Trainingsbesuche, Treffen an Spieltagen, Telefon-Terror
Die NHL-Scouts werden immer frecher

13 Schweizer Talente haben es im Hinblick auf den nächsten NHL-Draft auf die Scouting-Liste geschafft. Leon Muggli (Zug) und Daniil Ustinkov (ZSC) sind derzeit die Scout-Magnete. Was das für die 17-Jährigen bedeutet, hat sich seit der «Reinbacher-Mania» verändert.
Publiziert: 30.10.2023 um 20:35 Uhr
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Kloten-Verteidiger David Reinbacher hat in der letzten Saison für einen Massenauflauf an NHL-Scouts gesorgt.
Foto: Marc Schumacher/freshfocus
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Nicole VandenbrouckReporterin Eishockey

Auf den Gästelisten an NL-Spielen stehen kaum je ihre Namen. Nur das Logo der NHL-Organisation, für die sie arbeiten. Die Scouts – in geheimer Sache unterwegs, um das nächste Top-Talent zu entdecken. In der letzten Saison hat diese Mission eine bisher nicht da gewesene Dimension erreicht. Kloten-Verteidiger David Reinbacher (19) wurde zum Scout-Magnet. Der Rekord: 40 Talentspäher aus der NHL drängten sich auf die Medientribüne, um den Teenager spielen zu sehen.

Doch längst ist nicht mehr nur das Spiel das Wichtigste. Gewisse Scouts lassen sich das Warm-up am Vormittag des Matchtages und direkt vor dem Spiel nicht entgehen. «Die Warm-ups von Reinbacher sind ein Traum», schwärmt ein Chef-Scout, dessen Name nicht genannt werden darf, weil es die NHL-Arbeitgeber so wollen.

Muggli und Ustinkov locken Scouts an

Ihre Eindrücke davon lassen sie in ihren Report einfliessen. Ob der Junge wie eine Primadonna wirkt oder robust. Wie seine Schüsse sind, denn dort oder im Training sehen sie 30 davon, und nicht nur drei oder vier wie im Spiel. Ob er ein Aussenseiter ist oder integriert. Und wie er sich entwickelt. «Potenzielle Erstrunden-Drafts werden regelrecht durchleuchtet und einem psychologischen Test unterzogen», weiss Georges Müller, der Berater von Reinbacher, der im Sommer von Montréal als Nummer 5 gezogen worden ist.

Das geht manchmal so weit, dass Scouts die Telefonnummer des Eismeisters oder Physios herausfinden und sie – nebst den Trainern, Sportchefs und Agenten – mit Fragen löchern. Ob das Talent als Erster aufs Eis geht, Extraschichten schiebt oder oft medizinische Behandlungen benötigt. NL-Trainer ärgerten sich auch schon, weil sie ohne zu fragen ganze Trainings filmten oder plötzlich vor der Garderobe auftauchten.

«Manche werden schon immer frecher, wollen die Spieler sogar an Match-Tagen treffen», bestätigt Müller, der auch Daniil Ustinkov (17) betreut. Dem ZSC- wie auch dem EVZ-Abwehrjuwel Leon Muggli (17) wird zugetraut, dass sie in der zweiten Draft-Runde gezogen werden könnten. Sie sind die beiden topgesetzten Schweizer der Watch-List von Central Scouting der NHL, auf die es 13 unserer Talente geschafft haben.

Die Teenager etwas abschirmen

Im Wissen, wieviele neue Eindrücke plötzlich auf die Teenager einprasseln, schirmt der EVZ seinen Schützling Leon Muggli noch etwas davon ab. Mit den Eltern, dem Agenten sowie der Schule wurde alles abgesprochen. Und man hat klare Richtlinien für die Scouts gesetzt. «Man darf nicht vergessen, er ist 17-jährig, geht auch noch zur Schule», begründet Zugs Sportchef Reto Kläy, «er soll sich aufs Wesentliche fokussieren können.»

So wird der junge Verteidiger in der NL zwar eingesetzt, aber dosiert. Was bei einem Dutzend Scouts für Unverständnis sorgte, als sie sich die Partie gegen Genf anschauen wollten, Muggli an jenem Sonntag aber bei der Zuger U20 spielte. «Von zuvorkommend bis respektlos ist bei den Scouts alles dabei», so Kläy.

Und dennoch: Für den NHL-Traum müssen die Teenager auch diese Herausforderungen meistern. Dass seit der «Reinbacher-Mania» die Schweiz wieder präsenter auf der Talent-Landkarte der NHL aufgetaucht ist, ist laut Kläy «gutes Marketing für unser Eishockey».

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