Es ist nicht alles Silber, was glänzt
Trotz WM-Coup: Das Schweizer Eishockey braucht einen Plan

Nach dem Konfettiregen wird man sich im Schweizer Eishockey auf die Suche nach Lösungen machen müssen. Für die Heim-WM 2026 kommen die aber wohl schon zu spät.
Publiziert: 29.05.2024 um 00:02 Uhr
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Aktualisiert: 29.05.2024 um 09:37 Uhr
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Edelmetall, aber kein Gold: Die Silbermedaille von Prag kann dem Schweizer Hockey einen Schub verleihen.
Foto: freshfocus
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Dino KesslerLeiter Eishockey-Ressort

Nach dem Titelgewinn 2022 kündigte Finnlands Verbandspräsident Harri Nummela (56) an, was man mit dem Gewinn aus dem Turnier anstellen will: «Der wird in den Regionen in den Nachwuchs investiert, das ganze Geld fliesst in das Programm.»

Ein Programm. Das hätte man in der Schweiz auch gerne. Hier zerren nach wie vor verschiedene Partikularinteressen in alle Himmelsrichtungen, man ist sich bezüglich Verteilung der Finanzen uneinig, streitet über die passende Anzahl an Ausländern in der National League oder unterhält auf Amateur-Stufe zwei Ligen (Myhockey League und die 1. Liga), die einander kannibalisieren.

Im Nachwuchsbereich brennt die Frage unter den Nägeln, wie Talente effizienter auf den Profi-Bereich vorbereitet werden können. Was man weiss, ist nur, dass die marode Swiss League diesbezüglich keine Lösung ist. 

Sinnlose Ausländer-Diskussion

Die Silbermedaille von Prag könnte für das Schweizer Eishockey Gold wert sein und ihm zu einem Popularitätsschub verhelfen. Der könnte allerdings von kurzer Dauer sein, sollten die Verantwortlichen nicht Schritte einleiten, um die Probleme anzugehen.

In der sinnlosen Ausländer-Diskussion zum Beispiel beanspruchen Befürworter und Gegner von sechs Plätzen das Ergebnis der WM jeweils für sich. Gewinnt die Schweiz eine Medaille, wird die verschärfte Konkurrenzsituation für Schweizer Spieler in der National League als Pluspunkt gewertet, scheidet die Schweiz im Viertelfinal aus, erkennen die Gegner darin ein Problem. Wie sich der Systemwechsel von vier auf sechs Plätze auf lange Frist tatsächlich auswirken wird, kann momentan aber niemand mit Sicherheit sagen. 

Das älteste Team der WM

Die Schweiz wies bei der WM in Prag (gemeinsam mit Absteiger Grossbritannien) den höchsten Altersdurchschnitt (30) aller teilnehmenden Nationen aus. Du denkst, das liegt an Büeli National (40)? Norwegen hatte mit Patrick Thoresen auch einen 40-Jährigen mit an Bord, kommt allerdings im Schnitt auf 25 Jahre. Kanadier und Amerikaner sehen die WM grundsätzlich als U25-Turnier, die Deutschen waren in diesem Jahr im Schnitt drei Jahre jünger als die Kollegen aus der Schweiz.

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Das bedeutet: Die Nati benötigt in den nächsten Jahren Zuwachs aus dem Altersbereich zwischen U20 und U25. Die jüngsten Schweizer in Prag waren die in Nordamerika beschäftigten Nico Hischier (25), Philipp Kurashev und Akira Schmid (beide 24), der jüngste Vertreter der National League war WM-Grünschnabel Ken Jäger, der am 30. Mai auch schon seinen 26. Geburtstag feiern darf. Viele Schweizer Talente wechseln aufgrund der fehlenden Konkurrenz im Bereich zwischen U15 und U18 aber ins Ausland, weil sie keine Chance auf Einsätze in der National League sehen und der Unterbau (Swiss League, Myhockey League und 1. Liga) zerbröselt. Diese Abwanderung ins Ausland schwächt wiederum die Konkurrenzsituation im Nachwuchsbereich, was die Problematik noch zusätzlich verschärft.

Droht eine Heim-WM ohne NHL-Stars?

Im Hinblick auf die WM 2026 im eigenen Land benötigt das Schweizer Eishockey aber Lösungen, nicht noch mehr Probleme. Nati-Trainer Patrick Fischer muss grundsätzlich immer von der Möglichkeit ausgehen, dass viele der Schweizer in der NHL auch mal länger in den Playoffs verbleiben als nur für eine oder zwei Runden. In Prag hätte das bedeutet: keine erste Sturmreihe, kein Josi, kein Siegenthaler. 

Selbst wenn man sich im Schweizer Eishockey bald auf einen gemeinsamen Nenner einigen sollte – für die Heim-WM 2026 werden wohl sämtliche Massnahmen zu spät kommen. Aber wenigstens könnte man dann von einer Strategie berichten, die irgendwann Besserung verspricht.

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