Paterlini und Liniger
Die nächste Schweizer Trainer-Welle

Davor Del Curto, jetzt Fischer, Cereda, Wohlwend und Lars Leuenberger haben Schweizer Trainer salonfähiger gemacht. Und in der Swiss League rüsten sich Thierry Paterlini und Michael Liniger für höhere Aufgaben.
Publiziert: 10.12.2020 um 18:00 Uhr
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Aktualisiert: 08.04.2021 um 13:19 Uhr
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Seit dieser Saison ist Thierry Paterlini Trainer bei La Chaux-de-Fonds.
Foto: keystone-sda.ch
Dino Kessler und Stephan Roth

Thierry Paterlini (45) musste im Frühjahr bei Swiss Ice Hockey die Schlüssel abgeben. In Glattbrugg wollte man den U20-Coach trotz sportlichem Erfolg, Hingabe und einwandfreiem Arbeitszeugnis nicht weiter beschäftigen. Der Nationalmannschaftsdirektor Lars Weibel sagte damals: «Er hat hervorragend und sehr strukturiert gearbeitet.»

In La Chaux-de-Fonds sind nicht nur diese Qualitäten gefragt, sondern auch Paterlinis Ausstrahlung und der Wille, einen eigenen Weg zu verfolgen und diese Richtung einzuhalten.

«Ich kann mich hier weiterentwickeln», sagt der Zürcher. «Das Tagesgeschäft hat seinen Reiz, als Trainer einer Auswahlmannschaft gehen die täglichen Probleme ja etwas an einem vorbei. Gleichzeitig kann ich meine Erfahrungen, die ich beim Verband gemacht habe, mit einbringen. Dort habe ich gelernt, stets gut vorbereitet zu sein und strukturiert zu arbeiten.»

Das Vereinsbudget wurde mit dem Rotstift bearbeitet

La Chaux-de-Fonds ist ein Klub mit viel Tradition, der letzte Westschweizer Champion (1973), eine sagenhafte Vergangenheit. In der Gegenwart ist davon nicht mehr viel zu spüren. In der Swiss League werden mancherorts neue Stadien gebaut oder saniert, im Neuenburger Jura aber scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Die Ökonomie bröckelt, die Uhrenindustrie darbt, die wirtschaftliche Lage ist teilweise dramatisch, das Vereinsbudget mit dem Rotstift bearbeitet.

Die Patinoire des Mélèzes? Hat eigentlich nur noch nostalgischen Stellenwert. Paterlini: «Es gibt aber eine grosse lokale Fanbasis. Der Enthusiasmus und die Detailpflege der Mitglieder sind beeindruckend. Auch der neue Vorstand tut alles, um Schwung in den Betrieb zu bringen. Da ist viel Herzblut und Feierabendarbeit involviert.»

«Im Tagesgeschäft siehst du den Menschen hinter der Nummer»

Sportlich lässt sich so nicht mit der grossen Kelle anrühren. Die Chaux-de-Fonniers beschäftigen viele günstige und einige Spieler mit B-Lizenzen, die von anderen Klubs finanziert werden. Reich wird man hier höchstens an Erfahrung. Trotzdem will man im Februar bereit sein für die Pre-Playoffs. «Wir wollen mit den vorhandenen Mitteln eine gezielte Steigerung erreichen und das Maximum rausholen.»

Für Trainer Paterlini ist das eine Gelegenheit, Akzente zu setzen. Aber wie ist seine Leistung messbar? Nicht nur in Punkten und Statistiken, sondern vor allem bei der Entwicklung der Spieler. «Im Tagesgeschäft lernst du die Spieler besser kennen, siehst den Menschen hinter der Nummer.»

Ausserdem ist er hier nicht nur als Trainer gefragt, sondern im Verbund mit Sportchef Loïc Burkhalter mehr oder weniger für alles rund um das Team zuständig. «Wir erledigen, was gerade anfällt.»

Man versucht, sich über Wasser zu halten. Eine andere Welt. Zwischendurch geht es nach Hause zu seiner Familie in Bassersdorf bei Zürich. Als Abwechslung. Während der Pandemie waren in La Chaux-de-Fonds zuletzt auch alle Restaurants geschlossen.

