Kompetenzgerangel behindert knallharte Umsetzung der Sanktionen gegen Russen-Elite
Die Schweiz jagt Oligarchen nur halbherzig

Kompetenzgerangel behindert knallharte Umsetzung der Sanktionen gegen Russen-Elite. Sogar bürgerliche Parteichefs fordern, dass der Bundesrat jetzt Dampf macht.
Publiziert: 26.03.2022 um 00:23 Uhr
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Aktualisiert: 26.03.2022 um 11:33 Uhr
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Die Schweiz hat Sanktionen gegen russische Oligarchen verhängt. Doch wie wird das umgesetzt?
Foto: Keystone
Sermîn Faki und Pascal Tischhauser

Die Stimmen, die mit der Umsetzung der Sanktionen unzufrieden sind, werden immer lauter. Jetzt schalten sich gar die beiden bürgerlichen Parteichefs Gerhard Pfister (59) und Thierry Burkart (46) in die Diskussion ein.

Sie verlangen, dass der Bund über die Bücher geht und die Verordnung nachbessert, in der die Sanktionen geregelt sind.

«Ganz offensichtlich muss der Bundesrat die Verordnung konkretisieren, damit Klarheit herrscht, wer was tun muss», betont FDP-Chef Burkart. Und Mitte-Präsident Pfister fordert: «Der Bundesrat ist in der Verantwortung, alles zu tun, damit die russische Elite nicht aus der Schweiz heraus den Krieg gegen die Ukraine mitfinanzieren kann.» Wenn es dazu eine Anpassung der Verordnung brauche, solle dies unverzüglich geschehen.

Bund soll Kantone genau instruieren

Wichtig sei, «dass der Bundesrat vorwärtsmacht», sagt Pfister und nimmt auch das verantwortliche Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) ins Visier: «Selbstverständlich» müsse dieses die Kantone genau instruieren, welche Massnahmen zu ergreifen seien.

Denn genau da hapert es. EU-Sanktionen gegen Putin und dessen Unterstützer zu übernehmen, ist die eine Sache. Diese auch wirksam umzusetzen, die andere. Die Überwachung wird in der Schweiz über eine Meldepflicht sichergestellt. Personen und Institutionen, die Vermögenswerte sanktionierter Russen halten, verwalten oder davon wissen, müssen diese dem Seco melden, damit das Vermögen gesperrt wird. So steht es in Artikel 16 der Sanktionsverordnung.

Nur: Was heisst «wissen»? Bei Banken ist das noch einfach – und die dürften sich hüten, sanktionierte Oligarchen nicht zu melden. Fliegt diese Unterlassung auf, drohen insbesondere in den USA happige Strafen. Doch was heisst «wissen» für die kantonalen Grundbuch-, Steuer- und Handelsregisterämter? Geldwäscherei-Experten raten ihnen, aktiv nach Vermögenswerten von Oligarchen zu suchen.

Aktive Suche sieht anders aus

Am Mittwoch strahlte das SRF eine «Reporter»-Recherche aus, die der Frage nachging, wie die Kantone Graubünden und Zug vorgehen. Dabei bekamen die Zuschauer einen Vorgeschmack darauf, wie die «Suche» nach den Vermögenswerten tatsächlich abläuft. Der Zuger Finanzdirektor Heinz Tännler (61) sagte im Fernsehen, er habe vom Bund keinen Brief erhalten, in dem stehe, was er jetzt tun müsse. Seine Schlussfolgerung: «Ich muss nicht recherchieren und wie ein Detektiv nachforschen.» Es sei nicht die Aufgabe des Kantons, Bern unter die Arme zu greifen.

Wie die Zuger Regierung auf Blick-Nachfrage schreibt, hat lediglich das kantonale Grundbuchamt eine Weisung zu den Sanktionen erhalten, die es vollständig, laufend und sehr schnell umsetze. «Für das Handelsregisteramt und die Steuerverwaltung liegen vom Bund noch keine Weisungen vor, und diese Ämter erhielten bislang vom Seco auch keine brauchbaren Antworten auf ihre Fragen», schreibt Zug. Für den Kanton ist «die Verordnung zu wenig klar».

Schluss mit den Ausreden!

Vor vier Wochen stand die Schweiz im Abseits. Mit der Weigerung, die internationalen Sanktionen gegen Putin und seine Entourage zu übernehmen, hatte der Bundesrat die Welt – und die eigene Bevölkerung – vor den Kopf gestossen. Kriegsgewinnler wurden wir genannt. Zu Recht.

Nun droht das erneut. Obwohl wir die EU-Sanktionen übernehmen. Doch es mangelt am Willen zu handeln, und ohne den sind Sanktionen Papiertiger. Man wird wieder mit dem Finger auf uns zeigen. Zu Recht.

