Unermüdlich fliegen ihre Fäuste durch die Luft. Schlag auf Schlag treffen sie auf einen schwarzen Boxsack, der quietschend in der Mitte des Boxclubs Basel hin und her schwingt. Gabi Balboa Timar (36) tänzelt hin und her, wischt sich den Schweiss aus dem Gesicht und bearbeitet den Boxsack weiter mit präzise platzierten Schlägen.
Die gebürtige Rumänin bestreitet am Mittwoch ihr Abschlusstraining, bevor sie am Freitag im Volkshaus Basel um den Europameistertitel der European Boxing Union (EBU) kämpft. Bereits vor einem Jahr stand sie an diesem Punkt, diese zierliche Frau, die den Kampfnamen Balboa trägt, weil sie genauso hart trainiert wie die legendäre Filmfigur Rocky Balboa. Damals musste sie gegen die Französin Cassandra Crevecoeur unten durch. Das will sie nicht nochmal erleben. «Ich habe mich ideal vorbereitet. Ich bin körperlich fit, und ich will diesen Titel.» Es wäre Gabi Timars bisheriges Highlight in einer Karriere, die alles andere als gewöhnlich verlief.
Der Kampf gegen Klischees
Erst mit 28 Jahren beginnt die studierte Juristin mit dem Sport. Freundinnen nehmen sie in den Boxclub Basel mit. «Mir war von der ersten Sekunde an klar – das ist mein Ding.» Gabi Balboa gibt sich komplett dem Sport hin, geht nach dem Training noch bis um Mitternacht ins Gym. Weil sie mit den Männern im Boxclub mithalten will? Balboa winkt ab. «Weil ich einfach gut sein wollte. Boxen kennt kein Geschlecht. Es gelten die gleichen Regeln für alle. Boxen ist Boxen!»
Und doch zeigt sich zumindest beim Ansehen ein grosser Unterschied zwischen Frauen- und Männerboxen. «Wenn ich erzähle, dass ich Profiboxerin bin, wird meistens gelacht», erzählt sie. «Die Leute sehen meine lackierten Nägel, meine Handtasche, mein Make-up. Das passt bei den meisten nicht in ihr Bild vom Boxen.»
Ein grosses Vorbild
Bei ihrem Titelkampf am Freitag gibt es für die Siegerin ein Preisgeld von etwa 3000 Franken. Bei den Männern wäre es wohl das Dreifache. «Schon nach ihrem ersten Kampf war klar: Gabis Karriere ist finanziell ein Minusgeschäft», erzählt ihr Trainer und Förderer Angelo Gallina. Doch in Basel glaubt man an die kämpferische Rumänin. Club und Trainer investieren Geld und Zeit, Balboa verdankt es ihnen mit starken Leistungen im Ring.
Mittlerweile spielt sich ein Grossteil von Balboas Leben im Boxkeller ab. Sie gibt Unterricht, häufig auch reinen Frauenklasssen. Inzwischen sind fast 40 Prozent der Mitglieder im Boxclub weiblich, Tendenz steigend. Ist die potenzielle Europameisterin der Grund dafür? Sie sei sicher ein Vorbild für junge Frauen, sagt sie bescheiden. Ihr Coach Angelo Gallina wird konkreter: «Die Leute im Kurs haben brutalen Respekt vor ihr. Die Anerkennung ist riesig.» Noch grösser könnte die werden, wenn Gabi Balboa Timar am Freitagabend vor heimischem Publikum den Europameistertitel nach Basel holt.