mit einem handsignierten Stock von Wayne Gretzky Hockey gespielt. Viele Dinge werde ich verschenken. Vier Säcke stehen schon bereit für einen russischen Freund. Er hat die grösste Hockeysammlung der Welt. Der wird Freude haben an diesen Dingen.

René Fasel schaut sich um und entschuldigt sich für die Unordnung in seinem Büro. Dann zeigt er grinsend auf ein Foto: Zwei Präsidenten lachen in die Kamera, der des Welteishockeys und der Russlands. Dann öffnet Fasel eine Vitrine und holt eine kleine Statue eines Hockeyspielers heraus. Das Original steht lebensgross draussen im Garten auf einem Sockel. Die hier werde er vielleicht mitnehmen, dieses «Mannli» habe ihm immer schon gefallen. «Schauen Sie, die Dynamik dieses Spielers! Das ist der Sport, den ich liebe.»

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