Sie erinnert sich noch genau an den Moment, als ihr die brutale Diagnose den Boden unter den Füssen weggezogen hat: Jill Krähenbühl sitzt am Arbeitsplatz ihrer KV-Lehrstelle, als ihre Mutter sie anruft und ihr sagt, sie müsse sofort zum Arzt. «Ich habe den Arzt gegoogelt und gelesen, worauf er spezialisiert ist», erzählt die 17-Jährige, «unter anderem auf Leukämie.»
Das Schicksal schlägt erbarmungslos zu bei einer aufstrebenden Sportlerin. Jill Krähenbühl ist ein Beachvolleyball-Talent, träumt davon, eines Tages Profispielerin zu sein.
«Ich hatte etwas Mühe beim Atmen»
Rückblende, Anfang August 2022: Jill spielt ein Turnier. «Zunächst fühlte ich mich gut. Doch gegen Ende hatte ich heftige Krämpfe im Bein.» Weil die Klotenerin das so nicht kennt von ihrem Körper, beschliesst sie, deswegen ihre Blutwerte überprüfen zu lassen. Die Ergebnisse zeigen einen erhöhten Wert der Leukozyten, also der weissen Blutkörperchen.
In dieser Zeit machen ihr auch die Mandeln zu schaffen, «man dachte an eine Mandel-Entzündung». Sie bekommt Antibiotika. Ende August kämpft Jill Krähenbühl an der U19-Schweizermeisterschaft in Luzern um den Titel, verliert den Final an der Seite von Arianna Mortati nur knapp. «Ich hatte keine Beschwerden, nur etwas Mühe beim Atmen.» Doch das schreibt sie der vermeintlichen Mandel-Entzündung zu.
Zur Sicherheit wird ihr Blut erneut kontrolliert. Dass sich der Leukozyten-Wert trotz Antibiotika nicht gesenkt hat, erstaunt die Ärzte. Traurige Gewissheit erhält die Teenagerin, als sie in der Praxis jenes Spezialisten sitzt, zu dem sie ihre Mutter geschickt hat.
«Diagnose stellte unser aller Leben auf den Kopf»
Bevor sie stationär im Zürcher Uni-Spital aufgenommen wird, darf sie noch ein Wochenende mit ihrer Familie zuhause verbringen. Danach starten die Behandlungen, die Chemotherapien. Seither hat Jill Krähenbühl nur noch wenige Tage daheim verbracht. Als die Beacherin Blick ihre Geschichte erzählt, liegt sie in ihrem Spitalbett, hat vergleichsweise einen guten Tag und bringt genügend Energie dafür auf. «Am Anfang konnte ich nicht über meine Krankheit reden, ich schaffte es einfach nicht.»
Es belastet sie zunächst, dass sie auf ihr geliebtes Beachvolleyball verzichten muss. «Die Trainingsgruppe ist meine zweite kleine Familie. Zu Beginn der Krankheit realisierte ich nicht, wie schlimm alles wird.» Die erste Chemotherapie erledigt sie völlig, sie schläft nur noch. Die Kraft fehlt, die Bewegung erst recht. Davor hat sie viermal pro Woche trainiert, «jetzt sind meine Muskeln weg».
Doch Jill Krähenbühl lässt sich nicht unterkriegen. Als die Ärzte ihr dank ihres jungen Alters und ihrer körperlichen Verfassung ohne jegliche Vorerkrankungen gute Heilungschancen geben, fasst sie Zuversicht. «Das war mental wichtig für mich.» Ebenso die Unterstützung ihrer Familie, ihrer Freundinnen, ihrer Beachvolley-Familie. Ihr Trainer Kurt Brunner ist ein starker Support. «Das Umfeld ist das Wichtigste. Meine Familie hat es zusammengeschweisst, die Diagnose stellte unser aller Leben auf den Kopf. Mein älterer Bruder und ich stritten uns früher häufig, jetzt sind wir unzertrennlich.»
Ende November postet Swiss Volley in den sozialen Medien einen emotionalen Aufruf zur Stammzellen-Spende (hier zufinden). Die Schweizer Beach-Stars teilen ihn fleissig. Jill Krähenbühl hat grosses Glück: Man findet gleich mehrere passende Spender für sie. «Das ist eine riesige Erleichterung für mich und meine Familie.»
Die Teenagerin weiss, dass nicht alle an Leukämie Erkrankten so schnell diese ersehnte Nachricht bekommen, deshalb sagt sie: «Viele Leute kennen nur das Blut- oder Organspenden. Doch die Stammzellen-Spende ist genauso wichtig.»
Der Beachvolley-Traum lebt
In diesen Tagen wird entschieden, wann die U19-Vizeschweizermeisterin die Stammzellen-Transfusion erhalten wird. Vielleicht nach den Festtagen. Jill Krähenbühl hadert nicht mehr mit ihrem Schicksal, «ich will nicht an den Fragen zerbrechen, warum ich? Oder ob ich je wieder ganz gesund werde. Das würde mich in ein schwarzes Loch ziehen.»
Stattdessen hält sie sich ihren Traum vor Augen, Beachvolleyballerin zu werden. Und dafür eines Tages wieder im Sand stehen zu können. «Wenn ich das geschafft habe, weiss ich, dass ich den schwierigsten Kampf meines Lebens überstanden habe.»