Trainer-Feuerwehrmann Marco Bayer
«Die ZSC-Anfrage hat mich auf dem falschen Fuss erwischt»

Nach dem Rücktritt von Marc Crawford ist Marco Bayer der neue Mann an der ZSC-Bande. Im Interview spricht er über seine Ernennung, sein erstes Spiel, seinen Kontakt zu Crawford, seine Ziele und seinen Umgang mit den Stars.
Publiziert: 05.01.2025 um 10:48 Uhr
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Aktualisiert: 05.01.2025 um 12:25 Uhr
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Engagiert: Marco Bayer bei seinem Debüt als ZSC-Trainer am Freitag.
Foto: Urs Lindt/freshfocus

Auf einen Blick

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Marcel AllemannReporter Eishockey

Blick: Wie hat es sich am Freitag angefühlt, erstmals als ZSC-Headcoach an der Bande zu stehen?
Marco Bayer: Es war ein spezieller Moment, ich fühlte mich sehr geehrt, mit diesen Jungs in dieser grossen Organisation als Headcoach auftreten zu können. Ich war noch nie in dieser Position, deshalb war es enorm spannend, und ich war zwar angespannt, aber nicht nervös, es gelang mir gut, mit dieser neuen Situation umzugehen. So gesehen war es für mich persönlich ein guter Start, es hat für mich gepasst.

Dann war es gar nicht so ein grosser Unterschied im Vergleich zu den GCK Lions, die Sie noch am 28. Dezember als Cheftrainer coachten?
In meiner Rolle nicht wirklich, der grosse Unterschied war das ganze Drumherum. Nur schon als wir mit dem Bus in Freiburg vorfuhren, warteten bereits Hunderte Leute vor dem Stadion. Mit den GCK Lions war jeweils kein Mensch da. Und auch im Stadion selbst ist es natürlich ganz anders, vor so vielen Leuten zu spielen. Allerdings konnte ich die vielen Zuschauer relativ gut ausblenden, da ich auf meinen Job fokussiert war.

Mit 0:3 lagen die ZSC Lions nach dem ersten Drittel gegen Fribourg zurück. Haben Sie sich da erschreckt?
Ich habe mir meinen Einstand schon ein wenig anders vorgestellt (lacht). Aber dadurch war ich sogleich gefordert. Ich hatte aber den Eindruck, dass wir die Mannschaft in der ersten Drittelspause gut abholen und danach dann auf den richtigen Weg zurückfinden konnten.

Seit dem 30. Dezember neuer ZSC-Cheftrainer: Marco Bayer.
keystone-sda.ch
Marco Bayer persönlich

Der Zürcher Marco Bayer (52) gehörte in jungen Jahren zu den grössten Schweizer Verteidigertalenten. Er war Junioren-Nationalspieler und wechselte bereits als 16-Jähriger von seinem Stammklub Dübendorf zu Davos. Via Chur und dem ZSC landete er 1994 bei Kloten, wo er zweimal Meister wurde. Weitere Stationen waren Zug, Ambri, Rappi und Langnau. 2009 beendete der ältere Bruder von Ex-Goalie Claudio Bayer seine Karriere. Insgesamt lief er auch 31-mal für die Nati auf und bestritt zwei WM-Turniere. Anschliessend stieg er ins Trainerbusiness ein. Als Assistent in Langnau und Rappi, bei den Junioren in Kloten und Bern. Dort wurde er als interimistischer Assistenztrainer 2016 an der Seite von Nothelfer Lars Leuenberger Meister. Später war er auch zwei Jahre Sportchef bei den SCL Tigers. In den letzten viereinhalb Jahren arbeitete Bayer primär mit jungen Spielern, als Headcoach der U20-Nati und zuletzt der GCK Lions. Am 30. Dezember trat der Dübendorfer als interne Lösung die Nachfolge des zurückgetretenen Marc Crawford als Cheftrainer der ZSC Lions an. Bayer ist verheiratet und der Vater von drei erwachsenen Kindern.

Seit dem 30. Dezember neuer ZSC-Cheftrainer: Marco Bayer.
keystone-sda.ch

Der Zürcher Marco Bayer (52) gehörte in jungen Jahren zu den grössten Schweizer Verteidigertalenten. Er war Junioren-Nationalspieler und wechselte bereits als 16-Jähriger von seinem Stammklub Dübendorf zu Davos. Via Chur und dem ZSC landete er 1994 bei Kloten, wo er zweimal Meister wurde. Weitere Stationen waren Zug, Ambri, Rappi und Langnau. 2009 beendete der ältere Bruder von Ex-Goalie Claudio Bayer seine Karriere. Insgesamt lief er auch 31-mal für die Nati auf und bestritt zwei WM-Turniere. Anschliessend stieg er ins Trainerbusiness ein. Als Assistent in Langnau und Rappi, bei den Junioren in Kloten und Bern. Dort wurde er als interimistischer Assistenztrainer 2016 an der Seite von Nothelfer Lars Leuenberger Meister. Später war er auch zwei Jahre Sportchef bei den SCL Tigers. In den letzten viereinhalb Jahren arbeitete Bayer primär mit jungen Spielern, als Headcoach der U20-Nati und zuletzt der GCK Lions. Am 30. Dezember trat der Dübendorfer als interne Lösung die Nachfolge des zurückgetretenen Marc Crawford als Cheftrainer der ZSC Lions an. Bayer ist verheiratet und der Vater von drei erwachsenen Kindern.