Liniger kann im «geschützten Umfeld» arbeiten

Anders sind die Verhältnisse bei den GCK Lions für Michael Liniger (41). Er ist Teil einer Riesenorganisation, kann in einem «geschützten Umfeld» arbeiten, wie er sagt.

Ins Trainermetier rutscht er 2017, als er sich eine Knieverletzung zuzieht, die seine Karriere beendet. Heute spricht er von «Glück im Unglück». Der Emmentaler wird erst Assistent von Leo Schumacher, dann gar GCK-Headcoach, als dieser als Assistent von Hans Kossmann beim ZSC gebraucht wird. In den Playoffs ist auch Liniger im Staff und feiert den Meistertitel, der ihm als Spieler trotz drei Final-Teilnahmen mit Kloten verwehrt blieb.

Seit letzter Saison ist Liniger der Chef in Küsnacht. Im Farmteam achtet man neben der Entwicklung der eigenen Talente nun auch auf die Resultate. «Die Jungs müssen lernen, mit Siegen und Niederlagen oder weniger Eiszeit umzugehen», sagt Liniger.

Liniger: «Ich bin sehr kritisch mit mir»

Wie lässt sich da die Leistung eines Trainers bewerten? «Ich bin sehr kritisch mit mir und hole mir viele Feedbacks ein. Ich definiere mich über die tägliche Arbeit und ob Spieler besser werden. Doch ich habe auch den Ehrgeiz, gute Resultate zu erzielen.»

Die Taktik ist dabei vorgegeben: Gespielt wird nach dem Playbook von Rikard Grönborg. Der ZSC-Coach ist auch ein wichtiger Ansprechpartner für Liniger. «Er ist ein sehr moderner Trainer. Ich kann von ihm auch lernen, wie man mit den Jungs redet. Mich beeindruckt seine Offenheit auch mir gegenüber. Er hört mir zu. Ich versuche, wie er, jeden Tag etwas zu lernen.»

«Die Jungen sind manchmal etwas überladen»

Er versuche, eine gute Teamkultur zu kreieren. Und ihm gefalle dynamisches, schnelles Hockey. «Mit Leidenschaft und Freude.» Dass das selbst bei jungen Spielern nicht selbstverständlich sei, habe er lernen müssen. «Die Jungen sind manchmal etwas überladen, schon fast Hockey-müde. Sie schauen Videos, haben einen Mentaltrainer und einen Personal Coach. Sie sind sehr professionell. Doch manchmal spulen sie das Programm einfach ab.» Dabei ist für Liniger klar: «Eishockeyspieler ist immer noch der geilste Job.» Das versuche er vorzuleben.

«Nach wie vor ist das Bauchgefühl wichtig», sagt Liniger, was aber nicht heisst, dass ihn die Datenanalyse nicht interessiert. «Als Coach muss man mit der Zeit gehen. Schon die Diskussionen bringen einen weiter. Doch es ist ein extremer Datenberg. Mit nur zwei Leuten im Coaching Staff kann man sich da schnell verlieren. Da ist es wichtig, zu filtern.»

Auch wenn ihm sein Job gefällt, fehlt es Liniger nicht an Ambitionen. «Ich will schon einmal den nächsten Schritt machen. Doch ich habe keinen Stress. Ich muss auf die richtige Chance warten. Die Vorstellungen und Philosophien müssen übereinstimmen. Die Nati A ist ein Haifischbecken.» Bis jetzt sei es nur zu losen Gesprächen mit NL-Klubs gekommen.

Sind Schweizer Trainer nur Stubenhocker?

Ein Kommentar von Dino Kessler

Benötigt die Eishockey-Nation Schweiz immer noch Entwicklungs­hilfe? Führende Eishockey­-Kulturen bedienen sich nur anekdotisch bei Trainern aus dem Ausland, die Verantwortung liegt in der Obhut der nationalen Trainergilde.

In der Schweiz sind fünf Schweizer Trainer im Profigeschäft aktiv. Wer ist für diesen Mangel verantwortlich? Die Klubs, weil sie den Schweizern mit wenigen Ausnahmen nicht über den Weg trauen? Oder ist der Trainernachwuchs zu wenig konsequent, wenn plötzlich die Regeln der Leistungskultur die Rahmenbedingungen diktieren?

