St. Moritz wehrte sich gegen diese SRF-Dokumentation
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Als Russenpflaster bezeichnet:St. Moritz wehrte sich gegen diese SRF-Dokumentation

Wegen Oligarchen-Dok über «Russenpflaster» St. Moritz
Ombudsstelle tadelt SRF

Die Reporter von SRF präsentierten Archivmaterial über St. Moritz als neu, kritisiert die Ombudsstelle. Ausser einem Rüffel verteilt sie aber auch viel Lob.
Publiziert: 11.06.2022 um 19:31 Uhr
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Aktualisiert: 12.06.2022 um 11:08 Uhr
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«Wichtige nationale Debatte ausgelöst»: Sitz von SRF im Leutschenbach.
Foto: Sven Thomann
Reza Rafi

Ein SRF-Dokfilm aus der Reihe «Reporter» erhitzte im März die Gemüter. Thema waren russische Oligarchengelder in der Schweiz. Den Zuschauern wurde eine helvetische Bürokratie vorgeführt, die mit der Umsetzung der Sanktionen überfordert ist. Dramatisch verkörpert wurde dies durch den fahrigen Auftritt des Zuger Finanzdirektors Heinz Tännler (62).

Nicht viel besser kam in dem Beitrag St. Moritz GR weg, Wohnsitz des Düngemittel-Barons Andrei Melnitschenko (50). Die Dok-Macher brandmarkten den Engadiner Nobelkurort als «Russenpflaster» und stützten ihre These auch durch Einblender aus der Konserve.

St. Moritz liess das nicht auf sich sitzen und reichte bei der SRG-Ombudsstelle Beschwerde ein. Diese war freilich grosszügig ausgeschmückt – Beschwerdeführer, Kläger und Anzeigeerstatter pflegen gewöhnlich hoch zu pokern. «Boulevardesk» sei der Streifen gewesen, man habe Klischees aufgewärmt und dafür «Ex-Botschafter, Ex-Missen und weitere Figuren aus der C-Promi-Welt» bemüht.

Lehrstück in Sachen Diplomatie

In der Essenz ging es aber um das erwähnte hineingeschnittene Archivmaterial, von dem das Publikum den Eindruck erhielt, dass es sich um aktuelle Aufnahmen der Reporter handle.

Jetzt liegt das Verdikt der Ombudsstelle vor – es ist ein Lehrstück in Sachen Diplomatie und kommt wie ein in rosa Watte gehüllter Pfeil daher, ein von Schalmeienklängen begleiteter Rüffel.

Den Angegriffenen im Leutschenbach jedenfalls dürfte ob mancher Zeilen des Urteils warm ums Herz werden. «Ausgezeichnet» sei die Sendung gewesen, «insgesamt aufschlussreich», sie griff «ein aktuell relevantes Ereignis auf», «förderte bisher Unbekanntes zutage» und stiess «eine breite und wichtige nationale Debatte an». Was wollen Journalisten mehr?

Russen-Party tief aus der Klamottenkiste

Den Vorwurf aus den Bergen, SRF habe in der Sendung auf abgehalfterte Kronzeugen gesetzt und unbelegte Vorurteile gebolzt, schmettern die Unparteiischen ab. Überdies sei St. Moritz bei russischen Feriengästen in der Tat ausserordentlich beliebt, weshalb der Begriff «Russenpflaster» vertretbar sei.

Des Pudels Kern jedoch liegt anderswo, und Interessierte müssen sich dafür erst durch reichlich Verteidigungsprosa kämpfen. In einem wesentlichen Punkt der Beschwerde geben die Schiedsrichter St. Moritz nämlich recht: «Den Vorwurf der fehlenden Quellen- und Zeitangaben heissen die Ombudsleute gut.»

Gemeint sind unter anderem Sequenzen mit einem Skilehrer und einer Tourismuschefin, die in Wahrheit beide seit Jahren nicht mehr im Dienst sind, ebenso Aufnahmen eines Promi-Wirts und einer Russen-Party tief aus der Klamottenkiste.

Keine grossen Kritiker der Öffentlich-Rechtlichen

Kurzum: Die erfahrenen SRF-Reporter hätten das Archivmaterial gegenüber den Gebührenzahlern als solches klar deklarieren müssen. Das gilt erst recht bei einem politisch derart aufgeladenen Thema – und angesichts der publizistischen Leitlinien des Hauses, die «Sorgfalt bei der Fakten- und Quellenprüfung sowie Transparenz über den Stand des Wissens und die Plausibilität genutzter Quellen» vorschreiben.

Die beiden Ombudsleute Esther Girsberger (61) und Kurt Schöbi (65), die dieses Urteil vertreten, sind sonst nicht als grosse Kritiker der Öffentlich-Rechtlichen bekannt.


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