Ihr gegnerischer Trainer war am Freitag Fribourgs Nothelfer Lars Leuenberger. 2016 wurden Sie gemeinsam als Nothelfer beim SC Bern Meister. Was verbindet Sie seither mit ihm?
Wir haben eine Freundschaft, die wir pflegen, sind immer wieder in Kontakt und schätzen uns sehr. Wir haben letzte Saison noch gegeneinander gecoacht, als Lars in Olten war und ich bei den GCK Lions, und nun gab es das wieder unter für beide speziellen Umständen eine Liga höher.

Jetzt haben Sie beide innert acht Tagen quasi aus dem Nichts einen Nothilfe-Trainerjob bei Topteams der National League erhalten. Ein fast schon schicksalhafter Zufall?
Es ist schon speziell, manchmal schreibt das Leben komische Geschichten. War das so vorbestimmt, oder ist es Zufall? Ich weiss es nicht.

Wie lief das mit Ihrer Ernennung zum ZSC-Headcoach ab?
Das war am 28. Dezember, als ZSC-Sportchef Sven Leuenberger mich anrief und von mir wissen wollte, ob ich dazu bereit wäre. Er erwischte mich damit völlig auf dem falschen Fuss, denn ich hätte niemals damit gerechnet, dass so etwas ein Thema ist. Deshalb musste ich dies zuerst mal verarbeiten, doch ich fällte dann für mich zügig den Entscheid, in der eigenen Organisation zu helfen und diese Chance wahrnehmen zu wollen. Danach nahm es konkrete Formen an.

Sie konnten nicht sofort am Telefon zusagen?
Weil ich auf dem falschen Fuss erwischt wurde, musste ich schon zuerst rasch in mich selbst gehen und mich fragen: Will ich das? Mache ich das? Bin ich überzeugt davon? Ich habe dann aber bald zurückgerufen und Sven gesagt, dass ich es mache, wenn man mich wolle.

Sind Ihre Gedanken in diesen Tagen auch bei Marc Crawford, dem es nicht gut geht?
Absolut. Meine ersten Gedanken waren sofort bei ihm. Man wünscht sich nicht, dass man zu einem Job kommt, weil jemand krank ist. Umso mehr, weil Marc und ich stets eine enge Verbindung hatten, da er sich auch stets für die GCK Lions und die jungen Spieler in der Organisation interessiert hatte.

Hatten Sie seit Ihrer Ernennung zu seinem Nachfolger Kontakt mit Crawford?
Ja, per Whatsapp. Und wir haben auch vereinbart, dass wir nach dem ersten Spiel, am Samstagnachmittag miteinander telefonieren. (Anmerkung der Redaktion: Das Gespräch mit Marco Bayer fand am Samstagmittag statt.)

Werden Sie diesen Kontakt so beibehalten?
Ich denke schon, das wäre wertvoll. Einerseits, weil Marc die Mannschaft sehr gut kennt und andererseits auch, weil er so viel Erfahrung mitbringt. Da er unsere Spiele schaut, kann Marc mir auch aus der Ferne sicher den einen oder anderen wertvollen Tipp mit auf den Weg geben.

Sie haben 2009 Ihre Trainerkarriere begonnen, aber mussten 52 Jahre alt werden, um diese Chance in der National League zu erhalten. Im Fokus standen in dieser Zeit andere Schweizer Trainer wie Del Curto, Schläpfer oder Cereda. Empfanden Sie das nicht als ungerecht?
Überhaupt nicht. Man muss zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Bis jetzt war es vielleicht nicht der richtige Zeitpunkt, aber jetzt ist er da. Ich bin auch nicht der Typ, der sich darüber Gedanken macht, was hätte sein können oder irgendetwas nachtrauert, sondern lebe stets im Moment. Ich ging kontinuierlich meinen Weg und konnte in dieser Zeit vieles lernen und mitnehmen. Dass andere Schweizer Trainer das Vertrauen erhielten, finde ich megacool, sie haben sich das verdient und zeigen das mit ihren Leistungen. Jetzt bin ich an der Reihe und entsprechend auch gefordert, zu performen.