Klubverantwortliche bemängeln hinter vorgehaltener Hand eine latente Trägheit und Mutlosigkeit: Coach möchte man schon sein, aber gerne in der Region, nur bei ausgesuchten Klubs und mit Jobgarantie. Die Stubenhockermentalität ist eine Seite.

Die Klubs äussern aber auch Vorbehalte bezüglich Charakterfestigkeit von Schweizer Kandidaten. Eine helvetische Eigenart. Wenn einer als Spieler das Leben genossen hat, wird ihm das als Trainer vorgeworfen. Man möchte mutige, erfahrene Trainer mit Charisma und Chuzpe, aber kreuzbrav sollen die bitteschön stets gewesen sein. Und bei Ausländern ist das Nebensache? Das ist Heuchelei.

Kurz vor dem Vizeweltmeister-Titel der Nati im Frühling 2018 hat der SCB-Geschäftsführer Marc Lüthi dem Nati-Coach Patrick Fischer mangelnde Praxiserfahrung vorgeworfen. Zwei Jahre später nickt der gleiche Lüthi die Verpflichtung des Austro-Kanadiers Don Nachbaur ab, der trotz 61 Lenzen fast keine Erfahrung im Profigeschäft aufweist. Entwicklungshilfe? Brauchen wir nicht. Aber wir nehmen sie trotzdem.

Ein Kommentar von Dino Kessler

Benötigt die Eishockey-Nation Schweiz immer noch Entwicklungs­hilfe? Führende Eishockey­-Kulturen bedienen sich nur anekdotisch bei Trainern aus dem Ausland, die Verantwortung liegt in der Obhut der nationalen Trainergilde.

In der Schweiz sind fünf Schweizer Trainer im Profigeschäft aktiv. Wer ist für diesen Mangel verantwortlich? Die Klubs, weil sie den Schweizern mit wenigen Ausnahmen nicht über den Weg trauen? Oder ist der Trainernachwuchs zu wenig konsequent, wenn plötzlich die Regeln der Leistungskultur die Rahmenbedingungen diktieren?

Klubverantwortliche bemängeln hinter vorgehaltener Hand eine latente Trägheit und Mutlosigkeit: Coach möchte man schon sein, aber gerne in der Region, nur bei ausgesuchten Klubs und mit Jobgarantie. Die Stubenhockermentalität ist eine Seite.

Die Klubs äussern aber auch Vorbehalte bezüglich Charakterfestigkeit von Schweizer Kandidaten. Eine helvetische Eigenart. Wenn einer als Spieler das Leben genossen hat, wird ihm das als Trainer vorgeworfen. Man möchte mutige, erfahrene Trainer mit Charisma und Chuzpe, aber kreuzbrav sollen die bitteschön stets gewesen sein. Und bei Ausländern ist das Nebensache? Das ist Heuchelei.

Kurz vor dem Vizeweltmeister-Titel der Nati im Frühling 2018 hat der SCB-Geschäftsführer Marc Lüthi dem Nati-Coach Patrick Fischer mangelnde Praxiserfahrung vorgeworfen. Zwei Jahre später nickt der gleiche Lüthi die Verpflichtung des Austro-Kanadiers Don Nachbaur ab, der trotz 61 Lenzen fast keine Erfahrung im Profigeschäft aufweist. Entwicklungshilfe? Brauchen wir nicht. Aber wir nehmen sie trotzdem.

Swiss League 24/25
Mannschaft
SP
TD
PT
1
HC La Chaux-de-Fonds
HC La Chaux-de-Fonds
18
26
38
2
EHC Basel
EHC Basel
18
24
38
3
HC Thurgau
HC Thurgau
18
20
37
4
HC Sierre
HC Sierre
18
18
34
5
EHC Visp
EHC Visp
18
10
31
6
GCK Lions
GCK Lions
18
-9
25
7
EHC Winterthur
EHC Winterthur
18
-10
25
8
EHC Olten
EHC Olten
18
-20
19
9
EHC Chur
EHC Chur
18
-25
16
10
Bellinzona Snakes
Bellinzona Snakes
18
-34
7
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