Ueli Schwarz kennt das Schweizer Eishockey aus dem Effeff. Beim 60-Jährigen stellt sich nicht die Frage, welche Ämter er schon ausübte, sondern welche nicht. Er war Trainer, Klubmanager, Ligadirektor, tritt als TV-Experte bei MySports auf und ist Delegierter des Verwaltungsrates beim EHC Biel.
Herr Schwarz, der Bundesrat entscheidet, wie es mit Grossveranstaltungen weitergehen soll. Von Ihnen hört man derzeit ungewohnt scharfe Töne. Weshalb?
Ueli Schwarz: Ich bin besorgt. Die 1000-Personen-Regelung ist für den Profisport und generell für Veranstalter wirtschaftlich nicht länger verkraftbar. Das kann man nicht deutlich genug sagen. Als der Bundesrat diese Grenze festlegte, regierte er per Notrecht. Es fehlte die Zeit, alles detailliert durchzudenken. Das verstehe ich. Doch jetzt sind wir fünf Monate weiter. Es steht ein wegweisender Entscheid an. Der Sport und generell alle Veranstalter stehen still, haben Fixkosten aber können keine Einnahmen generieren. Wenn ich dann gerüchteweise höre, dass die Regelung bis Ende März verlängert werden soll, bereitet mir das Bauchweh. Der Ansatz ist falsch!
Sie brachten das Beispiel mit einem Bus: Dieser fasst 100 Personen. 60 bis 90 Personen mit Maske seien legitim und akzeptiert. Doch in Stadien könnte man die Leute deutlich weniger dicht reinlassen.
Ich hätte auch ein Flugzeug oder eine Badi als Beispiel nennen können. Es geht um eine ganze Branche. Um mehrere tausend Angestellte alleine im Eishockey. Um 15'000 Kinder, die den Sport ausüben. Nicht zu vergessen all die Zulieferer und Hallenvermieter und vor allem die Tausenden von Fans. Es gibt enorm viele Betroffene. Man kann nicht sagen, das alles sei nicht systemrelevant. Die Klubs und die Veranstalter möchten auch eine Chance bekommen, um unter einigermassen akzeptablen Bedingungen ihr Business weiterführen zu können. Der künftige Ansatz heisst also: geeignete Schutzkonzepte statt strikte Verbote.
Haben Sie den Eindruck, die Behörden verkennen die Situation?
Es ist trügerisch ruhig und das macht unsicher. Doch ich bin auch selbstkritisch. Die von der 1000er-Regel Betroffenen kommen mir vor wie Kaninchen vor der Schlange. Man wartet, hofft und zittert dem Entscheid entgegen. Wir müssen uns manifestieren, unsere Bedenken und Lösungsansätze deutlich artikulieren – das haben wir zu wenig gemacht. Nicht Polemik ist der Ansatz, aber das deutliche Ansprechen der Bedürfnisse, der Ausgangslage und der Tragweite des Event-Lockdowns. Das erwarte ich auch von den Politikern, die den Sport vertreten, von Swiss Olympic und vom Bundesamt für Sport. Wer in Schwierigkeiten gerät, muss artikulieren.
Mehr zum Schweizer Eishockey
Was antworten Sie jenen Leuten, die nun sagen, die Gesundheit stehe über allem?
Diese Personen haben recht. Die in der toten Zeit erarbeiteten Schutzkonzepte tragen dem aber genau so Rechnung wie es in anderen Bereichen des wiedererwachten gesellschaftlichen Lebens auch der Fall ist! Wir alle haben eine unglaubliche Verantwortung diesbezüglich, wollen und müssen damit umgehen und leben lernen. Schauen Sie sich die Solidarität der Fans an. Viele haben bereits Abos gekauft. Der SC Bern stoppte bei 10'500 Verkäufen. Wir in Biel haben bisher über 3500 Karten abgesetzt. Die Leute wollen Hockey schauen. Unter welchen Auflagen auch immer. Ihnen bedeutet der Sport viel. Man kann an diesen Menschen nicht einfach vorbeisehen mit einem generellen Verbot.
Was erwarten Sie?
Ich weiss, dass jeder Veranstalter von Events sich intensiv mit möglichen Schutzkonzepten auseinandergesetzt hat. Ich erwarte, dass diese einzeln auf ihre Tauglichkeit geprüft werden und erst dann entschieden wird. In welchem Umfang man Personen zulässt, entscheidet das Konzept bzw. die bauliche Situation.
Und in Bezug auf das Eishockey?
Unsere Meisterschaft findet gesamtschweizerisch statt. Also müssen die Richtlinien landesweit dieselben sein, um einen fairen Wettbewerb garantieren zu können. Und: alle Veranstalter brauchen jetzt dringend Planungssicherheit. Das Eishockey kann nicht noch einen Monat und dann vielleicht noch einen weiteren Monat warten, Daumen drehen und mit dem Veranstaltungsverbot leben. Es ist eine Minute vor zwölf in jeder Beziehung, wenn nachhaltige Schäden verhindert werden sollen. Bei uns steht bereits seit fünf Monaten alles still.
Zur Not gibt es ja die Kredite.
Eine hohe Verschuldung ist nicht die Lösung. Viele andere Wirtschaftszweige haben auch gelitten. Doch man hat sehr schnell reagiert und ihnen eine Chance gegeben. Auch der Sport hat eine Chance verdient. Wir möchten unseren Kunden wieder etwas bieten und minimale Einkünfte generieren, um irgendwie wirtschaftlich über die Runden zu kommen. Es geht auch um die Sponsoren.
Woran denken Sie?
Wenn die Wirtschaft dem Sport, aber auch dem Opernhaus oder dem Stadttheater nicht mit Investitionen hilft, wird in dieser Gesellschaft vieles nicht mehr möglich sein. Doch alle diese Sponsoren haben dafür auch eine Gegenleistung zugute. Der Sport kann diese seit fünf Monaten kaum mehr erbringen. Da darf man sich nicht wundern, wenn die Sponsoren irgendwann zum Rückzug blasen und somit die Basis von Sportorganisationen und Events in hohem Mass gefährdet wird. Das darf nicht passieren!