War die National League denn überhaupt Ihr grosses Ziel?
Es war eine Vision, die ich für mich immer verfolgt habe. Doch ich habe diese nie in den Vordergrund gestellt, sondern kontinuierlich an meinen Stärken und Schwächen gearbeitet, mich weiterentwickelt. Ich habe daran geglaubt und auch darauf gehofft, dass diese Chance eines Tages kommen wird. Jetzt ist sie da.

Sie haben in den letzten viereinhalb Jahren bei der U20-Nati und den GCK Lions primär junge Spieler trainiert. Jetzt beim ZSC mit den vielen Stars muss das etwas komplett anderes sein.
Der Hauptunterschied ist, dass es bei den GCK Lions darum geht, Spieler zu entwickeln und dazu auch noch zu gewinnen und bei den ZSC Lions das Gewinnen im Zentrum steht. Das Prinzip beim ZSC ist, die Leistung und die Performance abzurufen und jeden Abend die drei Punkte zu holen. Nicht mehr und nicht weniger. Aber am Schluss ist beides Eishockey, und der Job als Coach bleibt der gleiche, auch wenn es eine etwas andere Art der Führung braucht. Beim ZSC muss man weniger sagen, weil es viele Spieler gibt, die wissen, worum es geht – das hilft mir logischerweise. Ich habe ein gutes Verhältnis zu den Leadern in dieser Mannschaft und bin überzeugt davon, dass es eine gute Sache wird.

Wie unterscheidet es sich für Sie denn konkret im Umgang, der Chef von Star Sven Andrighetto als ZSC-Trainer oder einem Talent wie Daniil Ustinkov als GCK-Trainer zu sein?
Ustinkov muss man sagen, wie man ihn weiterbringen möchte und was seine nächsten Schritte für die Entwicklung als Spieler und Persönlichkeit sein sollen. Und das oft mit Detailarbeit, wie Video-Anschauungsunterricht oder vertieften Gesprächen. Bei Andrighetto muss ich das nicht mehr machen. Bei ihm geht es darum, wie ich ihn unterstützen und die Voraussetzungen dafür schaffen kann, dass er bestmöglich performen kann. Das ist der wesentliche Unterschied.

Haben Sie keine Angst, dass Ihnen die ZSC-Stars auf der Nase herumtanzen?
Überhaupt nicht. Das sind Profis, die wissen, worum es hier geht. Es geht nicht um mich, es geht nicht um sie, es geht um die Organisation ZSC Lions, die erfolgreich sein will – und dem ordnen wir alles unter. Ich habe da keinerlei Bedenken, dass wir dies nicht auf einen gemeinsamen Nenner bringen können.

Was sind Sie grundsätzlich für ein Trainertyp? Mehr Zuckerbrot oder mehr Peitsche?
Tendenziell mehr Zuckerbrot. Ich versuche, die Spieler kommunikativ abzuholen und ihnen ein gutes Gefühl mit auf den Weg zu geben. Ich bin dazu da, damit sie ihre bestmögliche Leistung abrufen können. Dafür braucht es aber auch Leadership von meiner Seite, mit klaren Vorgaben und Ansagen sowie vielleicht auch mal eine härtere Hand.

Sven Leuenberger hat gesagt, dass es durchaus eine Option ist, dass Sie auch über diese Saison hinaus ZSC-Trainer bleiben. Ist dies Ihr grosses Ziel?
Mein grosses Ziel ist, dass wir am Sonntag gegen Lausanne Punkte holen. Es wäre vermessen und falsch, zu weit nach vorne zu schauen, stattdessen versuche ich wirklich von Tag zu Tag meine bestmögliche Arbeit abzurufen und im Hier und Jetzt zu leben. Alles andere steht in einem anderen Buch geschrieben, und wir werden dann sehen, was die Zeit bringt.

National League 24/25
Mannschaft
SP
TD
PT
1
Lausanne HC
Lausanne HC
35
20
69
2
ZSC Lions
ZSC Lions
31
31
61
3
SC Bern
SC Bern
34
19
61
4
HC Davos
HC Davos
35
18
58
5
EHC Kloten
EHC Kloten
35
-6
57
6
EV Zug
EV Zug
34
19
53
7
SCL Tigers
SCL Tigers
34
6
51
8
HC Fribourg-Gottéron
HC Fribourg-Gottéron
34
-5
48
9
SC Rapperswil-Jona Lakers
SC Rapperswil-Jona Lakers
35
-11
47
10
Genève-Servette HC
Genève-Servette HC
32
-1
45
11
EHC Biel
EHC Biel
33
-4
43
12
HC Ambri-Piotta
HC Ambri-Piotta
34
-21
43
13
HC Lugano
HC Lugano
33
-21
42
14
HC Ajoie
HC Ajoie
33
-44
30
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