Dagegen, was Schwergewichts-Weltmeister Oleksandr Usyk (35) in den letzten Wochen erlebt hat, ist ein Boxkampf im Ring ein nachmittäglicher Spaziergang im Park. «Lieber Gott, mach, dass ich niemanden erschiessen muss», habe er jeden Tag gebetet, erzählte er unlängst dem «Guardian». Usyk verbrachte Monate als Soldat an der ukrainischen Grenze, ehe er sich ins Vorbereitungscamp auf seinen WM-Titelverteidigungskampf gegen Anthony Joshua (32) begab. «15 Pfund habe ich in zu Kriegsbeginn verloren.» Vor Angst, Sorge, Kummer.
Am Samstagabend steht Usyk wieder im Ring. In Saudi-Arabien kommt es zum Rückkampf gegen Joshua. Im ersten Fight war die Sache klar, Usyk hatte dem britischen Schwergewichts-Star die drei wichtigen Weltmeistertitel der Verbände WBA, IBF und WBO abgeknöpft.
Das Duell ist zunächst eng. Joshuas neuer Trainer Robert Garcia scheint ganze Arbeit geleistet zu haben, der Brite schlägt sich zu Beginn gut. Doch je länger der Fight dauert, desto deutlicher wird die technische Überlegenheit des früheren Cruiser-Champions Usyk, der Joshua wieder und wieder in Bedrängnis bringt, viel variabler ist und den schwereren Briten immer wieder mit flinken Kombinationen überfordert.
Kampf war in der Ukraine gratis empfangbar
Und so kommt es, wie es kommen muss: Die zwei der drei Punktrichter geben Usyk den Sieg, der Ukrainer bleibt hochverdient Schwergewichts-Champion. Ein Triumph, den dieser seiner kriegsversehrten Heimat widmet. Mit Verzicht auf einen Teil seiner Gage hat Usyk dafür gesorgt, dass in der Ukraine der Kampf frei empfangbar zu sehen war – die gebeutelten Landsleute sollen mitbekommen, wie einer der ihren um den Schwergewichts-Thron kämpft.
Was für ihn nun noch folgt? Gute Frage. «Ich boxe nur noch gegen Tyson Fury», sagt er. Fury hält den vierten wichtigen WM-Gürtel und hat vor wenigen Tagen noch einmal bestätigt, wirklich zurückgetreten zu sein. «Ich glaube nicht, dass er wirklich zurückgetreten ist. Ich kämpfe nur noch gegen Fury, sonst höre ich auf.»