Es allen recht zu tun ist eine Kunst, die niemand beherrscht. Das wissen die Politiker, sie vor allem.
Das weiss auch der Bundesrat, der die 1000er-Regel für Sport- und Kulturveranstaltungen aufgehoben hat.
So richtig zufrieden ist niemand. Es gibt die kritischen Stimmen, die angesichts steigender Fallzahlen von einer leichtsinnigen Lockerung sprechen. Und es die Sport- und Kulturbranchen, die jetzt etwas Perspektive haben. Ein Lichtlein am Horizont.
Aufatmen kann nach dieser Kompromisslösung aber niemand. Und Planungssicherheit gibt es sowieso nicht. Zwar sollen nun Bund und Kantone gemeinsame Parameter ausarbeiten. Aber am Ende entscheidet ab dem 1. Oktober jeder Kanton für sich, wie viele Menschen er in Stadien und Hallen lassen will.
Der Bundesrat hat bei dieser Gratwanderung den schwarzen Peter den kantonalen Gesundheitsdirektoren zugespielt. Es kann nun der groteske Fall eintreten, dass man in Bern vor 10'000 Zuschauern spielt und in Zürich vor 1000. Was einer krassen Wettbewerbsverfälschung gleichkäme.
Klar bleibt in dieser aussergewöhnlichen und komplexen Situation: Mit Festhalten an einer fixen Obergrenze wäre nichts erreicht. Wenn sich hundert Menschen verantwortungslos verhalten und die Hygienemassnahmen nicht einhalten, ist das schlimmer, als wenn 10'000 Zuschauer mit einem griffigen Schutzkonzept diszipliniert einem Fussballspiel beiwohnen. Nur mit Eigenverantwortung und Solidarität wird man Schritt für Schritt die so lang ersehnte Normalität zurückerhalten.
Immerhin: Hätte der Bundesrat die 1000er-Grenze um mehrere Monate verlängert, hätte er dem Sport und der Eventbranche den Boden unter den Füssen endgültig weggezogen. Allein der Sport trägt mit einer Bruttowertschöpfung von 11 Milliarden mehr als doppelt soviel wie die Landwirtschaft zum Bruttoinlandprodukt bei.
Über der Sport- und Eventbranche schwebt aber weiterhin das Damoklesschwert. Existenzielle Nöte bleiben. Gerade beim 100-Millionen-Hilfspaket für den Spitzensport muss die Politik nun nochmals über die Bücher. Und zwar schnell. Die unsinnige Solidarhaftung muss weg.
Sonst wird es schon im Spätherbst die ersten Konkurse geben. Mit schwerwiegenden Folgen auch für den gesamten Nachwuchs- und Breitensport.