«Platz unter den ersten Vier steht nichts im Weg»
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Dino Kessler über WM-Gegner:«Platz unter den ersten Vier steht nichts im Weg»

Hockey-WM in Finnland
Der Halbfinal muss her!

Was glänzt, ist Edelmetall. Patrick Fischers Enthusiasmus ist ansteckend, die Forderung nach dem Halbfinal deshalb nur logisch.
Publiziert: 14.05.2022 um 12:03 Uhr
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Aktualisiert: 14.05.2022 um 12:47 Uhr
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Nati-Coach Patrick Fischer hat sich von der Zielsetzung Viertelfinal verabschiedet. Also muss der Halbfinal her.
Foto: Andy Mueller/freshfocus
Dino Kessler

Im November 2021 streicht Nati-Coach Patrick Fischer (46) das «scheinheilige Ziel Viertelfinal» aus dem Vokabular der Nationalmannschaft. «Schon 1996, als ich noch Spieler war, ging es nur immer um das Erreichen des Viertelfinals. 25 Jahre wurde nun schon darüber diskutiert.» Im Subtext schwingt damals der ganze Enthusiasmus mit, den Fischer seit seinem ersten Turnier 2016 im Nationalteam verankern will. Kreatives Spiel, die Pflege des eigenen Stils und der Totalverzicht auf das Konzept des defensiven Angsthasen-Eishockeys, mit dem man früher anekdotisch einen Grossen auf dem falschen Fuss erwischen konnte. Die korrigierte Zielsetzung mit der optimistischen Vorgabe Halbfinal ist der richtige Weg für die Eishockey-Nation Schweiz. Optimistisch ist die Zielsetzung darum, weil ein Platz im Halbfinal aufgrund der Logik der Weltrangliste (die Schweiz steht aktuell auf Platz 6) nicht vorgesehen ist.

2016 wurde Fischers Enthusiasmus in Moskau noch hart auf die Probe gestellt. «Wir haben versucht, die offensiven Fesseln zu lösen. Wir wollten gewinnen, ohne uns nur noch auf ein defensives Korsett zu verlassen. Wir haben dann zwar viel mehr Tore erzielt, aber auch mehr Tore zugelassen. Damals hat die Balance noch nicht gestimmt.»

Halbfinal gegen Kanada öffnet der Nation die Augen

Zwei Jahre später sind von fehlender Balance höchstens noch Spurenelemente vorhanden. Fischers Enthusiasmus hat den Weg in die Köpfe der Spieler gefunden. Mit der Silbermedaille von Kopenhagen 2018 zementiert Fischer den Ruf der Schweiz als aufstrebende Hockey-Nation. Dabei geht leicht vergessen, dass der Weg damals mit Stolpersteinen gepflastert und der Vorstoss in den Viertelfinal bis zuletzt unsicher war. Fischer: «Die Vorrunde war eine Prüfung, wir mussten die letzte Partie gegen Frankreich für uns entscheiden.» Nach dem Sieg gegen Finnland – dem ersten Erfolg in einem K.-o.-Spiel seit dem silbernen Frühling von 2013 – folgt das Spiel, das der Nation endgültig die Augen öffnet. Plötzlich wird Fischer für seinen Enthusiasmus gefeiert, der Traum einer Medaille ist kein Luftschloss mehr. Kanadas NHL-Stars werden in einer Partie auf Biegen und Brechen eingeteilt, man bewegt sich gegen einen Gegner des elitären Zirkels auf Augenhöhe. Man setzt bedingungslos auf Mut, Puckbesitz und Selbstvertrauen – und gewinnt.

Das gleiche Muster führt ein Jahr später in Bratislava zu einem anderen Ergebnis gegen den gleichen Gegner. Kanadas Ausgleich Sekundenbruchteile vor Schluss und ein Gegentreffer in der Verlängerung lassen den Traum vom zweiten Halbfinal in Folge platzen. Mehr als ein Betriebsunfall ist das nicht, weil sich an der grundsätzlichen Einstellung nichts geändert hatte.

Das Turnier zerstört

Das ändert sich im Frühling 2021 in Riga. Patrick Fischer muss vor Jahresfrist mitansehen, wie seine Spieler im Viertelfinal gegen Deutschland in längst vergessen geglaubte Muster fallen. Nach dem Ausgleichstreffer des ewigen Rivalen wird die Mannschaft vom Mut verlassen. Der Stachel der Niederlage im Penaltyschiessen sitzt dann tief. Die verlässlichste Aussage dazu stammt von Patrick Fischer: «Mit den letzten zehn Minuten gegen Deutschland haben wir unser Turnier zerstört». Radikales Schönreden war noch nie Fischers Schwäche.

Ein paar Monate später kontert der Nati-Coach diesen Rückschlag mit einem Schritt nach vorne, ohne Rücksicht auf Verluste wird die Zielsetzung nach oben korrigiert. Damit exponiert sich die Führung der Nationalmannschaft, weist aber gleichzeitig auch den Weg: Ein Zurück gibt es nicht. Mit dem Aufgebot für Helsinki und dem Beginn einer Verjüngungskur unterstreicht Fischer seinen Willen, das Schweizer Eishockey langfristig auf Krawall zu bürsten. Nach der letzten missratenen Olympia-Kampagne 2018 folgte ein Exploit. Vier Jahre später stehen Mannschaft und Trainer wieder unter Zugzwang, auch wenn die Voraussetzungen anders sind: Das Erreichen des Halbfinals im Frühling 2022 wäre keine Überraschung mehr. Deshalb schliessen wir uns Fischers Enthusiasmus an: Der Halbfinal muss her.

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