Dass Bund und Kantone sich so schwertun, lässt tief blicken. Das Embargogesetz ist fast auf den Tag genau 20 Jahre alt. Die Schweiz hat seither zahlreiche Sanktionen übernommen. Wie kann es sein, dass plötzlich solche Probleme auftauchen?

Vielleicht weil sich die Behörden bei Sanktionen durchmogelten? Weil niemand hingeschaut hat? Warum sollte man auch. Das Geschäft mit den Tyrannen dieser Welt lief prächtig. Das wollte man den Banken, Anwälten und Treuhändern nicht kaputtmachen.

Doch die Zeiten haben sich geändert. Es reicht nicht, bloss Farbe zu bekennen. Der Bundesrat muss die Sanktionsverordnung glasklar formulieren. So dass kein Kanton mehr eine Ausrede für sein Nichtstun hat. Sermîn Faki

Blick-Politik-Chefin Sermîn Faki.
Thomas Meier

Vor vier Wochen stand die Schweiz im Abseits. Mit der Weigerung, die internationalen Sanktionen gegen Putin und seine Entourage zu übernehmen, hatte der Bundesrat die Welt – und die eigene Bevölkerung – vor den Kopf gestossen. Kriegsgewinnler wurden wir genannt. Zu Recht.

Nun droht das erneut. Obwohl wir die EU-Sanktionen übernehmen. Doch es mangelt am Willen zu handeln, und ohne den sind Sanktionen Papiertiger. Man wird wieder mit dem Finger auf uns zeigen. Zu Recht.

Dass Bund und Kantone sich so schwertun, lässt tief blicken. Das Embargogesetz ist fast auf den Tag genau 20 Jahre alt. Die Schweiz hat seither zahlreiche Sanktionen übernommen. Wie kann es sein, dass plötzlich solche Probleme auftauchen?

Vielleicht weil sich die Behörden bei Sanktionen durchmogelten? Weil niemand hingeschaut hat? Warum sollte man auch. Das Geschäft mit den Tyrannen dieser Welt lief prächtig. Das wollte man den Banken, Anwälten und Treuhändern nicht kaputtmachen.

Doch die Zeiten haben sich geändert. Es reicht nicht, bloss Farbe zu bekennen. Der Bundesrat muss die Sanktionsverordnung glasklar formulieren. So dass kein Kanton mehr eine Ausrede für sein Nichtstun hat. Sermîn Faki

Ähnlich äusserte sich auch Toni Hess, Leiter des Rechtsdienstes der Steuerverwaltung Graubündens: «Es steht nicht fest, ob Steuerverwaltungen von der Meldepflicht betroffen sind.» Das kantonale Steuergeheimnis sei nämlich sehr strikt.

Eigentlich wissen alle seit 20 Jahren Bescheid

Das Seco, das seit dem Angriff auf die Ukraine nicht durch besonders grosses Engagement in Sachen Sanktionen auffällt, versteht das nicht: Die Sanktionen seien in Kraft, die Kantone bräuchten keine Extra-Einladung.

Zudem gebe es ja Erfahrungen: «Es sind über 20 Sanktionsregime gestützt auf das Embargogesetz in Kraft. Für die meldepflichtigen Stellen ist das daher nicht neu», so ein Sprecher. Bei Fragen zur Umsetzung könnten sich die kantonalen Behörden mit dem Seco in Verbindung setzen, das habe sich auch in der Vergangenheit bewährt.

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Auch Kantone sollen vorwärtsmachen

Für FDP-Chef Burkart können sich jedoch auch die Kantone nicht mit Verweis aufs Seco aus der Affäre ziehen. So sagt er, das Steuergeheimnis könne der Sanktionsdurchsetzung nicht entgegengesetzt werden.

Dennoch: Zug wartet ab. Wenn die offenen Fragen geklärt seien, werde der Kanton sich «in seinem Zuständigkeitsbereich selbstverständlich» um die Umsetzung kümmern. Und als «Präventivmassnahme» verzichte die Steuerverwaltung bis auf weiteres darauf, Steuerguthaben an sanktionierte Oligarchen auszuzahlen.

Parmelin reagiert

Allzu lange kann Zug nicht mehr warten. Wirtschaftsminister Guy Parmelin (61) reagiert jetzt nämlich: Das Departement sei grundsätzlich laufend daran, bestehende Prozesse zu überprüfen und nötigenfalls anzupassen. Auch in diesem Fall, sagt Parmelins Sprecher Urs Wiedmer. «Wir werden eine Klärung auf der Webseite platzieren, wo wir auch Hinweise über die Auslegung von spezifischen Bestimmungen geben.»

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