Darum gehts
- Dario Wüthrich geniesst Nati-Camp nach schwierigen Monaten und Verlust der Freundin
- Wüthrich fand im Eishockey Halt nach dem Tod seiner Partnerin
- Verteidiger mit bester Plus-Minus-Bilanz von +15 bei Ambri-Piotta
Die Stimmung im Camp der Schweizer Nati ist gut. Im Training gibts neben der Ernsthaftigkeit auch Raum für Spässe auf dem Eis. Im Hotel zockt die Fraktion der jüngeren Spieler das Kartenspiel «Skull King». Was zwei Wochen vor der Weltmeisterschaft in Dänemark und Schweden alltäglich erscheinen mag, ist Balsam für die trauernde Seele von Dario Wüthrich.
Der Verteidiger von Ambri-Piotta weilt seit der ersten Vorbereitungswoche bei der Nati. Etwas überraschend vielleicht. Aber genau richtig. Denn der 25-Jährige hat unfassbar schwierige Monate hinter sich. «Hier sein zu können, bedeutet mir extrem viel», sagt Wüthrich, «ich geniesse jeden Moment.» Er sagt es primär aus der sportlichen Perspektive – aber es geht auch um die menschliche. Denn erst vier Monate ist es her, dass der Aargauer seine Freundin Sophie Hediger (†26) verloren hat.
Rückblende: Am 23. Dezember 2024 stürzt die Schweizer Sportwelt in Trauer. Es wird bekannt, dass die Snowboardcrosserin bei einem Lawinenunglück in Arosa ums Leben gekommen ist. Wüthrich erfährt von der Tragödie erst spät abends in der Garderobe nach dem Derby in Lugano. Sein Herz ist gebrochen.
Dennoch kehrt der Abwehrspieler nach der Weihnachtspause wieder aufs Eis zurück und spielt. Eine rasche Rückkehr in den Alltag, so ist es auch mit Hedigers Familie besprochen, tut dem Hockeyprofi gut. «In der Halle zu sein, mit meinen Mitspielern auf dem Eis, da konnte ich den Kopf abschalten. Das war meine Stütze, es gab mir Ruhe und gleichzeitig Kraft.»
Eine Leere nach dem Saisonende mit Ambri
Doch das Saisonende kommt schnell für Ambri, das die zweite Play-In-Runde gegen Kloten mit nur zwei Toren Unterschied verliert und am 10. März den Einzug in die Playoffs verpasst. Der Hockey-Alltag mit der Tagesstruktur bricht weg für Wüthrich – was jetzt? Drei Wochen später wird er von Nati-Trainer Patrick Fischer fürs erste Camp aufgeboten. «Ich habe ihm gesagt, dass es das Beste ist, das mir passieren kann», so Wüthrich, «denn ich stand nach dem Saisonende vor einer Leere.» Er führt mit Fischer ein persönliches und emotionales Gespräch. Die Schweizer Hockey-Familie steht ihm bei, im Schoss der Nati wird er weiter aufgefangen. «Hier bin ich den ganzen Tag beschäftigt.»
Wüthrich hat sich die Nati-Nomination mit einer absolut soliden Defensivleistung verdient. Bei Ambri ist er der Verteidiger mit der mit Abstand besten Plus-Minus-Bilanz von +15. Im Vergleich zur Vorsaison hat er bei den Leventinern eine bemerkenswerte Entwicklung durchgemacht und zu einer verlässlichen Konstanz gefunden. Seine Erklärung dafür: «Ich habe es geschafft, meine Rolle in ihrer Einfachheit zu akzeptieren.»
Bedeutet: In seinen jüngeren Verteidiger-Jahren hat er das Gefühl, dass er technisch mehr machen und Offensivaktionen spektakulär einleiten muss. «Dabei geht es primär darum, die Scheibe schnell und sicher hinten raus zu spielen.» Aus Wüthrich ist ein Defensiv-Verteidiger geworden, der mit seinen Körpermassen (1,87 m/92 kg) auch Härte und Energie aufs Eis bringen kann. Attribute, die Fischer in seiner Nati-Abwehr gerne sieht.
«Ich möchte hier meine beste Leistung aus mir rausholen, um dem Trainer die Auswahl möglichst schwer zu machen», sagt Wüthrich motiviert. Als er den letzten Cut überstanden hat, ist die Freude bereits riesig gewesen. Am Montag steht nun der nächste Kaderschnitt vor der letzten WM-Vorbereitungswoche an. «Mal schauen, wohin diese Reise für mich noch geht.»