Es gibt einen Moment, den David Reinbacher und Vinzenz Rohrer nicht vergessen werden. Anfang Juli 2023, in einem Steakhouse in Montréal. Ein gemeinsames Abendessen vor dem Development Camp. Und Rohrer sagt mit ungläubigem Kopfschütteln: «Jetzt ist es nicht mehr das Team West, jetzt sind es die Montréal Canadiens.» Das Team West ist eine U12-Auswahl der drei Landesverbände Tirol, Vorarlberg und Salzburg. Dort lernten sich die zwei Talente kennen.
Als sich die beiden 19-Jährigen an diesem verregneten Nachmittag am Ufer des Zürcher Katzensees daran erinnern, können sie ihre Geschichte noch immer nicht richtig fassen. Die Teenager aus Österreicher treffen sich am Tag vor dem Zürcher Derby auf neutralem Boden in der Mitte zwischen dem ZSC-Palast und der Klotener Arena. Und tauchen in die Vergangenheit ein.
Auf dem Weg zu ihrem NHL-Traum gibt es zunächst einige Parallelen. Sowohl der Kloten-Verteidiger als auch der ZSC-Stürmer verlassen als Zwölfjährige, die nur 15 Minuten voneinander aufgewachsen sind im Vorarlberg, ihre Heimat, um in Schweizer Junioren-Teams anzuheuern. Bei Reinbacher fällt die Wahl auf den EHC Kloten, weil da schon sein zwei Jahre älterer Bruder Tobias spielt.
Bei Rohrer werden es die ZSC Lions – wie zwei Jahre zuvor bei Marco Rossi (22). Der heutige NHL-Stürmer der Minnesota Wild ist in Rohrers Nachbarschaft aufgewachsen. «Hätte ich bei Marcos Familie nicht gesehen, dass dieses Pendeln geht und ihm seine Eltern das mit ihren Fahrten ermöglichen, wäre ich vermutlich nie in Zürich gelandet», so Rohrer.
Rohrer wagte Sprung nach Kanada
Zwischen 2018 und 2021 treffen sie bereits in den Junioren-Teams ihrer Klubs im Zürcher Derby aufeinander, die laut ihnen allerdings noch nicht den gleichen Stellenwert haben wie jenes in der National League. Dann nehmen Reinbacher und Rohrer einen unterschiedlichen Abzweiger. Der ZSC-Spieler entscheidet sich für einen Wechsel in die kanadische Junioren-Liga OHL und spielt zwei Saisons bei den Ottawa 67’s. «Das war der beste Hockey-Entscheid. Welches Commitment dieser Traum braucht, wurde mir da aufgezeigt.»
Reinbacher dagegen bleibt in Kloten. «Ich hatte etwas mehr Mühe, von Zuhause wegzugehen, ich konnte nicht loslassen», gesteht das Abwehrtalent, das lieber seine Familie um sich hat. Dafür findet er im damaligen Trainer Jeff Tomlinson (53, Ka) seinen grossen Förderer. «Jeff ebnete mir diesen Weg. Er liess mich spielen wie ein junger Bub, durfte Fehler machen und daraus lernen.» Seine regelmässigen Einsätze in Swiss und National League lassen ihn reifen. Und bringen ihn in die Notizbücher unzähliger NHL-Scouts.
Der Höhepunkt: Im Sommer 2023 wird er von Montréal in der ersten Runde als Nummer 5 gedraftet. Als Rohrer von seinem Vater davon erfährt, muss er sich im Internet nochmals vergewissern, ob es wirklich stimmt, dass sein Kumpel von der selben NHL-Organisation gezogen worden ist wie er im Vorjahr (3. Runde/Nr. 75).
Reinbacher wartet auf grünes Licht des Arztes
Einziger Unterschied: Reinbacher hat bei den Canadiens bereits einen Einstiegsvertrag über drei Jahre für 950 000 Dollar pro Saison unterzeichnet, ist derzeit an Kloten ausgeliehen. Für Rohrer dagegen ist es das nächste grosse Ziel, sich beim ZSC zu etablieren, um so auf einen solchen Vertrag hinzuarbeiten. Dass er nicht noch eine Saison angehängt hat in Ottawa, ist ZSC-Trainer Marc Crawford (62, Ka) zu verdanken. «Er besuchte mich in Ottawa und zeigte mir die Optionen in Zürich auf. Ich hatte Vertrauen in ihn.» Im Durchschnitt kommt Rohrer auf über zwölf Minuten Eiszeit. Bei Reinbacher in Kloten sind es letzte Saison fast 19 Minuten gewesen. Für die Entwicklung dieser beiden Talente ist es das Wichtigste, spielen zu können.
Einen Vorgeschmack darauf, was in der NHL auf ihn warten könnte, hat Reinbacher bereits bekommen. «Beim Vorbereitungsspiel waren schon 20 000 Fans im Stadion. Da fühlt man sich fast wie ein Rockstar.» Obwohl er sich derzeit in Kloten wohl fühlt, freut er sich darauf, wenn es für ihn nach Montréal geht. Erst vor dem ersten richtigen NHL-Spiel werde ihnen wohl so richtig bewusst, dass aus dem Traum nun Realität geworden ist.
Die Realität in der National League hält für Reinbacher und Rohrer nun immerhin das erste Zürcher Derby bereit – sofern der Kloten-Verteidiger von den Ärzten nach seiner Verletzung grünes Licht für einen Einsatz bekommt. Als sich die beiden Klubs Ende September das erste Mal duellieren, weilt Reinbacher noch im Montréal-Camp.