Im Fall von Brock Purdy reden die US-Medien schon jetzt von einer «Cinderella Story», einem märchenhaften Aufstieg, den keiner für möglich gehalten hatte. Noch vor wenigen Tagen war der Name des 22-jährigen Quarterbacks nur absolut eingefleischten Kennern wirklich ein Begriff. Jetzt werden Purdy ganze Artikel und TV-Beiträge gewidmet.
Vor einer Woche war Purdy als Ersatzmann während eines Spiels der San Francisco 49ers ins kalte Wasser geworfen worden. Der Rookie, also ein Liga-Neuling, meisterte seine Aufgabe aber mit Bravour und brachte im Kampf um die Playoffs einen wichtigen Sieg für sein Team über die Zeit. Nun folgte am Sonntag die nächste Sternstunde: Die 49ers fegten zu Hause die Tampa Bay Buccaneers gleich mit 35:7 vom Platz. Purdy demontierte dabei auf der Gegenseite keinen Geringeren als Tom Brady, immerhin siebenfacher Super-Bowl-Champion.
Vom «Mr. Irrelevant» zum neuen Star
Die Purdy-Show beginnt gegen Tampa Bay gleich mit dem ersten Angriff. Acht Spielzüge braucht der Youngster, um die Bucs-Verteidigung ein erstes Mal komplett auszuhebeln und San Francisco mit einem Touchdown in Führung zu bringen. Zweifel am Sieger sollte es ab da nie mehr geben in dieser Partie. Schon zur Halbzeit steht es 28:0 für die Niners.
Die Coolness, die mutige Spielweise und die Fähigkeit von Purdy, auch unter Druck die Nerven zu behalten, sind alles andere als selbstverständlich. Der einzige Titel, den der junge Quarterback bislang in seinem Sport erlangt hat, ist jener des «Mr. Irrelevant». Eine wenig schmeichelhafte Auszeichnung für den Athleten, der im Draft (ein Auswahlverfahren, bei dem US-Klubs die besten Nachwuchsspieler verpflichten können) an 262. und damit letzter Stelle gewählt wurde.
Allgemein gilt es als eher unwahrscheinlich, dass einem so späten Draft-Pick überhaupt mal der Durchbruch in der NFL gelingt. Und eigentlich war auch Brock Purdy nicht mehr als der Ersatzmann vom Ersatzmann in San Francisco. Weil sich aber im Laufe der Saison mit Trey Lance (22) und Jimmy Garoppolo (31) gleich beide Stamm-Quarterbacks verletzt hatten, kam plötzlich die unbekannte Nummer 3 zum Zug. Der Rest ist schon jetzt historisch: Purdy ist der erste Quarterback überhaupt, der in seinem Debüt als Starter gegen Altmeister Tom Brady gleich gewinnen konnte.
Papa Purdy mit Tränen in den Augen
Im Stadion wird der Auftritt des neuen Emporkömmlings von der ganzen Purdy-Familie frenetisch bejubelt. Als der Quarterback dann beim Stand von 14:0 auch noch einen spektakulären Touchdown-Pass über fast 25 Meter anbringt, brechen auf den Rängen alle Dämme. Die Kameras fangen Brocks Vater Shawn Purdy danach mit Freudentränen in den Augen ein.
«Ich will nicht lügen: Das war ziemlich cool», sagte Purdy nach dem Spiel schmunzelnd über den Sieg gegen einen der Grössten des Sports. «Ich hatte viele Aufs und Abs in meiner bisherigen Karriere. Aber bei mir zu Hause haben immer alle an mich geglaubt – auch dann, als ich als Letzter im Draft gezogen wurde.» Das Vertrauen zahlt Purdy jetzt mit märchenhaften Leistungen zurück.